Rn 4
Zur Ermittlung des Ausgleichungspflichtteils (P) ist ein fiktiver Ausgleichungserbteil zu errechnen (Damrau/Lenz Rz 14). Dazu ist (nur) der auf die ausgleichungspflichtigen Abkömmlinge entfallende Nachlasswert (N) mit sämtlichen ausgleichungspflichtigen Zuwendungen an diese Abkömmlinge (Z) mit ihrem Wert zur Leistungszeit (§ 2055 II) unter Berücksichtigung des Kaufkraftschwundes bis zum Erbfall (Index: § 1374 Rn 13) zu addieren (§ 2055 I 2, II; Staud/Otte Rz 22f). Der Nachlassteil, der auf den überlebenden Ehegatten entfiele, wird insoweit nicht mitberechnet. Gleiches gilt bzgl Abkömmlingen, die wegen § 2056 außer Betracht bleiben. Die ermittelte Summe (N+Z) ist durch die Anzahl der mitgezählten Abkömmlinge (Q) zu dividieren (vgl § 1924 IV): (N+Z)/Q. Von diesem Ergebnis ist der Wert der von dem jeweiligen Abkömmling auszugleichenden Zuwendungen (T) abzuziehen (§ 2055 I 1). Der individuelle Ausgleichungspflichtteil ist die Hälfte des so ermittelten Ausgleichungserbteils (§ 2303 I 2): 1/2 ([N+Z]/Q-T). Bei der Berechnung ist ggf der Güterstand des Erblassers zu berücksichtigen und bei Zugewinngemeinschaft, ob es zur erb- oder güterrechtlichen Lösung kommt (Rn 6 f).
Bsp: I. Grundfall.
Rn 5
Witwer E hinterlässt seine Kinder A, B und C. Der Nachlasswert beträgt 2400, die Vorempfänge des A 1800, des B 600 und des C 0. Zur Berechnung des Ausgleichungserbteils (ohne Indexierung) ist der Nachlass (N) mit sämtlichen Vorempfängen (Z) zu addieren (2400 + 1800 + 600 + 0 = 4800), die Summe durch die Anzahl der mitzuzählenden Abkömmlinge (Q) zu dividieren (4800/3 = 1600), und vom Ergebnis der individuelle Vorempfang zu subtrahieren. Die Hälfte ergibt den Ausgleichungspflichtteil. Für A ergibt sich hierbei ein negatives Ergebnis ([1600 – 1800]/2 = –100). Ggf verbleibt ihm ein Pflichtteilsergänzungsanspruch. Nach I 1 iVm § 2056 1 muss er nichts zurückzahlen (RGZ 77, 282; BGH NJW 65, 1526 [BGH 15.03.1965 - III ZR 108/63]). Er bleibt nach § 2056 2 bei der Berechnung für die übrigen Abkömmlinge außer Ansatz (Brox/Walker ErbR Rz 561). Zum Nachlass ist nur der Vorempfang von B zu addieren (2400 + 600 = 3000), die Summe durch die Anzahl der nun zu berücksichtigenden 2 Abkömmlinge zu dividieren (3000/2 = 1500) und vom Ergebnis der individuelle Vorempfang zu subtrahieren. Das ergibt für B: 1500 – 600 = 900 und für C: 1500 – 0 = 1500. Die Hälfte ist der Ausgleichungspflichtteil.
II. Zugewinngemeinschaft.
Rn 6
Der in Zugewinngemeinschaft lebende Erblasser E hinterlässt die Witwe W und die Kinder A, B und C, wobei A 40 und B 20 an ausgleichungspflichtigen Vorempfängen erhalten hatten. Der Nachlasswert beträgt 400. Bei der güterrechtlichen Lösung (W schlägt den gesetzlichen Erbteil aus oder ist enterbt) und unter der Annahme, dass kein Anspruch auf Zugewinnausgleich besteht, beträgt der ausgleichungspflichtige Restnachlass den Betrag, den der Nachlass um den gesetzlichen Erbteil des Ehegatten W (hier: ¼) gemindert ist: 400 – 100 = 300. Der Pflichtteil der W beträgt 50. Zu dem Restnachlass (N) sind die Zuwendungen an die Abkömmlinge hinzuzurechnen (N+Z): 300 + 40 + 20 + 0 = 360. Die Summe ist durch die Anzahl der Abkömmlinge zu dividieren: 360/3 = 120. Für jeden Abkömmling ist der Wert seines Vorempfangs abzuziehen, so dass sich für A 120 – 40 = 80, B 120 – 20 = 100 und für C 120 – 0 = 120 ergibt. Die Hälfte des jeweiligen Ausgleichungserbteils ist der individuelle Ausgleichungspflichtteil (§ 2316 I); also für A 40, B 50 und C 60. Bei der erbrechtlichen Lösung, wenn W Erbin oder Vermächtnisnehmerin wird, beträgt der ausgleichungspflichtige Restnachlass nur 200, da der auszuscheidende gesetzliche Erbteil der W 200 beträgt. Dieser Wert ist mit den Vorausempfängen der Abkömmlinge zu addieren (200 + 40 + 20 + 0 = 260), durch ihre Anzahl zu dividieren (260/3 = 86,67), individuell um den jeweiligen Vorausempfang zu mindern und dann jeweils durch die Hälfte zu dividieren. Es ergibt sich für A: 86,67 – 40 = 46,47, wovon 23,33 die Hälfte ist. B erhält ½ (86,67 – 20) = 33,33 und C ½ 86,67 = 43,33.
III. Gütertrennung.
Rn 7
Hinterlässt E (Nachlasswert: 2000) bei Gütertrennung (vgl § 1931 IV) eine Witwe W und die Kinder A, B und C mit Vorempfängen von 200, 400 und 600, ist vom ausgleichungspflichtigen Restnachlass der gesetzliche Erbteil der W (2000/4 = 500; Pflichtteil: 250) zu subtrahieren und sämtliche Vorempfänge (200, 400 und 600) zu addieren (1500 + 1200 = 2700). Das Ergebnis ist durch die Anzahl der Abkömmlinge zu dividieren (2700/3 = 900). Individuell ist der jeweilige Vorempfang zu subtrahieren. Der Ausgleichungspflichtteil besteht in der Hälfte des jeweils ermittelten Wertes, dh für A (900 – 200)/2 = 350, für B (900 – 400)/2 = 250 und für C (900 – 600)/2 = 150 (vgl Soergel/Dieckmann Rz 13).
IV. Anrechnung von Leistungen iSv § 2057a.
Rn 8
Der Erblasser kann einen Ausgleichungsanspruch aus § 2057a durch letztwillige Verfügung ausschließen (BGH ZEV 21, 449 [BGH 24.03.2021 - IV ZR 269/20] Rz 16). Sind dagegen Leistungen eines Abkömmlings an den Erblasser iSv § 2057a (zB Mitarbeit im Haushalt oder Erwerbsgeschäft, Pflegedienste, erhebliche Geldleistung...