Prof. Dr. Brigitta Zöchling-Jud
Rn 5
Der Ort der Leistung wird, wenn keine gesetzliche Sonderregelung besteht (zB §§ 261 I, 374, 697, 700 I 3, 811 I, 1194, 1200 I; 36 VVG; Artt 2 II, III ScheckG; 2 III, 75 Nr 4, 76 III WG; nach Brors auch Art 3 III VebrgK-RL als ›anderweitige Bestimmung‹, Brors NJW 13, 3332), durch Parteivereinbarung oder die Umstände des Vertrags festgelegt.
1. Parteivereinbarung.
Rn 6
Den Parteien steht es frei, den Leistungsort ausdrücklich oder konkludent zu bestimmen. Bei der ausdrücklichen Vereinbarung in Allg Geschäftsbedingungen ist der Vorrang der Individualabrede nach der Auslegungsregel des § 305c zu beachten. Nach den allg Auslegungsregeln des BGB kann eine Parteivereinbarung über den Leistungsort auch durch schlüssiges Verhalten begründet werden, so zB bei Erfüllung durch beide Parteien unmittelbar nach Vertragsschluss am selben Ort (RGZ 102, 283). Nach § 269 III ist aber nicht bereits aus der Übernahme der Versandkosten durch den Schuldner eine Verlegung des Leistungsortes an den Versendungsort zu folgern; das Gleiche gilt für die Übernahme der Versendungsgefahr (RGZ 68, 78; 114, 408); beides auch unter Verwendung der hierfür handelsüblichen Klauseln wie ›cif‹ (cost, insurance, freight), ›fob‹ (free on board) oder den sog ›Frei-Klauseln‹ (zB ›frei Haus‹ – ausnahmsweise Bestimmung des Leistungsortes: BGH NJW 84, 567 [BGH 19.09.1983 - VIII ZR 195/81]; 97, 872 [BGH 11.12.1996 - VIII ZR 154/95]), sowie bei bloßer Vereinbarung eines Ablieferungsortes (Schlesw NJW-RR 93, 314 [OLG Schleswig 04.06.1992 - 2 U 78/91]). Keine Vereinbarung des Leistungsortes liegt außerdem bei einer Akkreditivabrede vor (BGH NJW 81, 1905 [BGH 16.01.1981 - I ZR 84/78]).
Rn 7
Der einmal bestimmte Leistungsort kann durch die Parteien nachträglich verändert werden (RGZ 106, 211; Schlesw IPRax 93, 95 [OLG Schleswig 04.06.1992 - 2 U 78/91]). Eine einseitige Änderung des Leistungsortes ist aber iR ständiger Geschäftsbeziehungen ausgeschlossen (RGZ 52, 135; 57, 411; 65, 331), es sei denn, der andere stimmt zu oder einem Schweigen ist ausnahmsweise Erklärungsgehalt beizumessen (RGZ 57, 410).
2. Umstände.
Rn 8
Als Umstände des Vertrags zu beachten sind Natur und Charakter des Schuldverhältnisses, besondere Begebenheiten des Einzelfalls sowie Verkehrssitte und Handelsbrauch (BGH NJW-RR 07, 778 [BGH 24.01.2007 - XII ZR 168/04]; Staud/Bittner/Kolbe § 269 Rz 18; Lorenz JuS 14, 9f). Für Unterlassungsansprüche bestimmt sich der Leistungsort nicht nach dem Ort der Zuwiderhandlung, sondern nach dem Wohnsitz des Schuldners (BGH NJW 74, 411 [BGH 06.11.1973 - VI ZR 199/71]). Schadensersatzansprüche sind im Fall der Naturalrestitution (§ 249 I) am Ort der Schädigung zu leisten, Schadensersatz statt der Leistung oder wegen Verletzung einer Nebenpflicht an dem Ort, an dem die geschuldete Leistung hätte erbracht werden müssen bzw an dem die Nebenpflicht verletzt wurde (MüKoBGB/Krüger § 269 Rz 43). Bei Gewährleistungsansprüchen ist für den Nacherfüllungsanspruch idR auf den Leistungsort des Erfüllungsanspruchs (BGH NJW 13, 1076 [BGH 19.12.2012 - VIII ZR 96/12]; NJW 11, 2278; Celle MDR 10, 372; München [20. ZS] MDR 07, 1189 [OLG München 20.06.2007 - 20 U 2204/07]; Köln Schaden-Praxis 07, 302; Reinking NJW 08, 3612; anders BGH NJW 17, 2758 [BGH 19.07.2017 - VIII ZR 278/16]; NJW 11, 2278 [BGH 13.04.2011 - VIII ZR 220/10]; München [15. ZS] NJW 06, 449 [OLG München 12.10.2005 - 15 U 2190/05]), bei der Minderung auf den Wohn- bzw Niederlassungssitz des Verkäufers (RGZ 66, 76) und für die Rückgewähransprüche sowie den Rücktritt selbst auf den Ort, an dem sich die Sache vertragsgemäß befindet, abzustellen (Saarbr NJW 05, 906 [OLG Saarbrücken 06.01.2005 - 5 W 306/04]; Schlesw BB 12, 2318 [OLG Schleswig 04.09.2012 - 3 U 99/11]; München BeckRS 18, 24033; Staudinger/Artz NJW 11, 3121; diff: MüKoBGB/Krüger § 269 Rz 42; aA BGH NJW 11, 2078; LG Augsburg ZVertriebsR 18, 390). Nach dem EuGH bleiben die Mitgliedstaaten auch beim Verbrauchsgüterkauf für die Bestimmung des Nacherfüllungsorts zuständig, allerdings haben die Gerichte auf eine mit der VerbrGKRL vereinbare Auslegung zu achten. Der Ort muss somit für eine unentgeltliche Herstellung des vertragsgemäßen Zustands binnen einer angemessenen Frist ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher geeignet sein. Sowohl die Art des Verbrauchsgutes als auch der Zweck, für den der Verbraucher das Verbrauchsgut benötigte, sind hierbei zu berücksichtigen (s EuGH Rs C-52/18 Fülla NJW 19, 2017; dazu Augenhofer NJW 19, 1988; Feldmann EuZW 19, 601; Döll DAR 19, 536).
Rn 9
Beispiele:
Beim Kaufvertrag ist die Bestimmung des Leistungsortes nach den Umständen des Vertrags stark inhaltsabhängig, von der bloßen Zug-um-Zug-Leistung kann aber noch kein Rückschluss auf einen einheitlichen Leistungsort gezogen werden (MüKoBGB/Krüger § 269 Rz 19); bei alltäglichen Ladengeschäften ist Leistungsort der Ladenraum (Stuttg OLGE 41, 244); im Falle der Warenanlieferung wie zB für Heizöl, Kohle oder Möbel (Oldbg NJW-RR 92, 1527 [OLG Oldenburg 12.03.1992 - 1 U 179/91]) ist idR eine Bringsc...