Rn 20
Leitlinie der Konkretisierung von § 242 ist schließlich das geltende Recht iÜ. Auch jenseits der Voraussetzungen einer Analogie lassen sich auf diese Weise Wertungen gesetzlicher Vorschriften im Wege der Rechtsfortbildung auf von diesen nicht erfasste Fälle übertragen. Umgekehrt dienen – was va der Verweis auf das gesetzliche Leitbild in § 307 II zeigt (s § 307 Rn 8) – die gesetzlichen Vorgaben nicht nur der Ergänzung, sondern auch als Maßstab für Beschränkungen von Rechtspositionen unter Rückgriff auf § 242. Besondere Zurückhaltung ist geboten, wo eindeutige Entscheidungen des Gesetzgebers und die zugrunde liegenden Wertungen geändert werden sollen (Schlechtriem/Schmidt-Kessel Schuldrecht AT Rz 156). Die unter Treu und Glauben entwickelten neuen Regeln greifen dementspr weitgehend auf die gesetzliche Risikoverteilung zurück; wichtigstes Bsp ist § 313 (s § 313 Rn 15–17). IdS schließt etwa der Gleichrang von Rücktritt und Erfüllungszwang, wie er spätestens nach Ablauf der Frist nach § 323 I besteht, ein Erlöschen des Rücktrittsrechts durch schlichtes Erfüllungsverlangen aus (BGH NJW 06, 1198, 1199 [BGH 20.01.2006 - V ZR 124/05]). Ferner stehen die Vorschriften über den Zugewinnausgleich der Entwicklung zusätzlicher Regeln für unbenannte Zuwendungen unter § 242 grds entgegen (BGHZ 115, 132, 138; Frankfurt FuR 06, 132). Die Formalien der Einberufung einer Gesellschafterversammlung einer GmbH können im Blick auf die sonst eintretende Nichtigkeit des in der Versammlung gefassten Beschlusses über eine Geschäftsführerbestellung nicht unter Berufung auf § 242 überwunden werden, weil die Formalien auch dem Verkehrsschutz dienen (Saarbr OLGR 06, 732). Besondere praktische Bedeutung hat die Orientierung an gesetzlichen Wertungen für den arbeitsrechtlichen Kündigungsschutz, dessen Umgehung mittels des Grundsatzes von Treu und Glauben entgegengewirkt werden kann (LAG Hamburg LAGE § 5 KSchG Nr 111 Rz 51; LAG Niedersachsen 29.5.06, 5 Sa 511/05 E, nv; entspr für § 14 II 2 TzBfG BAG NZA 11, 1147 [BAG 09.03.2011 - 7 AZR 657/09] Rz 21); wichtiger noch ist die in partieller Parallele zum KSchG erfolgte Entwicklung des ›Kündigungsschutz light‹ für Kleinbetriebe (grdl: BVerfGE 97, 169, 178 f [BVerfG 27.01.1998 - 1 BvL 15/87] [auch zum ›Respekt‹ vor der gesetzgeberischen Wertung]; BAG NZA 01, 833 [BAG 21.02.2001 - 2 AZR 15/00]) sowie für Kündigungen vor Ablauf der Wartezeit gem § 1 I KSchG (BAG AP Nr 18 zu § 1 KSchG 1969 Wartezeit). Bedenklich ist es freilich, wenn auch ministerielle Erlasse zur Konkretisierung von § 242 herangezogen werden, zumal wenn es um Arbeitsverhältnisse mit dem betreffenden Land geht (s aber LAG Niedersachsen 29.5.06, 5 Sa 511/05 E, nv [in BAG AP Nr 133 zu § 2 KSchG unbeanstandet]); die Erlasskonformität lässt sich hier allenfalls gegen den Vorwurf der Willkür oder sonst ungerechtfertigten Ungleichbehandlung ins Feld führen.