I. Mitwirkung bei der Schädigung.
1. Verletzung von Pflicht oder Obliegenheit.
Rn 6
Eine Mitwirkung des Geschädigten kann schon die Entstehung oder erst den Umfang des zu ersetzenden Schadens betreffen. I nennt nur die Entstehung, doch ist unstr auch die Mitwirkung bei der weiteren Entwicklung des Schadens gemeint. Davon geht auch II 1 am Ende aus, der ausdrücklich die Verpflichtung zur Minderung des Schadens nennt.
Rn 7
Irgendwie wirkt der Geschädigte fast immer an der Schadensentstehung mit, und sei es nur dadurch, dass er sich zur kritischen Zeit am Ort der Schädigung aufgehalten hat. Die nötige Einschränkung ergibt sich durch die Bezugnahme auf ein Verschulden des Geschädigten. IdR setzt ein Verschulden eine Rechts- oder Pflichtverletzung voraus. Das kommt auch bei § 254 in Betracht; Bsp für Rechtsverletzung sind etwa überhöhte Geschwindigkeit oder Nichtanlegen des Sicherheitsgurts (vgl § 21a StVO, hierzu BGH NJW 12, 2027 [BGH 28.02.2012 - VI ZR 10/11]). Bsp. für die Verletzung einer Pflicht aus einer Sonderverbindung ist das Unterlassen der Abnahme der ordnungsgemäß gelieferten Ware, wenn diese dann gestohlen wird.
Rn 8
Vielfach fehlt es aber an einer gesetzlichen oder vertraglichen Pflicht. Das gilt schon bei den beiden Fallgruppen von II 1, nämlich der Pflicht zur Warnung oder Schadensabwendung bzw -minderung (s.u. Rn 18 ff). In solchen Fällen spricht man von ›Pflichten des Geschädigten gegen sich selbst‹ (BGH NJW 09, 582 [BGH 27.11.2008 - VII ZR 206/06]) oder Obliegenheiten.
2. Andere Zurechnungskriterien.
Rn 9
Weiter müssen Eintritt oder Umfang des Schadens kausal auf der Verletzung einer Pflicht oder Obliegenheit beruhen. Das ergibt sich schon aus dem Wort ›Mitwirkung‹. Es muss also zB die Trunkenheit des Fahrers für den Unfall ursächlich geworden sein (BGH VersR 60, 479) oder ein Verstoß gegen die Anschnallpflicht verletzungsfördernden Charakter gehabt haben (BGH NJW 12, 2027 [BGH 28.02.2012 - VI ZR 10/11]). Auch das Fehlen der Fahrerlaubnis (s BGH NJW 07, 506 [BGH 21.11.2006 - VI ZR 115/05] Tz 18) ist nicht per se anspruchsmindernd zu berücksichtigen, wenn gerade nicht klar ist, dass es kausal für den Unfall war (dass der Unfallgegner ohne Fahrerlaubnis an sich gar nicht hätte fahren dürfen und schon deshalb den Unfall nicht verursacht hätte, ist nach dem BGH irrelevant); hierfür soll nicht einmal ein Anscheinsbeweis streiten (aaO Tz 19). Adäquanz (§ 249 Rn 52) ist schon deshalb nötig, weil die Mitwirkungsanteile nach der Wahrscheinlichkeit des Umstandes für das Schadensereignis gewichtet werden (u. Rn 34 f): Wo diese nur ganz geringfügig ist, bleibt der Umstand also außer Betracht.
Rn 10
Zudem muss der Schutzzweck der verletzten Obliegenheit betroffen sein. So soll der Schadensersatzanspruch eines Unfallverletzten gegen den ihn fehlerhaft behandelnden Arzt nicht deshalb gemindert werden, weil der Verletzte den Unfall selbst verschuldet hatte: ›Es macht für das Rechtsverhältnis zwischen Arzt und Patient keinen Unterschied, ob der Patient durch eigene Schuld behandlungsbedürftig geworden ist oder nicht‹ (BGH NJW 72, 334, 335 [BGH 21.09.1971 - VI ZR 122/70]). Ähnl darf sich der Abschleppunternehmer nicht auf das Verschulden des Abzuschleppenden bei dessen Falschparken berufen (BGH NJW 78, 2502, 2504 [BGH 11.07.1978 - VI ZR 138/76]). Wer die Behandlung oder Behütung eines Suizidgefährdeten übernimmt, kann nicht ein Mitverschulden des Gefährdeten an einem Suizidversuch geltend machen (BGHZ 96, 98, 101). Wer aus der Verletzung einer Beratungspflicht haftet, kann idR nichts daraus herleiten, dass der zu Beratende selbst das Richtige hätte erkennen können (BGH NJW 04, 1868, 1870 [BGH 13.01.2004 - XI ZR 355/02]).
Rn 11
Fraglich ist, ob es auf die zeitliche Reihenfolge zwischen der Schädigung und der für § 254 maßgeblichen Mitwirkung ankommt. Nach BGH ZIP 90, 315, 318 soll ggü einem Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung einer Vertragspflicht nur ein Verhalten relevant sein, das dem Vertragsschluss zeitlich nachfolgt. Das dürfte aber zumindest nicht allg zutreffen: Schadensvermeidende Obliegenheiten können ebenso wie Schutzpflichten schon im Verhandlungsstadium bestehen (vgl § 311 II).
II. Verschulden.
Rn 12
Die Obliegenheitsverletzung muss regelmäßig verschuldet sein. Hierfür gelten § 276 und ebenso die §§ 827 (weshalb etwa der Einwand des Beifahrers, man habe aufgrund seiner eigenen starken Alkoholisierung die absolute Fahruntüchtigkeit des Fahrers nicht mehr erkennen können, nicht verfängt, weil der Mitverschuldensvorwurf gem §§ 254, 827 S 2 bereits daran anknüpft, dass man sich zumindest fahrlässig durch Konsum alkoholischer Getränke in einen Zustand versetzt hat, in dem man nicht mehr über die zum Selbstschutz erforderliche Einsichtsfähigkeit verfügt, Schlesw NJW-RR 21, 893 [OLG Dresden 21.04.2021 - 4 W 201/21]), 828. Kinder bis zum 7. Lebensjahr können also wegen eigenen Verschuldens nicht unter § 254 fallen; zwischen dem 7. und dem 18. Lebensjahr kommt es darauf an, ob der Verletzte die zur Erkenntnis seiner Mitverantwortlichkeit erforderliche Einsicht hat. Die Sonderregelung für den Straßenverkehr in § 828 II hat sogar de...