Prof. Dr. Brigitta Zöchling-Jud
Rn 3
Die Leistungszeit kann durch Gesetz oder durch Parteivereinbarung bestimmt sein. Haben die Parteien nichts vereinbart und fehlt es an gesetzlichen Vorschriften, so ist die Leistung nach § 271 I sofort fällig und erfüllbar. Bei dem Begriff ›sofort‹ ist ausschließlich auf den objektiven Maßstab abzustellen.
I. Gesetzliche Regelungen.
Rn 4
Die Leistungszeit ergibt sich für bestimmte Verpflichtungen aus dem Gesetz, wie zB nach § 474 II (Verbrauchsgüterkauf; hierzu Kohler NJW 14, 2817), §§ 556b, 579 (Miete), 608 f (Darlehen), 614 S 2 (Dienstvertrag), 641 (Werkvertrag, allg Krankenhausleistungen allerdings nicht, vgl Oldenburg MDR 10, 370), 695 f (Verwahrung), 718 (Gesellschaft), 760 (Leibrente), 1361 IV 2, 1585 I 2, 1612 III (Unterhalt), 2181 (Vermächtnis). Nicht im BGB enthaltene Leistungszeiten ergeben sich zB aus §§ 11 VVG, 23 VerlagsG, 61 GKG, 798 ZPO, 11 ZVG sowie § 423 HGB (vgl BGH NJW 23, 3285, 2386f [BGH 20.04.2023 - I ZR 140/22]). Eine gesetzliche Abänderung der vertraglich vereinbarten Leistungszeit bei Verbraucherdarlehen brachte etwa die mittlerweile wieder aufgehobene COVID-19-Stundung nach Art 240 § 3 EGBGB (Klöhn WM 20, 1141).
II. Parteivereinbarung.
Rn 5
Die Fälligkeit kann vertraglich vereinbart werden, soweit sie nicht zwingend gesetzlich vorgeschrieben ist (HP/Lorenz § 271 Rz 7). Bei Wendungen, wie zB ›In Kürze‹, ›Umgehend‹ oder ähnlichen unbestimmten Formulierungen dieser Art, ist der Beurteilungsspielraum nach billigem Ermessen auszufüllen (Soergel/Forster § 271 Rz 7). So beträgt zB die Leistungszeit beim Möbelkauf unter der Verwendung der Formulierung ›baldigst‹ ca 6 bis 8 Wochen (Nürnbg NJW 81, 1104). Sofern Allg Geschäftsbedingungen Regelungen über die Leistungszeit beinhalten, sind die §§ 305 ff einschlägig. Ist jedoch eine Klausel wegen Verstoßes gegen § 308 Nr 1 unwirksam, so ist gem § 306 II die Regelung des § 271 anwendbar (Soergel/Forster § 271 Rz 8; HP/Lorenz § 271 Rz 6; MüKoBGB/Krüger § 271 Rz 7).
Rn 6
Wenn der Gläubiger nach der Vereinbarung zur Bestimmung der Leistungszeit berechtigt ist, hat er sie gem § 315 im Zweifel nach billigem Ermessen festzusetzen (AnwK/Schwab § 271 Rz 26). Das Bestimmungsrecht des Gläubigers darf von ihm nicht rechtsmissbräuchlich ausgeübt werden (MüKoBGB/Krüger § 271 Rz 10). Die Bestimmung muss innerhalb angemessener Zeit erfolgen, wenn der Gläubiger zur Bestimmung nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet ist, wie zB beim Kauf auf Abruf (Naumbg OLGE 20, 166). Unterbleibt ein solcher Abruf, führt dies zum Gläubigerverzug nach § 295 (Soergel/Forster § 271 Rz 20; Grüneberg/Grüneberg § 271 Rz 6).
Rn 7
Ist der Schuldner nach der Vereinbarung zur Bestimmung der Leistungszeit berechtigt, hat er sie ebenfalls im Zweifel nach billigem Ermessen (§ 315) festzusetzen (s Rn 6). Es sind die Grenzen des § 242 einzuhalten, sofern die Bestimmung in das freie Belieben des Schuldners gestellt wurde (Grüneberg/Grüneberg § 271 Rz 6; Erman/Artz § 271 Rz 14).
Rn 8
Wurde das Bestimmungsrecht auf Dritte übertragen, gelten die §§ 317–319 (Staud/Bittner/Kolbe § 271 Rz 12; Erman/Artz § 271 Rz 14).