Rn 33
Außer § 275 kennt das Gesetz eine ganze Reihe weiterer Fälle, in denen der Erfüllungsanspruch ausgeschlossen ist. Dies gilt zum einen für die Fälle des Erlöschens und der Beendigung von Schuldverhältnissen. Erlischt der Anspruch des Gläubigers etwa durch Erfüllung, Aufrechnung, Hinterlegung oder Selbsthilfeverkauf oder finden Erlass, Konfusion, Novation oder Aufhebungsvertrag statt, kommt eine spätere Klage auf Erfüllung nicht in Betracht. Dasselbe gilt, wenn der Vertrag durch Kündigung beendet oder durch Rücktritt in ein Rückabwicklungsverhältnis umgesteuert wird. Soweit eine solche Vertragsaufhebung eine Reaktion auf eine Pflichtverletzung darstellt, ergibt sich daraus eine Konkurrenzregel für die betreffenden Rechtsbehelfe: Rücktritt und Kündigung sind mit dem weiteren Betreiben einer Durchsetzung des Vertrages in Natur unvereinbar.
Rn 34
Solche Regeln über die Konkurrenz von Rechtsbehelfen finden sich auch an weiteren Stellen. So schließt insbes das Verlangen von Schadensersatz statt der Leistung nach § 281 IV den Erfüllungsanspruch aus; insoweit entspricht das Schadensersatzverlangen funktional der Erklärung eines (Teil-)Rücktritts (s § 281 Rn 25, 36 f). Ähnl wirkt § 340 I 2: Der Gläubiger kann nicht zugleich die Vertragsstrafe und die Erfüllung der strafbewehrten Verbindlichkeit verlangen (s §§ 340, 341 Rn 3). Wie § 275 haben auch diese Fälle des Ausschlusses des Erfüllungsanspruchs eine Nebenfunktion: Sie ergänzen §§ 281 II, 323 II um zusätzliche Fälle der Entbehrlichkeit der Fristsetzung; wo kein Erfüllungsanspruch mehr besteht, kann dieser auch nicht vorrangig sein (s § 281 Rn 17). Ein wenig anders ist die Lage bei § 376 I 2 HGB (Fixhandelskauf), weil dort Rücktritt und Schadensersatz ohnehin keiner Fristsetzung bedürfen. Das Erlöschen des Erfüllungsanspruchs ergibt sich hier aus einer weitgehenden Gleichsetzung von relativem und absolutem Fixgeschäft für den auf eine schnelle Abwicklung angewiesenen Handelsverkehr; ohne rechtzeitigen Widerspruch des Käufers wird die Verspätung daher der Unmöglichkeit gleichgestellt.
Rn 35
Im Einzelfall hat die Rspr außerdem unter Hinweis auf § 254 II 1 einen Ausschluss des Erfüllungsanspruchs auch jenseits der Grenzen von § 275 II angenommen, wenn der Gläubiger mit der Erhebung des Anspruchs zuwartet und dadurch selbst wesentlich zu dem Missverhältnis zwischen den Vorteilen für ihn und Aufwendungen des Schuldners beiträgt (BGH NJW 08, 3123 [BGH 18.07.2008 - V ZR 171/07] Rz 24). Derselbe Gedanke findet sich in III.
Rn 35a
Zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie wurde durch G v. 27.3.20 (BGBl 20, 569) Art 240 EGBGB eingeführt. Nach dessen § 1 I konnten Verbraucher Leistungen zur Erfüllung eines Anspruchs, der im Zusammenhang mit einem Verbrauchervertrag steht, der ein wesentliches Dauerschuldverhältnis ist und vor dem 8.3.20 geschlossen wurde, bis zum 30.6.20 verweigern, wenn die Leistung pandemiebedingt nicht möglich war, ohne den angemessenen Lebensunterhalt zu gefährden. Auch nach ihrem Auslaufen hat die Regelung noch Relevanz: Verzug und Kündigung wegen einer von ihr gedeckten Säumnis sind ausgeschlossen. Für Einzelheiten (auch zu den übrigen Regelungsgegenständen des Art 240 EGBGB) s Schmidt-Kessel/Möllnitz NJW 20, 1103.