Gesetzestext
Der Erblasser kann den Vertrag nur persönlich schließen; ist er in der Geschäftsfähigkeit beschränkt, so bedarf er nicht der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters. 2Ist der Erblasser geschäftsunfähig, so kann der Vertrag durch den gesetzlichen Vertreter geschlossen werden.
A. Zweck.
Rn 1
Die Norm regelt die Möglichkeit der Stellvertretung beim (teilweisen) Erbverzicht sowie inwieweit die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters erforderlich ist. Sie gilt für alle Arten von Erbverzichtsverträgen, aber nicht darüber hinaus für nur schuldrechtliche Verträge (Staud/Schotten Rz 3 f; s.a. § 2348 Rn 1). § 2347 gilt nicht für schuldrechtliche Verträge, daher auch nicht analog für Verträge, die eine Verpflichtung zum Abschluss eines Erb- oder Zuwendungsverzichts beinhalten (BGH NJW 62, 1910 [BGH 04.07.1962 - V ZR 14/61]) oder einer Vereinbarung zwischen einem Erblasser und seinem minderjährigen Abkömmling, die sich nur wirtschaftlich nachteilig auf dessen späteren Pflichtteilsanspruch auswirken kann (BGH NJW 57, 1187).
B. Rechtslage beim Verzichtenden.
Rn 2
Bis 1.1.23 regelte Abs 1 aF die Genehmigungsbedürftigkeit beim Verzichtenden. Dieser kann nach allg Regeln vertreten werden. Er muss den Verzichtsvertrag nicht persönlich schließen. Die Vollmacht bedarf nicht der Form des § 2348, vgl § 167 II. Ist er geschäftsunfähig (§ 104), muss der gesetzliche Vertreter (zB Eltern, Vormund, Betreuer) bei Vertretungsausschlüssen (zB § 1629 u § 1824) Ergänzungspfleger bzw Ergänzungsbetreuer, handeln. Ist er beschränkt geschäftsfähig (§ 106), kann er selbst mit Einwilligung des gesetzlichen Vertreters oder dieser als Vertreter den Verzichtsvertrag schließen. Bei fehlender Einwilligung kann seine Verzichtserklärung nur bis zum Tod des Erblassers bzw bis zum Tod des Verzichtenden genehmigt werden (Staud/Schotten Rz 11); s.a. § 108 III. Handlungen eines Vertreters ohne Vertretungsmacht kann er genehmigen, wobei seine Genehmigungserklärung dem Erblasser noch zu Lebzeiten zugehen (§ 130 I 1) muss (BGH NJW 78, 1159; aA zum Pflichtteilsverzicht BeckOKBGB/Litzenburger Rz 3); § 130 II Alt 1 gilt nicht (Staud/Schotten Rz 14; aA BeckOGK/Everts Rz 5). Beim geschäftsfähigen Betreuten unter Einwilligungsvorbehalt ist ebenfalls die Zustimmung des Betreuers erforderlich (§§ 1825 Abs 1 S 1, 108). Verzichtsverträge iSd §§ 2346, 2352 bedürfen nach § 1851 Nr 9 der Genehmigung des Betreuungsgerichts, wenn ein bestellter Betreuer den Verzicht erklärt hat bzw des FamG, wenn für den Verzichtenden Vormundschaft oder Ergänzungspflegschaft angeordnet (§ 1809) ist oder er unter elterlicher Sorge steht. Funktionell zuständig ist der Rechtspfleger (§ 3 Nr 2a bzw b RPflG). Die Genehmigung muss im Zeitpunkt des Erbfalls wirksam sein (BGH NJW 78, 1159 [BGH 07.12.1977 - IV ZR 20/76]).
C. Rechtslage beim Erblasser.
Rn 3
Der jetzige Abs 1 entspricht Abs 2 S 1 und 2 Hs 1 aF. Der Erblasser muss grds (s.a. S 2) persönlich handeln. Vertretung im Willen oder in der Erklärung ist ausgeschlossen (BGH NJW 96, 1062; BayObLG FamRZ 01, 941; Ddorf FamRZ 11, 1761: zum mit einer vorweggenommenen Erbfolge verbundenen Verzicht); auch beim Erbverzicht iRe gerichtlichen Vergleichs (RGZ 48, 183, 190 f; BGH FamRZ 60, 28, 30). Im Anwaltsprozess müssen die Erklärungen des Erblassers und des Anwalts vorliegen (BayObLG NJW 65, 1276 [BGH 05.05.1965 - VIII ZR 95/65]). Der beschränkt geschäftsfähige Erblasser (§ 106) bedarf nicht der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters (S 1 Hs 2) oder des Gerichts, da er durch den Verzicht nur einen Vorteil erlangt. Ist etwa bei Betreuung die Geschäftsunfähigkeit des Erblassers zweifelhaft, sollte der Verzicht von ihm und seinem Betreuer abgeschlossen werden (zur Beweiswürdigung Hamm NJW-RR 21, 1310 [OLG Hamm 13.07.2021 - 10 U 5/20]). Für den Geschäftsunfähigen (§ 104) handelt sein gesetzlicher Vertreter (S 2). Für die erforderliche gerichtliche Genehmigung gilt § 1851 Nr 9. Der Genehmigungsfähigkeit kann eine für den Erblasser nachteilige Vereinbarung aus dem Kausalgeschäft entgegenstehen, zB eine unangemessen hohe Abfindungsverpflichtung (BeckOGK/Everts Rz 32).
D. Wirkung.
Rn 4
Ist der Erbverzichtsvertrag nicht persönlich abgeschlossen worden, ist er nichtig (§ 125 1); Heilung kommt nicht in Betracht. Der Notar hat das zu beachten (§ 19 BNotO; vgl BGH NJW 96, 1062 [BGH 14.12.1995 - IX ZR 242/94]; zur Haftung Hamm 12.7.23 – I-11 U 148/22 Rz 59f).