I. Die Schadensteilung.
1. Mitwirkung.
Rn 34
Die Verantwortlichkeit von Schädiger und Geschädigten für einen Schaden führt idR zu einer Schadensteilung. Dafür kommt es nach I insb auf die Verursachungsanteile an (BGH NJW 03, 1929, 1931). Diese müssen also gewichtet werden. Dem scheint entgegenzustehen, dass sonst alle Ursachen als äquivalent behandelt werden (§ 249 Rn 50). Doch gilt das für § 254 nicht: Dort wird nach der Wahrscheinlichkeit unterschieden, mit der einerseits die schädigende Handlung und andererseits die Obliegenheitsverletzung den Schaden herbeigeführt hat (BGH VersR 88, 1238; NJW 94, 379): Eine Mitwirkung wiegt umso schwerer, je wahrscheinlicher sie den Schaden gemacht hat.
Rn 35
Diese Wahrscheinlichkeit kann sich für mehrere Schadensposten unterscheiden. So macht etwa das Nichtanlegen des Sicherheitsgurtes Kopfverletzungen sehr wahrscheinlich, hat aber auf Sachschäden idR keinerlei Einfluss. Trotzdem arbeitet die Rspr oft nur mit einer auf den ganzen Schaden bezogenen einheitlichen Schadensverteilung (Ausnahme vielleicht BGH NJW 79, 980 [BGH 30.01.1979 - VI ZR 144/77]), auch hinsichtlich der Schadensposition ›SV-Kosten‹ (hierzu § 249 Rn 36). Das kann unschädlich sein, wenn man schon den vollen Schaden übersieht; freilich erschwert dann die ›Durchschnittsquote‹ die Vergleichbarkeit. Daher ist es auch in solchen Fällen vorzugswürdig, ggf für verschiedene Schadensposten jeweils eigene Quoten zu bilden (vgl Staud/Schiemann Rz 129).
2. Verschulden oder Gefährdung.
Rn 36
Ggü der Mitwirkung bilden das Verschulden und das etwa zu vertretende Gefährdungspotenzial (o. Rn 33) idR nur einen Korrekturfaktor. So sagt etwa BGH NJW 69, 789, 790 [BGH 29.01.1969 - I ZR 18/67], die Prüfung des Verschuldensgrades beider Teile sei erst dann nötig, wenn die Abwägung der Mitwirkungsanteile kein Überwiegen ergeben habe (weniger eng BGH NJW 98, 1137, 1138 [BGH 20.01.1998 - VI ZR 59/97]: Das Verschulden sei nur ›ein Faktor‹ der Abwägung). Freilich wird das Verschulden häufig nicht viel ändern: Auch dieses wiegt idR umso schwerer, je wahrscheinlicher es den Schaden gemacht hat. Dem widerspricht freilich, dass bei Vorsatz der Schädiger den Schaden idR allein tragen soll (u. Rn 38). IE bleibt das Verhältnis von Mitwirkung und Verschulden unklar.
3. Die Quoten.
Rn 37
Die Abwägung bei § 254 bildet also weithin ein Ergebnis der Schätzung durch den Tatrichter (u. Rn 50). Daher tut die Praxis gut daran, bei der Festsetzung der Quoten nicht eine Genauigkeit vorzutäuschen, die es nicht geben kann. Folglich sollten nur runde %-Sätze (10, 20 % usw) oder Brüche mit kleinem Nenner (1/2, 1/3, 1/4, 1/5) angegeben werden. Zu den im Verkehrsrecht angewendeten Quoten Grüneberg Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 16. Aufl 20. Geht der Ersatzanspruch im Wege der Legalzession auf Dritte über (zB § 6 EFZG und vergleichbare Regeln des Beamtenrechts, §§ 86 VVG, 116 SGB X), regelt das sog Quotenvorrecht, ob der Geschädigte oder der Dritte den ›Ausfall‹ durch die nur quotale Haftung zu tragen hat, vgl Staudinger/Schiemann, § 254 Rz 130 ff.
II. Alleinige Schadenstragung.
Rn 38
Aus dem Gesagten folgt, dass kleine Mitwirkungsanteile des Geschädigten (etwa unter 10 %) unberücksichtigt bleiben sollen. Der Schädiger hat dann vollen Ersatz zu leisten. Gleiches gilt idR, wenn ihm ein den Schaden umfassender Vorsatz zur Last fällt, während der Geschädigte nur Fahrlässigkeit zu verantworten hat (BGH NJW 84, 921, 922 [BGH 06.12.1983 - VI ZR 60/82] mN). Doch darf der Vorsatz des Schädigers ›nicht schlechthin zum Freibrief für jeden Leichtsinn des Geschädigten werden‹ (BGH NJW 02, 1643, 1646 [BGH 05.03.2002 - VI ZR 398/00] mN). Berücksichtigt werden kann insb, dass der Geschädigte (vorsätzlich) elementare Vorsichtsmaßnahmen unterlassen hat (BGH aaO). Für einen Schadensersatzanspruch aus § 826 soll Abweichendes gelten, idR auch für einen Anspruch aus unrichtiger Auskunft (BGH NJW 98, 302, 305 [BGH 26.09.1997 - V ZR 29/96]). Der Vorsatz eines Gehilfen soll aber milder behandelt werden (BGH NJW 97, 2236, 2237f [BGH 13.05.1997 - XI ZR 84/96]).
Rn 39
Umgekehrt kann auch der Schadensbeitrag des Geschädigten so groß sein, dass er seinen Schaden allein tragen muss (zB beim Aufspringen auf eine anfahrenden Eisenbahnzug, Stuttg VersR 86, 147, ebenso für das Abspringen Frankf VersR 87, 1118).