Prof. Dr. Martin Schöpflin
1. Grundsätzliches.
Rn 21
Aus dem staatlichen Gewaltmonopol und dem Rechtsstaatsprinzip folgt, dass Vereinsstrafen durch staatliche Gerichte überprüfbar sind; es gibt auch insoweit keinen von staatlichem Recht freien Raum. Daher kann die Satzung die gerichtliche Nachprüfung nicht ausschließen (BGHZ 29, 352, 354; Frankf NJW-RR 00, 1117, 1118).
2. Vorrang vereinsinterner Rechtsbehelfe.
Rn 22
Der Betroffene kann erst nach Ausschöpfung der vereinsinternen Rechtsbehelfe die staatlichen Gerichte anrufen (BGHZ 47, 172, 174; LG Frankfurt SpuRT 06, 35), denn diese haben aufschiebende Wirkung (BayOLGZ 88, 175). Versäumt der Beschuldigte vereinsinterne Rechtsbehelfe, ist der Weg zu den staatlichen Gerichten verschlossen, wenn die Satzung darauf hinweist, dass die Fristversäumung zum Ausschluss des Rechtsbehelfs führt (BGHZ 47, 172, 174f). Verzögert der Verein das Rechtsmittelverfahren oder ist dem Beschuldigten aufgrund sonstiger gravierender Interessen eine Verzögerung staatlichen Rechtsschutzes nicht zumutbar, kann sofort der staatliche Rechtsweg beschritten werden (Reichert/Deckenbrock Kap 6 Rz 31). Die staatlichen Gerichte sind für einstweiligen Rechtsschutz zuständig, auch beim Schiedsverfahren (Köln SpuRt 22, 267; Grüneberg/Ellenberger Rz 20). Hebt das Vereinsgericht eine Maßnahme des Vorstands auf, liegt keine Entscheidung des Vereins vor, so dass auch auf Initiative des Vorstands eine Überprüfung nicht möglich ist (BGH NZG 13, 713 [BGH 23.04.2013 - II ZR 74/12] Tz 30).
3. Prüfungsumfang.
a) Formelle Prüfung.
Rn 23
Aufgrund der idR erhobenen Feststellungsklage, die auch der Verein betreiben kann (BGH NZG 13, 713 [BGH 23.04.2013 - II ZR 74/12] Tz 20–22), prüft das Gericht, ob die Vereinsstrafe rechtmäßig und damit wirksam ist. Rechtmäßigkeit der Vereinsstrafe setzt voraus: ausreichende satzungsmäßige Grundlage (Rn 15), der Betroffene unterliegt der Vereinsstrafgewalt (Rn 17), ordnungsgemäßes Verfahren (Rn 18–20). Insoweit werden Tat- und Rechtsfragen überprüft (BGHZ 75, 158; Köln SpuRt 22, 527, 530). Verfahrensfehler sind nur erheblich, wenn sie für die Verhängung der Strafe ursächlich gewesen sind. Sportgerichtliche Verbandsentscheidungen kann ein staatliches Gericht nicht aufheben oder abändern, nur die Unwirksamkeit feststellen (Karlsr SpuRt 13, 31 [OLG Karlsruhe 08.11.2012 - 9 U 97/12]).
b) Tatsachengrundlage.
Rn 24
Die Tatsachenfeststellungen des Vereinsgerichts prüfen die staatlichen Gerichte vollumfänglich nach (BGHZ 87, 337, 344; Hamm NJW-RR 02, 389); das gilt auch für die Rechtswidrigkeit und das Verschulden. Bei Wertungsfragen hat das entscheidende Vereinsorgan einen Beurteilungsspielraum (Köln SpuRt 22, 527, 530; Ddorf NJW-RR 87, 697 [OLG Düsseldorf 05.12.1985 - 2 U 18/85]).
c) Verstoß gegen staatliches Recht.
Rn 25
Die Vereinbarkeit mit staatlichem Recht wird uneingeschränkt überprüft (§ 134). Der Strafbeschluss wird auch an § 138 gemessen, darf also nicht sittenwidrig sein. Ferner muss er zB auch mit dem Kartellrecht vereinbar sein und darf nicht diskriminierend wirken (§ 20 GWB).
d) Rechtsanwendung.
Rn 26
Bei Vereinen, die einer Aufnahmepflicht (Rn 10–13) unterliegen, prüft das staatliche Gericht die Subsumtion unter die vereinsrechtliche Sanktionsnorm vollumfänglich nach, der Verband hat kraft seiner Autonomie lediglich einen eng begrenzten Beurteilungsspielraum (BGH NJW 94, 43; BGHZ 102, 265, 276). Das ist gerechtfertigt, weil das Mitglied in diesen Fällen auf die Mitgliedschaft angewiesen ist und sich der Strafe nicht durch Austritt entziehen kann.
Rn 27
Bei Vereinen ohne Aufnahmepflicht überprüfen die staatlichen Gerichte nur, ob die Strafe willkürlich oder grob unbillig ist (BGH NJW 97, 3368). Die Autonomie dieser Vereine kann und muss in stärkerem Maße respektiert werden, weil das Regulativ der Austrittsmöglichkeit des Mitglieds besteht, so dass kein uneingeschränkter Rechtschutz erforderlich ist (aA NK-BGB/Heidel/Lochner Rz 45). Es gehört eben nicht zu den staatlichen Aufgaben, darüber zu entscheiden, ob ein Mitglied gegen die Ziele und Interessen eines Sport- oder Geflügelzüchtervereins verstoßen hat. Willkür (Ungleichbehandlung) liegt vor, wenn mehreren Mitgliedern der gleiche Verstoß zur Last fällt, aber nur einige sanktioniert werden (BGHZ 47, 381, 385). Offenbare Unbilligkeit ist zB zu bejahen, wenn der Ausschluss des Mitglieds wegen des Verhaltens von Angehörigen (BGH NJW 72, 1892 [BGH 13.07.1972 - II ZR 55/70]) oder aufgrund lange zurückliegenden Verhaltens (RGZ 129, 45, 49) erfolgt.
e) Prüfungsgegenstand, Beweislast.
Rn 28
Prüfungsobjekt ist der Vereinsstrafenbeschluss wie ihn das zuständige Vereinsorgan erlassen hat. Der Verein kann keine weiteren Gründe nachschieben (BGH NJW 90, 40, 41 [BGH 10.07.1989 - II ZR 30/89]; Ddorf NJW-RR 94, 1402 [OLG Düsseldorf 18.05.1994 - 7 W 14/94]). Eine Ausnahme gilt nur für neue Tatsachen, die für die Beurteilung der offenbaren Unbilligkeit bedeutend sind (BGHZ 47, 381, 387). Das staatliche Gericht stellt die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit des Beschlusses über die Vereinsstrafe fest. Das Mitglied muss den Vereinsstrafenbeschluss und Verfahrensfehler darlegen und beweisen, der Verein ist hinsichtlich der Unerheblichkeit der Verfahrensfehler und für die dem Mitglied zur...