1. Ausgangspunkt: Äquivalente Kausalität.
Rn 50
Bei der Anwendung des Zustandsvergleichs iRd Differenzhypothese (s.o. Rn 5) stehen alle Ursachen gleich; es kommt nur darauf an, ob sie wirksam geworden sind. So ist vielfach ausgesprochen worden, der Schädiger müssen den Geschädigten so nehmen wie er ist, also mit allen seinen schadensfördernden oder -vergrößernden Schwächen und auch psychischen Anlagen (BGHZ 20, 137, 139, 141; 132, 341, 345 mN): Wer einen gesundheitlich schon geschwächten Menschen verletzt, kann nicht verlangen, so gestellt zu werden, als wenn der Betroffene gesund gewesen wäre (zu Ausnahmen s.u. Rn 76). Man kann hier von äquivalenter Kausalität sprechen. Sie bildet für die Schadensermittlung den Ausgangspunkt: Es wird nur gefragt, ob der Schaden bei Wegdenken des schädigenden Ereignisses entfiele. Bei pflichtwidrigen Unterlassungen wird dagegen das geschuldete Tun hinzugedacht. Für einen Schaden durch einen Anwaltsfehler entscheidet über die Kausalität das ›richtige‹ und nicht dasjenige Urt, zu dem das Gericht ohne den Fehler gelangt wäre, BGHZ 163, 223 m Anm Mäsch JZ 06, 201.
Rn 51
Die Beweislast für die Kausalität liegt idR beim Geschädigten. Davon gilt auch dann keine Ausn, wenn eine individuelle Anlageentscheidung mit einer ›extrem einseitigen Kapitalmarktinformation‹ begründet wird, BGH ZIP 07, 679 ff, s.u. Rn 59. Besteht die Pflichtverletzung in einer Unterlassung, ist diese für den Schaden nur dann kausal, wenn pflichtgemäßes Handeln den Eintritt des Schadens verhindert hätte; auch hierfür trägt der Geschädigte die Beweislast (BGH NJW 12, 850 [BGH 07.02.2012 - VI ZR 63/11]). Dahingegen hat der Schädiger darzulegen und zu beweisen, dass die Voraussetzungen einer Zäsur vorliegen, die einen zunächst bestehenden Zurechnungszusammenhang für die Zukunft wieder entfallen lassen (dazu Rn 63). Den Geschädigten trifft insoweit allenfalls eine sekundäre Darlegungslast (BGH VersR 18, 228).
2. Die Adäquanztheorie.
Rn 52
Die Adäquanztheorie will ganz unwahrscheinliche (›inadäquate‹) Kausalverläufe ausschalten. Hierfür gibt es verschiedene Formulierungen. Am gebräuchlichsten ist wohl: Das schädigende Ereignis müsse im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen geeignet sein, einen Erfolg der eingetretenen Art herbeizuführen (etwa BGHZ 7, 198, 204; 137, 11, 19 mwN).
Rn 53
Bei dem Urt über diese Wahrscheinlichkeit sollen berücksichtigt werden alle zur Zeit des Schadenseintritts dem optimalen Beobachter erkennbaren und zusätzlich die dem Täter noch darüber hinaus bekannten Umstände (BGHZ 3, 261, 267). Tatfolgen, die dem Täter bekannt oder sogar von ihm gewollt sind, sind also immer adäquat (BGH NJW 92, 1381, 1382 [BGH 28.01.1992 - VI ZR 129/91]).
Rn 54
Die Formulierung für die Adäquanz hat aber nur selten eine wesentliche Beschränkung des zu ersetzenden Schadens bewirkt. Bsp bilden BGH NJW 52, 1010: Jemand hatte 1937 bei einem Verkehrsunfall ein Bein verloren; er konnte deshalb 1945 einen rettenden Bunker nicht mehr erreichen und wurde daher von einem Splitter tödlich getroffen. Oder BGHZ 25, 86, 91: Während einer unfallbedingten Operation entdeckt ein Arzt eine Anomalie des Patienten und will diese beheben; das führt zum Tod. Weitere Fälle bei Lange/Schiemann § 3 VI 4b. In letzter Zeit werden diese Fälle aber noch seltener, wohl wegen des Vordringens anderer Argumentationen (va der Schutzzwecklehre, u. Rn 67). Aus neuerer Zeit vgl immerhin den exotischen Fall von AG Regensburg NJW 00, 1047 [AG Regensburg 16.03.1999 - 4 C 4376/98].
Rn 55
Die geringe Wirksamkeit der Adäquanz hängt gewiss mit der Kunstfigur des ›optimalen Beobachters‹ (s.o. Rn 53) zusammen: Von ihm kann man kaum sagen, was er angeblich nicht weiß. Aber selbst wenn man mit Larenz (SchuldR AT 324) an seine Stelle einen ›erfahrenen‹ Beobachter setzt, bleibt die Filterwirkung der Adäquanztheorie gering. Sie ist noch dadurch vermindert worden, dass die Voraussehbarkeit nur für den Schadenseintritt und nicht auch für den konkreten Ablauf der Schädigung gefordert worden ist (so in dem ›Spitzhackenfall‹ von BGH VersR 61, 465). Vgl aber zur sog ›Unterbrechung des Kausalzusammenhangs‹ noch u. Rn 63.
3. Die psychisch vermittelte Kausalität.
Rn 56
Statt durch die Naturgesetze kann der Kausalzusammenhang auch durch Entschlüsse des Geschädigten selbst oder Dritter vermittelt werden. Dann sind diese Entschlüsse auf ihre Adäquanz (s.o. Rn 52) und auch darauf zu prüfen, ob der durch sie vermittelte Schaden noch im Schutzbereich der Anspruchsnorm liegt (s.u. Rn 67). Darüber hinaus hat die Rspr bei solchen Entschlüssen aber noch eine weitere Kontrolle eingeführt: Der Entschluss wird – grob gesagt – auf seine Vernünftigkeit geprüft (Rn 76).
Rn 57
Entwickelt worden sind die maßgeblichen Kriterien va an den Verfolgungsfällen: Jemand veranlasst durch seine Flucht eine gefährliche Verfolgung; der Verfolger verunglückt und verlangt von dem Verfolgten Ersatz. Dieser soll nicht schon dann gewährt werden, wenn der Verfolgte die Verfolgung adäquat kausal verursacht...