Rn 8
Die Geldschuld ist das auf Geld als Leistungsobjekt gerichtete Schuldverhältnis. Sie ist gerichtet auf Verschaffung der durch das Geld abstrakten Vermögensmacht; sie ist damit Wertverschaffungsschuld. Im Gegensatz dazu ist die auf eine einzelne Münze oder auf eine bestimmte Münzsorte gerichtete Schuld eine Sachschuld und letztere damit eine Gattungsschuld. Solche Geldsortenschulden kommen heute – außer zu Sammlerzwecken – kaum noch vor. Denkbar ist aber immerhin die Annahme einer Geldsortenschuld bei in DM ausgewiesenen Ansprüchen, wenn deren Erfüllung – etwa aus technischen Gründen bei einem Automaten – auch nur mit den alten DM-Geldzeichen möglich ist; diese waren nach Art 6 I Euro II VO zuletzt Sorten des Euro. Für Geldsortenschulden bestimmt § 245, dass im Zweifel eine unechte Geldsortenschuld vorliegt, also eine Geldschuld, deren Erfüllung soweit möglich in einer bestimmten Münzsorte zu erfolgen hat (s Grüneberg/Grüneberg § 245 Rz 13); für die geschilderte Konstellation der aus technischen Gründen nur in DM erfüllbaren Altverbindlichkeiten wird § 245 hingegen nicht ausreichen, so dass allenfalls eine Vertragsanpassung nach § 313 in Betracht kommt. Außer Geldsortenschulden können auch auf Herausgabe von Geld gerichtete Ansprüche Sachschulden sein (NK/Bergdolt §§ 244, 245 Rz 12). Jedenfalls gelten für diese vielfach nicht die allg Regeln der Geldschuld (BGHZ 165, 299, 301 [zum Haftungsstandard bei § 667]; s § 276 Rn 32).
Rn 9
Im Regelfall ist die Geldschuld eine Geldsummenschuld (auch Betragsschuld; zum Gegenstück, der Geldwertschuld s.u. Rn 11). Die geschuldete Leistung wird ausschl ziffernmäßig in Bezug auf bestimmte Währungseinheiten festgelegt. Geldsummenschulden sind etwa Ansprüche auf den Preis oder die Vergütung einer Leistung (Bsp §§ 433 II, 611 I, 631 I) oder vertragliche oder gesetzliche Ansprüche auf Rückzahlung (BGHZ 101, 296, 306f) oder Herausgabe (Bsp § 667). Die Leistungspflicht des Schuldners richtet sich nur nach dem Nennbetrag der Schuld, nicht etwa nach dem inneren Wert des Geldbetrags. Dieser Grundsatz des schuldrechtlichen Nominalismus gilt als ungeschriebener Grundsatz des Privatrechts der Europäischen Gemeinschaft (vgl Proctor Mann on the Legal Aspect of Money 227 ff sowie für das frühere deutsche Recht BVerfGE 50, 57; BGHZ 61, 31, 38; 79, 187, 194).
Rn 10
Die Annahme einer Geldsummenschuld hat zur Folge, dass die Vorschriften über Sachschulden zwar grds anwendbar sind (richtig Kähler AcP 206 [2006] 805 ff), jedoch gelten – va in Konkretisierung der Standards des allgemeinen Schuldrechts – zahlreiche Besonderheiten. Insbes wird der Schuldner vom Anspruch auf Leistung von Geld nicht dadurch nach § 275 befreit, dass ihm diese unmöglich ist (§ 275 Rn 6; anders uU bei Valutaschulden, s Rn 13). Außerdem hat er für seine finanzielle Leistungsfähigkeit unabhängig von der geübten Sorgfalt einzustehen (§ 276 Rn 32–34). Allerdings trägt – entspr der Grundidee des Nominalismus – der Gläubiger das Risiko der Geldentwertung. Gegen dieses kann er sich nur in gewissen Grenzen vertraglich durch eine Wertsicherungsklausel schützen (s Rn 18 ff). In extremen Fällen kommt auch eine Vertragsanpassung nach § 313 in Betracht (§ 313 Rn 31).
Rn 11
Bei Geldwertschulden fehlt es an der Festlegung eines bestimmten Nennbetrags; die Höhe des zu leistenden Betrags richtet sich nach dem Zweck der Schuld (BGHZ 123, 65, 75). Geldwertschulden sind etwa Ansprüche auf Schadens-, Aufwendungs- oder Wertersatz (NK/Bergdolt §§ 244, 245 Rz 19; BGH BeckRS 21, 34795 Rz 29), Ansprüche auf Zugewinnausgleich und Pflichtteil (BGHZ 61, 385, 391; 65, 75, 77) sowie nach hA Unterhaltsansprüche, deren Höhe sich freilich weniger nach dem Wert als vielmehr nach der Bedürftigkeit des Unterhaltsgläubigers und der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners richtet. Geldwertschulden sind bis zur vertraglichen oder gerichtlichen Fixierung der Schuldhöhe wertbeständig (Valorismus; vgl BGHZ 79, 187, 194); eine spätere Anpassung des fixierten Betrags nach § 323 ZPO oder § 313 liegt vielfach nahe. Das Risiko der Geldentwertung trägt idR der Schuldner, der sich – wie bei der Geldsummenschuld – auch nicht auf § 275 berufen kann und unabhängig von Fahrlässigkeit haftet (s.o. Rn 10). Unter den Senaten des BSG umstritten ist die Anwendbarkeit von § 275 auf die Pflicht der Bank zur Rückerstattung überzahlter Renten nach Auflösung des Rentenkontos wegen Todesfalls gem § 118 III 2 SGB VI (BSG WM 16, 1220 Rz 42 [13. Senat]: ›Wertverschaffungsschuld‹ und damit gegen die Anwendbarkeit von § 275; anders BSG, Beschl v 7.4.16, B 5 R 26/14 R, juris, Rz 40).