Rn 12
Der Erbverzicht als abstraktes Rechtsgeschäft (Rn 2) bedarf eines Verpflichtungsgeschäfts als Rechtsgrund, um kondiktionsfest zu sein (BGH NJW 97, 653 [BGH 29.11.1996 - BLw 16/96]; Staud/Schotten Rz 115). Die Rechtsgeschäfte sind in ihrem Bestand jedoch voneinander unabhängig (BayObLG ZEV 06, 209, 210; NK/Beck/Kroiß). Analog § 2348 bedarf auch das Kausalgeschäft der notariellen Beurkundung (Staud/Schotten Rz 119). Nur selten wird der Erbverzicht ohne Gegenleistung für den Verzichtenden erklärt werden. Der unentgeltliche Erbverzicht ist ein unentgeltliches Rechtsgeschäft eigener Art, weil der Anwärter weder dem künftigen Erblasser noch einem Dritten als Begünstigten etwas iSd § 516 ff schenkt, da diese durch den Verzicht nicht bereichert werden (Staud/Schotten Rz 120f). IdR wird eine Abfindung als Entgelt für den Erbverzicht des Anwärters vereinbart. Weil sie als Surrogat für einen unentgeltlichen Erwerb vTw gezahlt wird, mit der der Zuwendende seine lebzeitigen und letztwilligen Vermögenszuwendungen in ein Gleichgewicht bringen möchte, ist sie gleichfalls eine unentgeltliche Zuwendung (BGH NJW 91, 1610 [BGH 28.02.1991 - IX ZR 74/90]; Staud/Schotten Rz 124; aA Soergel/Damrau Rz 3: entgeltlicher Vertrag) und idR Schenkung iSd BGB. Der Verzicht auf das Erb- oder Pflichtteilsrecht nimmt der Zuwendung jedenfalls insoweit nicht den Charakter der Unentgeltlichkeit, als er der Ausgleichung der lebzeitigen Zuwendung bei der Erbfolge dienen soll, was idR anzunehmen ist, wenn die Höhe der Zuwendung in etwa der Erberwartung entspricht oder diese gar übersteigt (BGH 7.7.15 – X ZR 59/13 Rz 19; vgl § 2325 Rn 17 ff). Die Abfindung kann eine Zuwendung vTw, zB ein mit erbvertraglicher Bindung ausgesetztes Vermächtnis, sein (BayObLG FamRZ 95, 964, 965). Das Versprechen einer letztwilligen Zuwendung als Gegenleistung ist nach § 2302 nichtig, wird die Verfügung vTw nicht zeitgleich errichtet (Staud/Schotten Rz 142).
Rn 13
Meistens wird als Abfindung eine Zuwendung unter Lebenden versprochen und liegt ihr und dem Erbverzicht ein gegenseitiger Vertrag iSd § 320 ff zu Grunde, der durch selbstständige Vollzugsgeschäfte erfüllt wird (BGH NJW 97, 653 [BGH 29.11.1996 - BLw 16/96]; Staud/Schotten Rz 122). Der Erblasser hat die Gegenleistung, also ggf die Abfindung, zu leisten. Ansonsten kann zu seinen Lebzeiten der Verzichtende nach § 323 zurücktreten und daneben (§ 325) bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit (§ 521) Schadensersatz geltend machen. Der Erblasser, der nicht vorleistungspflichtig ist, kann gem § 320 I die Leistung verweigern und, gerichtlich nach § 894 ZPO durchsetzbar, Erfüllung durch Erklärung des Verzichts verlangen (BGH NJW 62, 1910, 1913 [BGH 04.07.1962 - V ZR 14/61]). Durch den formwirksam (§ 2348) geschlossenen Erbverzichtsvertrag wird ein ggf formunwirksames Grundgeschäft geheilt (§ 2348 Rn 1). Stirbt der Erblasser oder Anwärter vor Abschluss des Verzichtsvertrags, wird der andere Vertragspartner von seiner Verpflichtung gem § 275 I frei und verliert seinen Anspruch auf die Gegenleistung gem § 326 I 1. Ist dem Anwärter schon die Abfindung geleistet worden, kann von ihm bzw seinen Erben Rückzahlung nach §§ 326 IV, 346 ff verlangt werden. Im Fall des § 324 besteht ein Recht zum Rücktritt vom Kausalgeschäft. Ein solches Recht kann vertraglich vereinbart, aber nur zu Lebzeiten des Erblassers ausgeübt werden (MüKo/Wegerhoff Rz 23; Staud/Schotten Rz 156; aA BayObLG NJW 58, 344, 345). Bei Rücktritt hat der Erblasser an der Aufhebung eines geschlossenen Verzichtsvertrags (§ 2351) mitzuwirken. Nach dem Tod des Erblassers oder des Verzichtenden ist ein Aufhebungsvertrag ausgeschlossen (BGH NJW 98, 3117 [BGH 24.06.1998 - IV ZR 159/97]), so dass Wertersatz nach § 346 II 1 Nr 1 geschuldet wird (Staud/Schotten Rz 159 f; s.a. Kobl FamRZ 93, 1498, 1499).
Rn 14
Ist das Kausalgeschäft nichtig und erfasst die Nichtigkeit aufgrund Fehleridentität auch das Verfügungsgeschäft, ist auch der Verzicht nichtig. Ist nur das Kausalverhältnis nichtig, sind die gegenseitig erbrachten Leistungen (zB die Abfindung) nach §§ 812 I 1, 818 ff zurückzugewähren (Grünewald/Weidlich Rz 11). Der Erblasser hat an der Aufhebung eines vereinbarten Erb- oder Pflichtteilsverzichts (§ 2351) mitzuwirken. Nach Tod eines Vertragspartners kann der Verzicht nicht mehr aufgehoben werden, so dass für die erlangte vorteilhafte Rechtsstellung Wertersatz gem § 818 II zu leisten ist (MüKo/Wegerhoff Rz 24; Staud/Schotten Rz 183 f; aA Soergel/Damrau Rz 4). Eine Anfechtung des Kausalgeschäfts ist nach den allg Vorschriften (§§ 119, 123) möglich; zB gem § 119 II, wenn ein Irrtum über wesentliche wertbildende Faktoren des gegenwärtigen Erblasservermögens vorlag und er Berechnungsgrundlage war (Staud/Schotten Rz 177f). Ist eine Aufhebung des Verzichts dann nicht mehr möglich (Rn 15), kommt ein schuldrechtlicher Ersatzanspruch in Betracht (Kobl FamRZ 93, 1498, 1499). In krassen Fällen (Staud/Schotten Rz 191) ist noch nach dem Erbfall Anpassung (nicht: Rücktritt) des schuldr...