Gesetzestext
(1) Wer an Stelle des Pflichtteilsberechtigten gesetzlicher Erbe wird, hat im Verhältnis zu Miterben die Pflichtteilslast und, wenn der Pflichtteilsberechtigte ein ihm zugewendetes Vermächtnis annimmt, das Vermächtnis in Höhe des erlangten Vorteils zu tragen.
(2) Das Gleiche gilt im Zweifel von demjenigen, welchem der Erblasser den Erbteil des Pflichtteilsberechtigten durch Verfügung von Todes wegen zugewendet hat.
A. Zweck.
Rn 1
Nach der dispositiven (vgl § 2324) Norm muss, wer an Stelle eines Pflichtteilsberechtigten gesetzlicher Erbe wird, im Innenverhältnis die Pflichtteilslast nur bis zur Höhe des erlangten Vorteils, also nicht nach dem Verhältnis seines Anteils (vgl §§ 2038 II, 748, 2047 I, 2148) tragen (I). Die Bestimmung wirkt im Verhältnis der Erben untereinander (v Olshausen MDR 86, 89, 91), nicht im Außenverhältnis. Insoweit richtet sich die gesamtschuldnerische Haftung der Miterben nach §§ 2058 ff. Die Auslegungsregel des II erweitert die Anordnung des I (Rn 5).
B. Gesetzlicher Erbe als Eintretender.
Rn 2
Ein Dritter muss an Stelle des Pflichtteilsberechtigten gesetzlicher Miterbe geworden sein, weil jener durch negatives Testament iSv § 1938 enterbt worden ist, im Fall des § 2306 I ausgeschlagen hat, unter Vorbehalt des Pflichtteils auf den Erbteil verzichtet (MüKo/Lange Rz 4) oder wegen eines dieser Umstände einen höheren gesetzlichen Erbteil (§ 1935) erlangt hat (Staud/Otte Rz 3). Für I ist ohne Bedeutung, ob wegen des Ausfalls des Pflichtteilsberechtigten derjenige, dem die Erbschaft anfällt, überhaupt erst Erbe wird oder sich seine Erbquoten nur erhöht (MüKo/Lange Rz 5). I gilt nicht, wenn sich durch den Ausfall die Erbquoten der anderen Miterben gleichmäßig erhöhen (MüKo/Lange Rz 6); dann bedarf es keines Ausgleichs.
C. Verteilung der Pflichtteilslast.
Rn 3
Die Pflichtteilslast ist vom gesetzlichen Erben bis zur Grenze des erlangten Vorteils zu tragen (I Alt 1). Dieser deckt sich idR mit dem Wert des erlangten oder erhöhten Erbteils, doch gehört auch eine Erhöhung des Voraus (§ 1932 I) dazu (Gottwald Rz 10). Beschränkungen und Beschwerungen mindern den Wert, wenn keine Abwälzung der entspr Pflichtteilslast möglich ist (MüKo/Lange Rz 7). Maßgebender Bewertungszeitpunkt ist der Erbfall (BGH NJW 83, 2378, 2379 [BGH 09.03.1983 - IVa ZR 211/81]).
D. Verteilung der Vermächtnislast.
Rn 4
I Alt 2 macht von dem Grds des § 2148 eine Ausn. Die Vermächtnislast ist im Verhältnis zu den Miterben von demjenigen zu tragen, der an Stelle eines mit einem Vermächtnis bedachten Pflichtteilsberechtigten gesetzlicher Erbe geworden ist. Gleichgültig ist, ob das Vermächtnis die Höhe des Pflichtteils übersteigt (Soergel/Dieckmann Rz 5). Ist es kleiner als der Pflichtteil, hat der Ersatzmann im Innenverhältnis einen Pflichtteilsrestanspruch (§ 2307 I 2) zu tragen (Staud/Otte Rz 17). Das gilt auch für ein Vermächtnis, das der Erblasser dem Pflichtteilsberechtigten, dem er den Pflichtteil entzogen hat (§§ 2333 ff), zugewandt hat (RGRK/Johannsen Rz 6).
E. Lastenverteilung bei gewillkürter Erbfolge (Abs 2).
Rn 5
Nach der Auslegungsregel gilt die Lastenverteilung nach I im Zweifel auch für den Fall, dass der (gesetzliche, RG DR 41, 441, 442) Erbteil des Pflichtteilsberechtigten durch Verfügung vTw zugewendet ist: Zunächst ist die gesetzliche Erbquote zu ermitteln. Bei Zugewinngemeinschaft ist zwischen erb- und güterrechtlicher Lösung zu differenzieren (Mauch BWNotZ 92, 146 m Bsp). Dann ist zu fragen, wem dieser Erbteil zugewandt werden sollte (BGH NJW 83, 2378). Der Erblasser muss bewusst und gewollt den Pflichtteilsberechtigten durch einen Ersatzmann ersetzen wollen, so dass zwischen Enterbung und Begünstigung ein Zusammenhang besteht; einer ausdrücklichen Bestimmung dieser Art bedarf es aber nicht (MüKo/Lange Rz 9; BeckOKBGB/Müller Rz 4: Vermutung in Fallgruppen mit typischer Interessenlage; zT aA Pentz MDR 98, 1391, 1393). Ist ein solcher Erblasserwille nicht ermittelbar, haben die Miterben im Innenverhältnis nach den allg Regeln die Pflichtteilslast entspr ihren Erbteilen zu tragen. Entspr gilt bei einer Ersatzerbenberufung iSv § 2096, 2102 oder bei der Anwachsung nach § 2094. Nach BGHZ 33, 60, 62 f gilt § 2069 bei einer Ausschlagung nach § 2306 I zur Vermeidung einer Doppelbegünstigung nicht (abl Staud/Otte Rz 14). Der BGH (NJW 83, 2378, 2379 [BGH 09.03.1983 - IVa ZR 211/81]) erachtete es als fragwürdig, die Auslegungsregel schon dann nicht anzuwenden, wenn sich ein abw Erblasserwille nur im Wege ergänzender Auslegung aufgrund des hypothetischen Willens ermitteln lässt.