I. Formel.
Rn 5
Sind mehrere Pflichtteilsberechtigte zu berücksichtigen, ist für jeden Anrechnungspflichtigen getrennt sein Pflichtteilsanspruch unter Berücksichtigung nur seines Vorausempfangs zu errechnen (Staud/Otte Rz 37). Bei Zugewinngemeinschaft ist nach der erb- oder güterrechtlichen Lösung (§ 2303 Rn 10 f) zu unterscheiden (Rn 7). Die Methode, den effektiven Pflichtteilsanspruch des Zuwendungsempfängers zu errechnen, wird durch II 1 vorgegeben: Der Wert der jeweiligen anrechnungspflichtigen Zuwendung (Z) ist dem Realnachlass (N) hinzuzurechnen. Das Ergebnis ist der fiktive Nachlass (Z+N). Dieser wird unter Berücksichtigung von § 2310 mit der Pflichtteilsquote, die auf die Hälfte der gesetzlichen Erbquote (Q) geht (vgl § 2303 I 2), multipliziert: (Z+N)/2Q. Von diesem Ergebnis ist der Vorausempfang (Z) abzuziehen. Übersteigt der Vorausempfang den nach II berechneten Pflichtteilsanspruch des Anrechnungspflichtigen, braucht er aber nichts zurückzuzahlen; ggf besteht gegen ihn dann ein Pflichtteilsergänzungsanspruch (DErbK/Gemmer Rz 14; Damrau/Lenz-Brendel Rz 10; MüKo/Lange Rz 13).
II. Beispiele.
Rn 6
1. Pflichtteilsberechtigter des Erblassers (E) ist nur sein Sohn A, der einen Vorausempfang von 100 empfangen hat. Erbe (Nachlasswert: 500) ist der familienfremde Y. Der fiktive Nachlass beträgt (ohne Indexierung, Rn 8) 100 + 500 = 600. Unter Berücksichtigung der Pflichtteilsquote (½) ergibt sich ein Pflichtteil von 300, von dem der Vorausempfang (100) abzuziehen ist. A erhält 200. 2. Hinterlässt E neben A noch B und C, wobei C sich seinerseits 40 als Vorausempfang anrechnen lassen muss, beträgt der fiktive Nachlass für A 600 und für C 500 + 40 = 540. Die Pflichtteilsquote beträgt jeweils 1/6. A erhält nichts, da auf seinen Pflichtteil von 100 sein Vorausempfang angerechnet wird. C erhält 540/6 – 40 = 50 und B, der keinen Vorausempfang hatte, 500/6 = 83,33.
Rn 7
3. E hinterlässt aus einer Ehe in Zugewinngemeinschaft die Witwe W und die Kinder A, B und C. W hatte einen Vorausempfang von 600, A von 240, B von 160 und C von 80 erhalten. Die Zugewinnausgleichsforderung der W beträgt 1000, der Nachlass 5000. Erbe ist der familienfremde Y. W steht neben dem kleinen Pflichtteil (§ 1371 II, III) Zugewinnausgleich zu. Daher kommt auch eine Anrechnung auf die Ausgleichsforderung nach § 1380 I in Betracht. Fehlt eine Anordnung des Erblassers, auf welche Forderung anzurechnen ist, sollte sie entspr § 366 II auf die für den Ehegatten unsicherere Forderung erfolgen (Soergel/Dieckmann Rz 21). Das ist idR wegen des schlechteren Rangs in der Insolvenz und der Erbschaftsteuerpflicht der Pflichtteilsanspruch (MüKo/Lange Rz 21). Für die Berechnung ist dann der Nachlass um die Zugewinnausgleichsforderung zu bereinigen. Er beträgt demnach 5000 – 1000 = 4000. Nunmehr ist jeweils für jeden Pflichtteilsberechtigten der fiktive Nachlass zu ermitteln. Er beträgt für W 4000 + 600 = 4600, für A 4240, für B 4160 und für C 4.080. Mit diesem Wert ist die Pflichtteilsquote von 1/8 zu multiplizieren und von dem jeweiligen Ergebnis der individuelle Vorausempfang abzuziehen. Für W ergibt sich 4600/8 – 600 = –25. Sie erhält nichts, A 290, B 360 und C 430. Bei Gütertrennung bzw -gemeinschaft ist die dann jeweils maßgebliche Quote (§ 1931) anzulegen.
III. Bewertungszeitpunkt.
Rn 8
Die Bewertung der Zuwendung erfolgt nach dem Zeitpunkt ihrer Vornahme (II 2), bei gestreckten Erwerbstatbeständen nach dem Zeitpunkt der Vollendung des dinglichen Erwerbs (BGH NJW 75, 1831). Nachträgliche Wertveränderungen bleiben unberücksichtigt, Inflation wird aber bereinigt (BGH NJW 74, 137; 75, 1831 [BGH 04.07.1975 - IV ZR 3/74]). Der Wert (W) berechnet sich, indem der Wert am Zuwendungszeitpunkt (Z) mit der Preisindexzahl für die Lebenshaltungskosten des Todesjahres (LE) multipliziert und durch die Preisindexzahl für das Zuwendungsjahr (LZ) dividiert wird (BGH NJW 92, 2888; WM 97, 860, 861; vgl den Index § 1374 Rn 13): W = Z*LE/LZ. Der Erblasser kann von II 2 abweichen und eine Anrechnung mit einem niedrigeren oder – nur in Form des Pflichtteilsverzichts (aA Nürnbg ZEV 06, 361, 362 m abl Anm Keim zur Bestimmung eines abw Stichtages; Ebenroth/Bacher/Lorz JZ 91, 277, 282) – mit einem höheren Wert anordnen (BVerfG FamRZ 06, 927; BayVerGH NJW-RR 06, 950; NK/Bock Rz 18).