Rn 5
Es wird nicht die letztwillige Verfügung, die die Zuwendung enthält, durch den Verzicht aufgehoben. Er bewirkt nur, dass die Zuwendung an den Verzichtenden so nicht anfällt, als ob dieser beim Erbfall nicht gelebt hätte; sie wird gegenstandslos. § 2346 I 2 gilt analog (Staud/Schotten Rz 28). An die Stelle des Verzichtenden treten unmittelbar die berufenen Ersatzerben, soweit sie nicht von der Ersatzerbfolge ausgeschlossen sind (Satz 3 iVm § 2349). Verzichtet der Vorerbe, tritt der Nacherbe an seine Stelle tritt; entspr gilt beim Vorvermächtnis, und zwar auch, wenn der Nachrückende Abkömmling des Vorerben bzw des Vorvermächtnisnehmers ist. Der Verweis in S 3 auf § 2349 lässt nur die Ersatzberufungen entfallen, nicht ein eigenes Nacherbrecht bzw ein eigenes Nachvermächtnisrecht (hM; Staud/Schotten Rz 29, 39 mit der Auslegung, der Verzicht erfasse nicht auch die in der Nacherbenstellung hilfsweise enthaltene Ersatzerbenstellung [§ 2102 I; zum Nachvermächtnisnehmer §§ 2191 II, 2102 I]; aA Klinck ZEV 09, 533, 535). Andere Verfügungen vTw werden durch den Verzicht nicht berührt (BayObLG FamRZ 01, 319, 320). Beim Erbvertrag bleiben andere vertragliche und beim gemeinschaftlichen Testament andere korrespondierende Verfügungen bestehen. Der Zuwendungsverzicht bietet sich also an, wenn eine letztwillige Zuwendung beseitigt, aber weitergehende Konsequenzen vermieden werden sollen (MüKo/Wegerhoff Rz 12). § 2352 verweist nunmehr, anders als die für bis zum 31.12.09 eingetretene Erbfälle geltende aF (Hamm ZEV 09, 566, 567 [OLG Hamm 16.06.2009 - 15 Wx 312/08]), auch auf § 2349. Nach § 2352 aF konnte beim Berliner Testament, bei dem nach dem Tod des Zuerstverstorbenen eine Aufhebung nicht mehr möglich (§ 2290 Rn 3) und die wechselbezügliche Schlusserbeneinsetzung bindend war (§§ 2271 II 1, 2289), der Überlebende trotz Verzichts seiner Kinder nicht frei verfügen, da sich nach § 2352 aF deren Zuwendungsverzicht nicht auf deren Abkömmlinge erstreckte (vgl Frankf ZEV 97, 454). Ggf konnte durch deren Verzicht sogar der Ersatzerbfall (§ 2096) eintreten. Nunmehr findet (mangels möglicher abweichender Vereinbarung) nach S 3 die in § 2349 angeordnete Erstreckungswirkung des Verzichts eines Abkömmlings oder Seitenverwandten des Erblassers auf das Erbrecht aller seiner ersatzweise (ausdrücklich oder nach § 2069) berufenen Abkömmlinge auf den Zuwendungsverzicht Anwendung, obgleich es sich dabei um den Verzicht auf eine gewillkürte Zuwendung (idR eines vorverstorbenen Ehegatten, Rn 1) handelt, auf die § 2349 nicht zugeschnitten ist (§ 2349 Rn 1; krit daher Kanzleiter DNotZ 09, 805, 812; Klinck ZEV 09, 533, 535f). Im Zweifel ist unabhängig von einer vollwertigen Abfindung an den Verzichtenden sein gesamter Stamm ausgeschlossen (vgl BGH NJW 74, 43; Celle FamRZ 11, 1535, 1536). Ist ein Ersatzvorerbe bestimmt, beseitigt der Verzicht des Vorerben aber nicht die Nacherbenstellung seiner Abkömmlinge; auch greift § 2102 I idR nicht (§ 2102 Rn 3 f). Der Neufassung unterfallen alle Erbfälle seit dem 1.1.10 (Übergangsregel: Art 229 § 23 IV), so dass zuvor beurkundete Erbverzichte insoweit eine ganz andere Wirkung erlangen könnten. Sollen die Abkömmlinge des Verzichtenden abw von § 2349 an dessen Stelle treten, muss dieses bestimmt (und ggf durch Auslegung ermittelt) werden; eine solche Auslegung kann in Altfällen besonders nahe liegen (MüKo/Wegerhoff Rz 13). Das verzichtende Kind kann die Wirkung des § 2349 auch auf einzelne seiner Abkömmlinge beschränken. Keine Erstreckungswirkung tritt bei einer Anwachsung nach § 2094 an andere bindend eingesetzte Erben ein.
Rn 6
Ggf kann eine gem § 311b IV unwirksame Übertragung nach § 140 in einen Zuwendungsverzicht (Form: § 2348) umzudeuten sein. Das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht bleibt durch den Zuwendungsverzicht unberührt, außer der Bedachte hat auch hierauf verzichtet (Frankf OLGR 03, 192). Der Wille der Parteien ist ggf durch Auslegung zu ermitteln. Haben sich Eltern durch Erbvertrag gegenseitig zu Alleinerben und ihre Kinder zu Schlusserben eingesetzt, liegt nahe, dass sich ein Erbverzichtsvertrag, den sie später mit einem Kind auf Grund einer Abfindung geschlossen haben, auf die Einsetzung als Schlusserbe erstreckt (Frankf FamRZ 94, 197; s.a. § 2348 Rn 2). Eine Formulierung, für jetzt und alle Zukunft auf Erb- und Pflichtteilsansprüche gegen den Nachlass des Erblassers zu verzichten, ist dahin auszulegen, dass die künftige Erbenstellung vollständig entfällt und sowohl auf das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht als auch auf eine letztwillige Zuwendung verzichtet wird (BGH DNotZ 72, 500; s.a. Karlsr FamRZ 02, 1519). Bleibt das Erb- und Pflichtteilsrecht unberührt, wirkt sich der Zuwendungsverzicht nicht auf die Höhe gesetzlicher Erb- und Pflichtteilsrechte Dritter aus. Ein Ehegatte verliert nicht seinen Anspruch auf güterrechtlichen Zugewinnausgleichs (§ 1371 III).