I. Inhalt.
Rn 7
Auch die Herstellung ist dem Grundsatz des Totalersatzes (s.o. Rn 5) unterworfen. Sie richtet sich daher nicht, wie oft gesagt wird, auf die Herstellung des Zustandes vor dem Schadensereignis. Vielmehr ist der Zustand herzustellen, der jetzt ohne den zum Ersatz verpflichtenden Umstand bestünde. Dieser hypothetische Zustand braucht real nie bestanden zu haben, was sich etwa beim entgangenen Gewinn zeigt: Hier wird Gewinn ersetzt, der nicht wirklich bezogen worden ist. Insb kann sich die Herstellung auch auf die Aufhebung oder Veränderung eines Vertrages richten, wie es etwa bei § 311 II in Betracht kommt (§ 311 Rn 56; dies kommt auch bei einer arglistigen Herbeiführung eines ungünstigen Vertrages infrage, BGH NJW 20, 1962 [BGH 25.05.2020 - VI ZR 252/19] zu § 826 in Fällen des Erwerbs eines Kfz, welches heimlich mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet wurde, ›Dieselskandal‹). Insb beim durch Täuschung veranlassten Erwerb von Aktien kann der Käufer daher auch nicht etwa nur ersetzt verlangen, was er zu viel gezahlt hat. Vielmehr ist (gegen Rückgabe der Aktien) der volle Kaufpreis zu ersetzen, wenn ohne die Täuschung nicht gekauft worden wäre (BGHZ 160, 149; NJW 05, 2450, 2451).
II. Die Herstellung bei Sachschäden.
1. Reparatur oder Ersatzbeschaffung.
Rn 8
Die nächstliegende Art der Herstellung ist bei einer Beschädigung von Sachen die Reparatur. Diese ist aber in mehrfacher Hinsicht problematisch (s für Kfz auch Rn 28 ff; Witt NJW 10, 3329 ff; Wellner NJW 12, 7 [BGH 22.02.2012 - VIII ZR 34/11]):
Rn 9
Sie kann verhältnismäßig teuer sein, was bei Massenprodukten häufig vorkommt. So werden etwa beschädigte Teile eines Kfz regelmäßig nicht repariert, sondern durch neue ersetzt. An sich gewährt § 251 II dem Schädiger in solchen Fällen eine Befugnis zur Leistung von Geldersatz. Der Anwendungsbereich dieser Befugnis hängt aber davon ab, was man unter Herstellung versteht: Die Rspr wertet auch die Lieferung einer gleichartigen und gleichwertigen Ersatzsache als Herstellung (etwa BGH NJW 07, 1674 [BGH 06.03.2007 - VI ZR 120/06] Tz 6 mN). Das gilt insb bei der erheblichen Beschädigung von Kfz (dazu Rn 28, Rn 30).
2. Weitergehende Entschädigung, insb Merkantiler Minderwert.
Rn 10
Manchmal kann die Reparatur zur vollen Entschädigung nicht genügen, § 251 I Alt 2. Das kommt schon deshalb in Betracht, weil die Reparatur bestimmte Folgeschäden nicht beseitigen kann, etwa den entgangenen Gewinn, den Nutzungsausfall oder den Verlust des restlichen Treibstoffs im Unfallfahrzeug, wenn dieses als Totalschaden ›entsorgt‹ wird (AG Solingen SP 13, 401; dagegen nimmt OLG Düsseldorf VersR 17, 704 eine Schadensminderungspflicht des Geschädigten an, den Treibstoff zu entnehmen). Deswegen sind dann zusätzliche Geldzahlungen zu erbringen (§ 251 Rn 4). Bei umfangreichen Reparaturen wird der Wagen zudem zum Unfallwagen: Solche Reparaturen muss der Geschädigte bei einem Verkauf offen legen, so dass der erzielbare Preis sinkt (Ausnahme Bagatellschäden, BGH NJW 08, 53f [BGH 10.10.2007 - VIII ZR 330/06]). Das ist der sog merkantile Minderwert: Der BGH hat ihn zunächst nur bei einem wirklich erfolgten Wiederverkauf ersetzen wollen (BGHZ 27, 181). Seit BGHZ 35, 396 soll der Geschädigte den merkantilen Minderwert aber auch ohne Verkauf sofort verlangen können. Denn wenn er den reparierten Wagen weiter benutze, begnüge er sich mit einem stärker reparaturanfälligen und daher geringerwertigen Fahrzeug. Auch sei nur so eine rasche Abwicklung des Schadens möglich. Das ist jetzt hM. Dagegen kommt bei Sonderfahrzeugen (wie etwa Straßenbahnwagen oder Kampffahrzeugen der Bundeswehr) ein merkantiler Minderwert nicht in Betracht (MüKo/Oetker Rz 54). Geschätzt wird die Höhe des merkantilen Minderwerts üblicherweise nach der Methode von Ruhkopf und Sahm VersR 62, 593, vgl BGH NJW 80, 280, 281 oder von Halbgewachs. Bei einer Fahrleistung von mehr als 100.000 Kilometern wird idR kein merkantiler Minderwert mehr angenommen, BGH aaO, auch BGHZ 161, 151, 160.
III. Die Herstellung bei Personenschäden.
Rn 11
Bei einer Verletzung von Körper oder Gesundheit besteht die Herstellung in der Heilung. Doch wird die Herstellung durch den Schädiger hier noch weniger in Betracht kommen als bei Sachschäden: Der Verletzte wird sich nicht ausgerechnet dem Verletzer anvertrauen wollen, vgl daher u Rn 24. Neben der Heilbehandlung kommen beim Personenschaden auch der Ersatz von Pflegekosten (§ 843 Rn 9), Haushaltsführungsschaden (§ 252 Rn 18), Erwerbsnachteilen (§ 252) und Schmerzensgeld (§ 253) in Betracht; im Todesfall ist an §§ 844, 845 zu denken.
IV. Die Herstellung bei anderen vermögensrechtlichen Schädigungen.
1. Geldzahlung.
Rn 12
Andere vermögensrechtliche Schädigungen (zB durch Betrug, Untreue, Nichtleistung, vielfach auch die Nichterfüllung von Schutzpflichten) betreffen von vornherein das Vermögen. Hier besteht die Herstellung in einer Geldzahlung, ohne dass diese auf § 251 gestützt werden müsste. Denn diese Geldzahlung stellt genau den Zustand her, der ohne den zum Ersatz verpflichtenden Umstand bestünde. Bekämpft dagegen der Schuldner selbst die Forderung, von der er Befreiung verlangt, mit einem Rechtsbehelf, kann er vom Ersatzpflichtigen nicht Zahlung fordern, sondern nur die Feststellung der Ersatzpflicht (...