I. Regelverjährung.
Rn 11
Die bisherige Sonderverjährung nach § 197 I Nr 2 ist mit Wirkung zum 1.1.10 entfallen (Ausnahmen nach § 197 I Nr 2: §§ 2018, 2130, 2362). Damit wurde § 2332 I aF überflüssig (Übergangsvorschrift: Art 229 § 23 II EGBGB). Pflichtteilsansprüche verjähren grds (s.a. § 2332) nach §§ 195, 199, also der ordentliche Pflichtteilsanspruch (§ 2303; BGH NJW 19, 1219 [BGH 24.01.2019 - IX ZR 233/17] Rz 9), der Pflichtteilsrestanspruch (§§ 2305, 2307 I 2), der Vervollständigungsanspruch (§ 2316 II; vgl Karlsr NJW-RR 07, 881, 884 [OLG Karlsruhe 21.08.2006 - 15 W 23/06]) und der Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen den Erben (§§ 2325f). Bei Zugewinngemeinschaft ist der Anspruch auf Zugewinnausgleich nach dem Tod des einen Ehegatten (§ 1378 IV 3) erfasst. Auch der Anspruch auf Auskunft und Wertermittlung (§ 2314) unterfällt §§ 195, 199 (§ 2314 Rn 20). Nicht zu den Pflichtteilsansprüchen gehören der Erbauseinandersetzungs- oder Vermächtnisanspruch des Pflichtteilsberechtigten, der in Höhe des Pflichtteils als Miterbe oder Vermächtnisnehmer berufen wurde (RGZ 113, 234, 237), oder die Mängelansprüche bzgl einer zur Abgeltung der Pflichtteilsansprüche erhaltenen Sache (BGH NJW 74, 363 [BGH 21.12.1973 - IV ZR 72/72]); für diese gilt § 438 analog. Die Pflichtteilsansprüche verjähren grds in 3 Jahren, wobei die Verjährungsfrist auch des Pflichtteilsanspruchs mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 I). Die Verjährung beginnt (nunmehr) stets mit dem 1.1. des Folgejahres. Eine Ablaufhemmung kennt § 211.
Rn 12
Nach § 199 IIIa besteht eine absolute Verjährungshöchstfrist von 30 Jahren ab Entstehung des Anspruchs, dh ab Erbfall. Die kurze dreijährige Verjährungsfrist des § 195 soll helfen schnell Klarheit zu schaffen, ob durch die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen noch eine Verschiebung der Nachlassverteilung zu erwarten ist. Zudem wird nach längerer Zeit die Feststellung des Nachlasses schwieriger (vgl schon RGZ 135, 231, 235). Fristverlängerung ist durch Vereinbarung zwischen Erben und Pflichtteilsberechtigten nach § 202 II möglich, aber auch durch einseitige Verfügung vTw des Erblassers (Amann DNotZ 02, 94, 125 f; Brambing ZEV 02, 137, 138; aA Lange ZEV 03, 433, 436). Folge. Die Verjährung führt zu einem einredeweise geltend zu machenden Leistungsverweigerungsrecht (§ 214 I). Die Undurchsetzbarkeit des verjährten Anspruchs führt nicht dazu, dass nicht verjährte Pflichtteilsansprüche erhöht werden. Ist bei gesamtschuldnerischer Haftung der Pflichtteilsanspruch nur gegen einen Teil der Schuldner verjährt, gilt § 425 II. Unbeachtlich ist die Einrede der Erben, wenn sie den Berechtigten durch schuldhafte Täuschung von der rechtzeitigen Leistungsklage abhielten (Kobl ZEV 02, 501, 502 [OLG Koblenz 06.05.2002 - 5 U 1287/01]).
II. Verjährungsbeginn.
Rn 13
Für den Beginn der Regelverjährung (Rn 11) kommt es darauf an, dass der Anspruch entstanden ist (Rn 2) und der Berechtigte von den seinen Pflichtteilsanspruch begründenden Umständen und der Person des Erben (als Schuldner) Kenntnis erlangt oder grob fahrlässige nicht erlangt (§ 199 I; § 199 Rn 12 ff, 17; str, aA zu § 2332 aF BGH NJW 14, 2575 [BGH 04.06.2014 - IV ZR 348/13] Rz 9). Nicht kommt es auf (ggf erst nachträglich erlangte) Kenntnis von Zusammensetzung und Wert des Nachlasses an (BGH NJW 13, 1086 [BGH 16.01.2013 - IV ZR 232/12] Rz 8).
Rn 14
Die iSd § 199 I Nr 2 erforderliche Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis muss zunächst als anspruchsbegründenden Umstand den Tod des Erblassers erfassen. Der Berechtigte erlangt sie idR zum Zeitpunkt des Erbfalls; dieser Zeitpunkt ist auch bei Nacherbschaft relevant (Staud/Olshausen § 2332 Rz 15). Bei Geschäftsunfähigen oder beschränkt Geschäftsfähigen kommt es auf die Kenntnis des gesetzlichen Vertreters (Kobl 8.8.13 – 5 U 175/12), ansonsten bei Vertretung oder Betreuung (str) auf die (jew frühere) Kenntnis des Vertreters oder Vertretenen an (str, vgl § 199 Rn 12).
Rn 15
Ferner muss er Kenntnis (oder grob fahrlässig Unkenntnis) von einer ihn beeinträchtigenden Verfügung vTw des Erblassers haben. Eine solche liegt vor, wenn sie nach §§ 2303, 2305–2307 einen Pflichtteilsanspruch begründet oder der Berechtigte zwar mindestens die Hälfte seines gesetzlichen Erbteils, aber weniger als die Hälfte dessen erhält, was auf seinen gesetzlichen Erbteil unter Einbeziehung der Ausgleichungspflicht nach § 2050 ff entfallen würde (RGZ 135, 231, 232). Eine beeinträchtigende Verfügung (auch) zu Lebzeiten des Erblassers kann eine solche sein, die Ergänzungsansprüche gegen den Erben nach §§ 2325, 2326 begründet (BGH NJW 72, 760 [BGH 23.02.1972 - IV ZR 135/70]; 88, 1667 [BGH 09.03.1988 - IVa ZR 272/86]). Zu § 2316s Karlsr NJW-RR 07, 881 [OLG Karlsruhe 21.08.2006 - 15 W 23/06] m Anm Keim ZEV 06, 332.
Rn 16
Kenntnis von einer beeinträchtigenden Verfügung setzt voraus, dass der Berechtigte nicht nur von ihr erfährt, sondern auch ihren wesentlichen Inhalt und ihre beeinträchtigende Wirkung erkennt (RGZ 70, 360, 362). Daran fehlt es, wenn er ein...