Rn 10
Das zentrale Kriterium bei der Unterscheidung verschiedenartiger Pflichten ist richtigerweise die Frage danach, ob die betreffende Pflicht das Erreichen eines Erfolgs einschließt oder ob der Schuldner lediglich ein Verhalten schuldet; letzteres mag zwar auch auf einen bestimmten Erfolg gerichtet sein, dieser ist aber nicht geschuldet. Diese Unterscheidung, welche auf den Franzosen René Demogue (Traité des obligations Bd 5 Nr 1237: obligations de résultat und obligations de moyens) zurückgeht, findet sich als Grundmuster im gesamten Europäischen Vertragsrecht (Art 5.1.4 und 5.1.5 PICC; Komm D und Anm 2 zu Art 6: 102 PECL; vgl Schmidt-Kessel Standards vertraglicher Haftung nach englischem Recht 2003 202). Im deutschen Recht findet sich die Differenzierung va als Grenze zwischen Werk- und Dienstvertrag (s § 611 Rn 5; Vor §§ 631–650 Rn 1, 7). Außerdem war nach altem Schuldrecht die Beweislastverteilung bei der positiven Vertragsverletzung richtigerweise davon abhängig, ob die verletzte Pflicht erfolgsbezogen oder verhaltensbezogen war (grundl Stoll FS v Hippel, 517 ff u ders AcP 176 [1976], 145, 149 ff; ihm folgend Staud/Löwisch [2001] § 282 Rz 20 mwN). Dies gilt auch für das neue Recht (Stoll 2. FS Lorenz, 287, 296 f; sowie § 280 Rn 24–26). Die Differenzierung zwischen Erfolgs- und Verhaltenspflichten wohnt dem deutschen Recht aber ganz generell inne (grundlegend Lobinger Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten 2004 194 ff).
Rn 11
Konsequenzen hat diese Differenzierung zunächst für die ordentliche Vertragsdurchführung: So wird für das nach § 362 für die Erfüllung erforderliche ›Bewirken‹ der Leistung regelmäßig verlangt, dass neben der bloßen Leistungshandlung auch der Leistungserfolg herbeigeführt werden müsse (etwa NK/Avenarius § 362 Rz 2; Grüneberg/Grüneberg § 362 Rz 2; Staud/Olzen [2016] § 362 Rz 9). Das ist jedoch nur für Erfolgspflichten zutr, während die Richtigkeit dieser Auffassung für Verhaltenspflichten voraussetzen würde, dass sich der Leistungserfolg auf die Leistungshandlung beschränken kann, beide also zusammenfallen (so etwa Jauernig/Mansel § 241 Rz 7).
Rn 12
Unterschiede ergeben sich zudem bei den Rechtsbehelfen, welche dem Gläubiger bei Pflichtverletzungen zustehen: So beschränkt sich der Erfüllungsanspruch bei Verhaltenspflichten auf das geschuldete Verhalten selbst; das hat zur Folge, dass er nach § 275 nicht ohne weiteres dadurch ausgeschlossen wird, dass das mit dem Verhalten verfolgte Ziel, dessen Erreichung nicht geschuldet ist, nicht mehr erreicht werden kann. Bei Rücktritt und Kündigung bezieht sich die Nachfristsetzung gem §§ 314 II, 323 I bei Verhaltenspflichten lediglich auf die Vornahme der gebotenen Handlungen, womit sie selbst, wie auch die Fälle der Entbehrlichkeit der Fristsetzung, ein anderes Gewicht erhalten als bei Erfolgspflichten; dasselbe gilt auch für den Fristsetzungsmechanismus nach § 281 I 1. Konsequenzen zeitigt die Differenzierung auch bei der Schadensersatzhaftung nach § 280 I: Abgesehen von der bereits angesprochenen Frage der Beweislast für das Vertretenmüssen (s.o. Rn 10), eröffnet sie die grds Frage nach der Grenze zwischen der Pflichtverletzung nach § 280 I 1 und dem Sorgfaltsverstoß nach §§ 280 I 2, 276 (Schlechtriem/Schmidt-Kessel Schuldrecht AT Rz 566). Bei Verhaltenspflichten gibt es kein sachliches Kriterium, diese von der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt kategorial abzugrenzen. Bei Erfolgspflichten könnte man einen Unterschied immerhin noch darin erblicken, dass zur Entlastung ein den Erfolg vereitelndes Hindernis erforderlich ist.
Rn 13
Die Einordnung der einzelnen Pflicht in die eine oder andere Kategorie erfolgt nach den allg Regeln der Vertragsauslegung und Vertragsergänzung (dazu allg § 133 Rn 2 ff, § 157 Rn 1 ff, § 242 Rn 25 f). Als wesentliche Kriterien kommen dabei neben der expliziten Parteivereinbarung das mit einer Erfolgsverwirklichung verbundene Risiko und dessen Steuerbarkeit durch den Schuldner in Betracht. Außerdem lässt sich darauf abstellen, ob die vereinbarte Gegenleistung oder sonstige Vertragsbestimmungen eine entspr Risikoprämie enthalten. Ungewöhnliche Erwartungen des Gläubigers sind hingegen nur dann berücksichtigungsfähig, wenn dieser sie hinreichend kundgetan hat.