Gesetzestext
A. Aufhebungsvertrag.
Rn 1
Durch einen in der Form des § 2348 geschlossenen Vertrag kann jederzeit ein zwischen den Parteien vereinbarter Erbverzicht ganz oder teilw aufgehoben werden (BGH NJW 80, 2307, 2308 [BGH 12.06.1980 - IVa ZR 5/80]).
Der Aufhebungsvertrag ist wie der Erbverzicht ein abstraktes erbrechtliches Verfügungsgeschäft unter Lebenden (Staud/Schotten § 2346 Rz 93). Er ist auf alle Arten von Erbverzichtsverträgen einschl des Zuwendungsverzichts (LG Kempten MittBayNot 78, 63; MüKo/Wegerhoff Rz 1; aA Kipp/Coing § 82 V 2) anwendbar. Er bedarf aufgrund des Verweises auf § 2348 der notariellen Beurkundung (Köln ZEV 21, 635 [OLG Köln 21.01.2021 - 24 U 48/20] Rz 13). Auch ein ihm zugrunde liegendes Kausalgeschäft bedarf der notariellen Beurkundung analog § 2348 (Staud/Schotten Rz 24). Solange das Kausalgeschäft zum Erbverzicht (§ 2346 Rn 12 ff) nicht erfüllt wurde, kann es formlos aufgehoben werden, danach bedarf seine Aufhebung notarieller Beurkundung.
B. Parteivereinbarung.
Rn 2
Die Aufhebung muss durch die Parteien des Erbverzichts vereinbart werden. Der Erbverzicht kann deshalb nur zu Lebzeiten des Erblassers (§ 2347; BGH NJW 99, 798f) und des Verzichtenden (str, BGH NJW 98, 3117 [BGH 24.06.1998 - IV ZR 159/97]; aA MüKo/Wegerhoff Rz 3) aufgehoben werden. Auch eine auf § 242 oder § 313 gestützte Rückabwicklung scheidet nach dem Erbfall aus, da das Erbrecht auf einer festen Grundlage stehen muss. Grds gilt das gleiche für den (isolierten) Pflichtteilsverzicht (Staud/Schotten § 2346 Rz 96). Hier ist aber eine Rückabwicklung bzw Anpassung ausnahmsweise möglich, da es insoweit nur um einen schuldrechtlichen Pflichtteilsanspruch geht, der die Erbfolge und die Pflichtteilsrechte anderer Pflichtteilsberechtigter nicht berührt (§ 2310 Rn 3; Nürnbg FamRZ 03, 634, 636 m krit Anm Grziwotz aaO 637 und Anm Wendt ZNotP 06, 2, 6 ff; aA Hamm ZEV 00, 57; Staud/Schotten § 2346 Rz 191; zum Kausalgeschäft s § 2346 Rn 14).
Rn 3
Eine Mitwirkung der Abkömmlinge, auf die sich der Verzicht gem § 2349 erstreckt, ist ebenso wenig erforderlich wie die Zustimmung des durch den Erbverzicht Begünstigten (s aber Karlsr ZEV 00, 108). Der beschränkt geschäftsfähige Erblasser (§ 106) hat mit Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters persönlich zu handeln (Staud/Schotten Rz 9). Nur der für einen geschäftsunfähigen Erblasser (§ 104) handelnde gesetzliche Vertreter bedarf gerichtlicher Genehmigung (§ 2347 S 2). Bei Betreuung ist ratsam, dass Betreuer und Erblasser den Vertrag schließen (vgl BayObLG ZEV 01, 190, 191). Ab 1.1.23 ist die Genehmigungsbedürftigkeit in § 1851 Nr 9 geregelt. Der Verzichtende kann sich vertreten lassen. Er erlangt durch die Aufhebung nur einen rechtlichen Vorteil, so dass bei Minderjährigkeit § 107 gilt. Für den geschäftsunfähigen Verzichtenden handelt sein gesetzlicher Vertreter. Nicht möglich ist ein einseitiger Widerruf des Erbverzichts. Eine derartige Erklärung des Erblassers kann ggf eine letztwillige Verfügung sein, durch die dem Verzichtenden das zugewendet werden soll, auf das er verzichtet hat (BGHZ 30, 261, 267). Das gesetzliche Erbrecht oder Pflichtteilsrecht wird dadurch aber nicht wieder hergestellt.
C. Wirkung.
Rn 4
Der Vertrag hebt den Erb- oder Zuwendungsverzicht auf, so dass dieser keinerlei Wirkung entfaltet (BGH NJW 80, 2307 [BGH 12.06.1980 - IVa ZR 5/80]). Der Verzichtende erlangt die Rechtsstellung, die er vor seinem Verzicht innehatte. Hat er auf sein gesetzliches Erbrecht verzichtet, tritt mangels abweichender Verfügung vTw mit Aufhebung wieder gesetzliche Erbfolge ein. Er wird wieder pflichtteilsberechtigt (aber: §§ 2333 ff). Ist in einem Kausalgeschäft eine Abfindung für den Verzicht vereinbart worden (§ 2346 Rn 12 ff), wird es idR zusammen mit dem Verfügungsgeschäft aufgehoben (MüKo/Wegerhoff Rz 7; aA Soergel/Damrau Rz 6). Die Abfindung kann dann gem § 812 I 2 Alt 1 zurückgefordert werden. Ist sie bedingt (§ 2346 Rz 14), gilt § 812 I 2 Alt 2.