Rn 9
Die Maßgeblichkeit des gewöhnlichen Laufs endet, wenn ein anderer Verlauf nach den besonderen Umständen erwartet werden konnte. Als Beispiele nennt 2 die ›getroffenen Anstalten und Vorkehrungen‹. Danach kann der gewöhnlich zu erwartende Gewinn sowohl über- wie auch unterschritten werden. Je nachdem, welches Ziel erstrebt wird, liegt hier die Beweislast bei dem Geschädigten oder dem Schädiger.
Rn 10
Zu den getroffenen Vorkehrungen gehört insb der Beginn einer Ausbildung. Hier sollen an die Behauptungs- und Beweislast wenigstens dann keine hohen Anforderungen gestellt werden, wenn der Geschädigte sich noch am Anfang seiner beruflichen Entwicklung befindet (BGH NJW 00, 3287, 3288, vgl Steffen DAR 94, 1 ff; Medicus DAR 94, 442 ff). So hat der BGH aaO einer (auch wohl nur vorübergehend) berufsunfähig gewordenen 17-Jährigen unterstellt, sie hätte ohne den Unfall eine Lehre als Pferdewirtin begonnen, diese erfolgreich absolviert und danach das durchschnittliche Einkommen einer Pferdewirtin erzielt. Allgemein könne bei jüngeren Menschen ohne konkrete Anhaltspunkte angenommen werden, sie würden auf Dauer die ihnen zu Gebote stehenden Möglichkeiten für eine gewinnbringende Erwerbstätigkeit nutzen (BGH aaO; vgl auch Rostock ZfS 21, 678 [OLG Rostock 11.06.2021 - 5 U 55/17] zur Prognose einer verunfallten 16-Jährigen). Ähnl hat schon BGH NJW 98, 1633, 1634 [BGH 17.02.1998 - VI ZR 342/96] für einen verhinderten Fußballtrainer entschieden. Insb sollen die §§ 252, 842 auch den Verzögerungsschaden umfassen, der durch die vom Schadensereignis verursachte Verspätung des Berufseintritts oder des beruflichen Fortkommens entsteht (BGH NJW 00, 3287, 3288 [BGH 06.06.2000 - VI ZR 172/99] mN). Für die Prognose eines vereitelten Berufswunsch können indiziell Beruf und Ausbildung der Familienangehörigen (Eltern, Geschwister) herangezogen werden (BGH NJW 11, 1148 [BGH 05.10.2010 - VI ZR 186/08]).
Auch ansonsten gilt bei einer dauerhaft unfallbedingten Erwerbsunfähigkeit, dass der hypothetische weitere Verlauf zu prognostizieren ist; Unsicherheiten in der Prognose kann durch einen prozentualen Abschlag Rechnung getragen werden (BGH NJW 11, 1146). Die Rspr nimmt nach dem sog Kontinuitätsprinzip an, dass jedenfalls der derzeitige Erwerb weiter verdient worden wäre; in Situationen, in denen die derzeitige Erwerbssituation nicht hinreichend aussagekräftig ist, wird unter Anwendung eines ›Prognosebonus‹ gefragt, wie das hypothetische Erwerbsleben sich entwickelt hätte. An die Beweisführung werden dann ›keine allzu strengen‹ Anforderungen gestellt (BGH NJW 98, 1633; NJW 00, 3287; VersR 17, 1412). Für einen Ersatzanspruch ist aber jedenfalls erforderlich, dass dies mit hinreichender – überwiegender – Gewissheit nachgewiesen werden kann, § 287 ZPO (BGH NJW 11, 1146 [BGH 09.11.2010 - VI ZR 300/08], zugleich zu den Grenzen der Prognose). Hierzu sind jedenfalls konkrete Anhaltspunkte erforderlich, eine ganz abstrakte ›Mindestschadensschätzung‹ ist nicht zulässig (BGH NJW-RR 16, 793 [BGH 12.01.2016 - VI ZR 491/14]).
Rn 11
Weniger großzügig ist die Rspr hinsichtlich eines entgangenen Gewinns durch gewerbliche Tätigkeit. Hier hat etwa BGH NJW 64, 661, 662 den Nachweis verlangt, der wegen des Gewinnentgangs aus einem verhinderten Fabrikbau Klagende habe wirklich über die für den Bau nötigen Mittel verfügt. Auch soll der Schaden nicht nach dem Gehalt berechnet werden können, das für eine in Wahrheit nicht angestellte Ersatzkraft aufzubringen gewesen wäre (BGHZ 54, 45; VersR 92, 973; dies wird beim Ersatz des Haushaltsführungsschadens, unten Rn 18, anders gesehen. Wer aber zur Gewinnerzielung eine Vielzahl von Tieren hält, kann seinen verletzungsbedingten Ausfall in deren Versorgung nicht fiktiv abrechnen, sondern ist an die Darlegungsanforderungen des Ausfalls bei gewerblicher Tätigkeit gebunden, Hamm r+s 21, 356); vielmehr kommt es auf den unfallbedingten Gewinnentgang an, also auf die Prüfung, wie sich das vom Geschädigten betriebene Unternehmen ohne den Unfall voraussichtlich entwickelt hätte (BGH NJW-RR 92, 852 [BGH 31.03.1992 - VI ZR 143/91]; NJW 93, 2673 [BGH 06.07.1993 - VI ZR 228/92]). Das wird in der Lit ganz überwiegend abgelehnt: Im Zweifel sei die Arbeitskraft des Verletzten ebenso viel wert wie für eine Ersatzkraft hätte bezahlt werden müssen (etwa Lange/Schiemann, Schadensersatz § 6 IX 4d). Immerhin soll der Verletzte aber iÜ bei der Schätzung des Gewinnentgangs großzügig behandelt werden (BGH VersR 17, 1412: die Klage darf nicht wegen lückenhaften Vortrags zur Schadensentstehung und Schadenshöhe abgewiesen werden, solange greifbare Anhaltspunkte für eine Schadensschätzung vorhanden sind). Selbst wenn die Fortführung seines Unternehmens wahrscheinlich nicht gelungen wäre, soll ersetzt werden, was er bei dem Ausweichen in eine unselbstständige Tätigkeit hätte verdienen können (BGH NJW 98, 1634, 1636 [BGH 03.03.1998 - VI ZR 385/96]).