Prof. Dr. Martin Schöpflin
I. Eigenart und Beispiele.
Rn 14
Vereinsstrafen dienen der Funktionsfähigkeit der Organisation des Vereins entspr seinem auf den Vereinszweck bezogenen Selbstverständnis. Sie sind ein Ausfluss der Vereinsautonomie und ein eigenständiges verbandsrechtliches Institut (BGH MDR 03, 402), nicht etwa eine Vertragsstrafe nach §§ 339 ff (so aber Soergel/Hadding Rz 38 mwN). Anlässe für Vereinsstrafen sind regelwidriges Verhalten bei Sportvereinen, das Ansehen des Vereins schädigende Handlungen wie Verstöße gegen Strafgesetze etc. Denkbare Sanktionen sind Verwarnung, Geldbußen, Lizenzentzug, Aberkennung von Punkten, (Teil-)Zuschauerausschluss bei Heimspielen (LG Bremen SpuRt 23, 240), zeitweiser oder teilweiser Entzug der Mitgliedschaftsrechte, Verlust von Vereinsämtern, Vereinsausschluss. Abstieg aufgrund mangelnder Leistungen ist keine Vereinsstrafe (München SpuRt 21, 283).
II. Voraussetzungen.
1. Satzungsmäßige Grundlage.
Rn 15
Vereinsstrafen müssen als Grundentscheidungen in der Satzung enthalten sein, damit die Mitglieder erkennen können, welche Verhaltensweisen strafbewehrt sind (BGH NJW 84, 1355 [BGH 25.10.1983 - KZR 27/82]). Das gilt auch für die Umsetzung von durch den Dachverband vorgesehenen Disziplinarmaßnahmen im nachgeordneten Verein (BGH NZG 16, 1315 [BGH 20.09.2016 - II ZR 25/15] Rz 41). Wenn die Satzung Zuschauerausschluss als Sanktion vorsieht, ist darin aber die Möglichkeit des Teilausschlusses enthalten (LG Bremen SpuRt 23, 240). Vereinsordnungen im Rang unter der Satzung können die Strafvorschriften nur konkretisieren, nicht aber ausweiten. Die Ermittlung der Grundlagen für eine Vereinsstrafe kann daher auf ein Regelwerk unterhalb der Satzung gestützt werden (BGH NZG 17, 1270 [BGH 27.06.2017 - II ZR 5/16] – zur eG). Die Satzungsregelung muss zwar bestimmt sein, allerdings sind Generalklauseln wie ›vereinsschädigendes Verhalten‹ zulässig (Reichert/Deheselles Kap 4 Rz 1832). Es gilt das Rückwirkungsverbot, die Handlung muss also schon zzt ihrer Begehung mit Vereinsstrafe bedroht sein (BGHZ 55, 381, 385).
2. Verschulden.
Rn 16
Dass Strafe Schuld voraussetzt, ist ein fundamentales Prinzip unserer Rechtsordnung und gilt daher auch für Vereinsstrafen (Frankf NJW-RR 00, 1117, 1120). Bei Vereinen mit wirtschaftlichem Bezug kann allerdings auch an Verschulden der Erfüllungsgehilfen des Mitglieds angeknüpft werden (BGHZ 29, 352, 359 für Vereinigungen von Kaufleuten und Freiberuflern; BGH NJW 72, 1892, 1893).
3. Mitgliedschaft.
Rn 17
Es entspricht der Privatautonomie und der Rechtslogik, dass nur Mitglieder der Vereinsstrafgewalt unterworfen sind; allerdings kann ein Nichtmitglied, das Mitglied eines Vereinsorgans ist, dieser Funktion sanktionsweise enthoben werden (BGHZ 29, 352, 359). Nach seinem Ausscheiden kann ein Vereinsmitglied nicht mehr bestraft werden, wohl aber im Zeitraum zwischen der Austrittserklärung und dem Ausscheiden (Grüneberg/Ellenberger Rz 16). Satzungsbestimmungen, die Nichtmitgliedern Strafen androhen, sind ebenso nichtig und wirkungslos (vgl BGH WM 80, 869, 870) wie die auf dieser Grundlage verhängten Strafen. Soll ein übergeordneter Verband die Strafgewalt haben, kann das durch gleichzeitige Mitgliedschaft im unter- und übergeordneten Verein erreicht werden (BGHZ 28, 131), oder die Satzung des untergeordneten Vereins überträgt die Strafgewalt auf den übergeordneten Verband (BGH NJW 95, 583 [BGH 28.11.1994 - II ZR 11/94]). Nichtmitglieder können sich vertraglich der Vereinsstrafgewalt unterwerfen (BGH aaO und NZG 16, 1315 [BGH 20.09.2016 - II ZR 25/15] Rz 41).
III. Verfahren und Entscheidung.
Rn 18
Der Verein kann die Vereinsstrafgewalt auf besondere Vereinsorgane, wie ein Vereins- oder Ehrengericht oder einen Schlichtungsausschuss, übertragen, andernfalls bleibt es bei der Grundzuständigkeit der Mitgliederversammlung. Bei der Abberufung eines Vorstandsmitglieds muss angesichts § 27 in jedem Fall die Mitgliederversammlung beteiligt werden (BGH NJW 84, 1884 [BGH 06.02.1984 - II ZR 119/83]; BayObLG NJW-RR 94, 832), der Vorstand kann kein Vorstandsmitglied ausschließen (AG Ddorf NZG 09, 795 f [AG Düsseldorf 27.01.2009 - 52 C 10352/08]; vgl Köln FGPrax 09, 82f [OLG Köln 04.02.2009 - 2 Wx 56/08]). Wer den verfahrenseinleitenden Antrag gestellt hat, soll dennoch Mitglied des Beschlussorgans sein können (BGH NJW 67, 1657, 1658; 1981, 744), die Verletzten dürfen sich aber an der Festsetzung der Vereinsstrafe nicht beteiligen (BGH NJW 81, 744 [BGH 27.10.1980 - II ZR 62/80]; Schleswig SchlHA 01, 103). Soweit der Verein eine Verfahrensregelung aufgestellt hat, muss diese auch eingehalten werden (Reichert/Dehesselles Kap 4 Rz 1975 f gegen BGHZ 47, 172, 177, wo nur von Gleichbehandlungsanspruch ausgegangen wird). Eingehend zum Verfahren: Reichert/Dehesselles Kap 4 Rz 1974 ff.
Rn 19
Bevor das zuständige Gremium über die Vereinsstrafe berät, muss es dem beschuldigten Mitglied rechtliches Gehör gewähren; die Möglichkeit zu schriftlicher Stellungnahme genügt (BGHZ 29, 352, 355). Es dürfen nur Tatsachen verwertet werden, zu denen sich der Beschuldigte äußern konnte. Ein Anspruch auf Vertretung durch einen Rechtsanwalt soll nur bestehen, wenn sich der...