Prof. Dr. Brigitta Zöchling-Jud
Gesetzestext
1Wer berechtigt ist, von einer Sache, die er einem anderen herauszugeben hat, eine Einrichtung wegzunehmen, hat im Falle der Wegnahme die Sache auf seine Kosten in den vorigen Stand zu setzen. 2Erlangt der andere den Besitz der Sache, so ist er verpflichtet, die Wegnahme der Einrichtung zu gestatten; er kann die Gestattung verweigern, bis ihm für den mit der Wegnahme verbundenen Schaden Sicherheit geleistet wird.
A. Normzweck.
Rn 1
Das BGB billigt demjenigen, der Verwendungen auf die herauszugebende Sache gemacht hat, neben oder anstatt des Aufwendungsersatzes in bestimmten Fällen ein Wegnahmerecht zu. Damit soll den Interessen des Herausgabepflichtigen Rechnung getragen werden, der mit der herauszugebenden Sache eine ›Einrichtung‹ verbunden hat, die für ihn auch nach der Trennung einen eigenständigen Wert besitzt (MüKoBGB/Krüger § 258 Rz 1). § 258 regelt nur den Inhalt des Wegnahmerechts; das Wegnahmerecht selbst ergibt sich aus anderen Rechtsgrundlagen, zB gesetzlich für den Mieter (§ 539 II; hierzu Horst MDR 09, 477; Bruns NZM 17, 468), Pächter (§ 581 II), Entleiher (§ 601 II 2), unrechtmäßigen Besitzer (§ 997 I; hierzu Zweibr OLGR 06, 613) und Vorerben (§ 2125 II) oder aus einem Vertrag (HP/Lorenz § 258 Rz 2).
B. Einrichtung.
Rn 2
Gegenstand des Wegnahmerechts ist eine Einrichtung. Darunter ist eine Sache zu verstehen, die mit einer anderen körperlich verbunden ist und deren wirtschaftlichen Zwecken dient (Grüneberg/Grüneberg § 258 Rz 1; aA Schmid MDR 15, 9, 9 ff, der ausschließlich auf subjektive Kriterien abstellt; vgl auch § 539 Rn 11), unabhängig davon, ob sie wesentlicher Bestandteil der Hauptsache geworden ist oder ob die Verbindung nur einem vorübergehenden Zweck dient (Staud/Bittner/Kolbe § 258 Rz 3). Einrichtungen sind zB Anbauten (BGHZ 81, 146), Einbaumöbel (Ddorf MDR 72, 147), sonstiges Mobiliar (BGH NJW 91, 3031), Badewannen, Beleuchtungsanlagen, Heizungsinstallationen (RGZ 106, 52), sanitäre Anlagen (Frankf ZMR 86, 358), Teppichböden (KG ZMR 72, 80), Bahnanschlussgleise (BGH BB 66, 304) oder Pflanzen (Ddorf NJW-RR 99, 160).
C. Wegnahmerecht.
Rn 3
Das Wegnahmerecht besteht unabhängig davon, ob der Berechtigte noch Eigentümer der Einrichtung ist. Ist der Berechtigte Eigentümer, bedeutet Wegnahme die Trennung der Einrichtung von der Hauptsache (Staud/Bittner/Kolbe § 258 Rz 1). Ist der Berechtigte nicht mehr Eigentümer (§§ 93, 946), steht dem Berechtigten neben dem Trennungsrecht auch ein dingliches Aneignungsrecht zu (BGHZ 81, 150; MüKoBGB/Krüger § 258 Rz 5).
Rn 4
Hat der andere Besitz an der Sache, verwandelt sich das Trennungsrecht nach § 258 S 2 in einen Anspruch auf Gestattung der Wegnahme, der ebenfalls dinglich ist (BGHZ 101, 42; 81, 150). Den Besitzer trifft nach § 258 S 2 aber keine Herausgabepflicht hinsichtlich der Sache oder der Einrichtung, er hat bis zur Wegnahme ein Recht zum Besitz (§ 986), weshalb er auch nicht zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist (BGHZ 81, 151; Staud/Bittner/Kolbe § 258 Rz 7).
Rn 5
Wer das Wegnahmerecht ausübt, hat die Sache nach § 258 S 1 nach Wegnahme der Einrichtung auf seine Kosten in den vorigen Stand zu setzen, also in den Stand, in dem sich die Sache vor der Verbindung mit der Einrichtung befunden hat (Naturalherstellung). Mit dem Wegnahmerecht korrespondiert also eine Wegnahmepflicht (Staud/Bittner/Kolbe § 258 Rz 4). Wer Gleise wegnimmt, darf den Schotter nicht liegen lassen (BGH BB 66, 304), wer ein Gebäude abreißt, darf nicht nur die verwertbaren Bauteile wegnehmen und den Rest liegen lassen (BGH NJW 70, 755 [BGH 17.12.1969 - IV ZR 754/68]). Ist die Naturalherstellung nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich (vgl § 251), besteht zwar das Wegnahmerecht, doch hat der Berechtigte Schadensersatz für die Wertminderung der Hauptsache zu leisten (MüKoBGB/Krüger § 258 Rz 8). Auch wenn das Wegnahmerecht vom Insolvenzverwalter nach Eintritt der Insolvenz ausgeübt wird, sind die aus der Wegnahmepflicht resultierenden Ansprüche keine Masseforderungen (BGH NZI 20, 995 [BGH 17.09.2020 - IX ZR 62/19]).
Rn 6
Hat der Berechtigte einen Anspruch auf Gestattung der Wegnahme, weil sich die Sache im Besitz des anderen befindet, kann dieser die Gestattung gem §§ 273 f verweigern, bis ihm für den mit der Wegnahme verbundenen Schaden Sicherheit geleistet wird (§ 258 S 2). Gleiches gilt für den Duldungsanspruch gem S 2 (Bambg NJW-RR 04, 227 [OLG Bamberg 06.06.2003 - 6 U 20/03]). Die Sicherheitsleistung kann nur vor Ausübung des Wegnahmerechts einredeweise verlangt werden, die Art der Sicherheitsleistung richtet sich nach den §§ 232 ff (Soergel/Forster § 258 Rz 18).
Rn 7
Die Verjährung der sich aus § 258 ergebenden Ansprüche richtet sich nach allg Regeln; das Wegnahmerecht des Mieters oder Pächters verjährt allerdings innerhalb von 6 Monaten (§§ 548 II, 581 II, 591b I).