Rn 2
Unrichtig ist ein Erbschein, wenn seine Erteilungsvoraussetzungen schon ursprünglich nicht vorlagen oder nachträglich weggefallen sind (BGHZ 40, 54, 56; BayObLG FamRZ 05, 1782). Er ist einzuziehen, wenn er nunmehr aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht mehr erteilt werden dürfte (Staud/Herzog Rz 16). Bloße Zweifel genügen nicht. Diese begründen eine Ermittlungspflicht des Gerichts; es darf nach den gebotenen Ermittlungen (§ 2358 aF) nicht von der Richtigkeit überzeugt (§ 2359 aF) sein (BGH aaO; BayObLGZ 66, 223, 236; 97, 59, 63; Köln FamRZ 03, 1784). Die Richtigkeitsvermutung des § 2365 gilt insoweit nicht.
Rn 3
Formelle Unrichtigkeit des Erbscheins liegt vor, wenn der Erbschein unter Verletzung verfahrensrechtlicher Vorschriften erteilt worden ist, die Bedingungen für die Zulässigkeit des Verfahrens sind. Einziehung erfolgt, selbst wenn der Erbschein inhaltlich richtig ist (BGH NJW 63, 1972), wenn gegen wesentliche Verfahrensvorschriften verstoßen worden ist (BayObLG FamRZ 97, 126), zB wenn der Erbschein ohne Antrag eines Antragsberechtigten bzw abw vom Antrag (BayObLG ZEV 01, 489, 491) ohne Genehmigung (§ 2353 Rn 12), vom Beschwerdegericht (KG Rpfleger 66, 208), vom international (Zweibr FamRZ 02, 1146) oder örtlich (Hamm ZEV 17, 675; Frankf ZEV 13, 563, 564) unzuständigen Gericht, vom gem § 16 I Nr 6 RPflG funktionell unzuständigen Rechtspfleger ohne Übertragbarkeit nach § 16 II 1 RPflG (BayObLG FamRZ 97, 1370) oder ohne Rechtsschutzbedürfnis (BayObLG Rpfleger 99, 76) erteilt worden ist. Die Erteilung durch den funktionell unzuständigen Richter berührt nie die Wirksamkeit des Erbscheins (§ 8 I RPflG). Auch ist der Erbschein nicht einzuziehen, den der Rechtspfleger aufgrund gesetzlicher Erbfolge nach deutschem Recht erteilte, so dass eine Übertragungsmöglichkeit nach § 16 II RPflG bestand. Denn dann ist der Erbschein nicht unrichtig (§ 8 II RPflG; vgl BayObLG FamRZ 97, 1370). Der durch den Rechtspfleger erteilte Erbschein wird aber als unrichtig eingezogen, wenn er ihn aufgrund gesetzlicher Erbfolge erteilte, sich die Erbfolge aber aus einem später aufgefundenen Testament ergibt, selbst wenn diese mit der gesetzlichen Erbfolge übereinstimmt (KG FamRZ 04, 1903). Einzuziehen ist auch der von einem Justizbeamten ohne Rechtspflegereigenschaft erteilte Erbschein (Frankf NJW 68, 1289). Verfahrensfehler, die nur die Durchführung des Verfahrens betreffen, zB Nichtgewähr des nachholbaren rechtlichen Gehörs (BayObLG Rpfleger 84, 141; § 2353 Rn 19 f) oder eine falsche eidesstattliche Versicherung (Hamm OLGZ 67, 74, 77), führen allein nicht zur Einziehung (MüKo/Grziwotz Rz 18).
Rn 4
Materiell ist der Erbschein unrichtig, wenn er die Erbfolge falsch und nicht so wiedergibt, wie sie wiederzugeben wäre (MüKo/Grziwotz Rz 3). Mögliche Fehler können bestehen zB in inhaltlicher Widersprüchlichkeit (KG RJA 17, 56), bzgl des Erbfalls, der Person des Erben, zB wegen nachträglich auftauchenden Testaments oder anderer Auslegung einer Verfügung vTw (Ddorf 25.11.20 – I-3 Wx 198/20; BayObLG FamRZ 89, 99, 100), der Erbteilsgröße (BayObLGZ 91, 1, 4), wegen Übersehens von Erbberechtigten oder der Annahme eines falschen Güterstandes, bzgl des Erbstatuts, einer Nachlassspaltung (BGH ZEV 95, 448, 451), fehlender oder falsch aufgeführter Beschränkungen (§§ 2363, 2364; BayObLG FamRZ 93, 459; 1370) wie ein Nacherbenvermerk (BayObLG FamRZ 01, 873; BeckOGK/Deppenkemper § 2139 Rz 54), Befreiungen (§ 2136). Der Erbschein kann (ggf nachträglich) unrichtig werden, zB ex tunc durch Anfechtung (BayObLG FamRZ 90, 1037) einer Verfügung vTw, Erbschaftsannahme oder -ausschlagung bzw deren Anfechtung (Karlsr 23.8.23 – 14 W 144/21 (Wx) Rz 22 = NJW-RR 23, 1239 [KG Berlin 01.08.2023 - 16 UF 49/23]), Feststellung der Erbunwürdigkeit, durch Eintritt der Nacherbfolge (§ 2363 Rn 8) oder Wechsel in der Person des Nacherben (aA Zimmermann Rz 480: nur auf Antrag), durch Entfall der Testamentsvollstreckung (Nürnbg FamRZ 10, 1203). Der Erbschein wird nicht unrichtig, insoweit sein Inhalt (§ 2353 Rn 2) nicht berührt wird, zB bei Erbteilsveräußerung (§ 2033), Nachlassinsolvenz, gleicher Erbfolge aufgrund anderem Berufungsgrundes (Hamm OLGZ 67, 74), Änderung in der Person des Testamentsvollstreckers (Staud/Herzog Rz 27).