Rn 32
Für sein finanzielles Leistungsvermögen hat der Schuldner grds immer einzustehen (BGHZ 107, 92, 102; BGHZ 150, 187, 194; BGHZ 204, 134 Rz 17 f; Medicus AcP 188 [1988] 490–510; Lorenz/Riehm Rz 177). Dies ergibt sich aus dem Prinzip der unbeschränkten Vermögenshaftung (Grüneberg/Grüneberg § 276 Rz 28). Auch der gesetzlich zu einer Geldzahlung Verpflichtete, etwa der Schadensersatz- oder Unterhaltsschuldner, haftet idR fahrlässigkeitsunabhängig (s Staud/Löwisch/Caspers [2009] § 276 Rz 169f). Der Geldschuldner kann sich also nicht nur nicht auf § 275 berufen (s §§ 244, 245 Rn 10), um einer Verurteilung zur Naturalerfüllung zu entgehen, sondern das Vertretenmüssen seiner finanziellen Leistungsunfähigkeit bewirkt va auch Verzug, sofern die anderen Voraussetzungen des Verzugs gegeben sind (s § 286 Rn 5 ff). Auch der Umstand, dass der Schuldner Sozialleistungen einer öffentlichen Stelle bezieht, entlastet ihn nicht (BGHZ 204, 134 Rz 19).
Rn 33
Die Haftung für die eigene finanzielle Leistungsfähigkeit erstreckt sich auch auf die Verpflichtung zu Nicht-Geldleistungen, etwa Lieferung von Sachen oder Herstellung eines Werkes, wenn sie den Einsatz finanzieller Ressourcen verlangen, die dem Schuldner fehlen: Eine Fluggesellschaft ist ggü ihren Passagieren nicht entlastet, wenn ihre Flugzeuge deshalb am Boden bleiben, weil sie ihre Kerosinlieferanten nicht rechtzeitig bezahlen konnte.
Rn 34
Allenfalls in Ausnahmefällen, etwa dem eines verwahrten Geldbetrages, kann Nicht-Vertretenmüssen in Betracht kommen, doch handelt es sich insoweit nicht um eine echte Geldsummenschuld, sondern eine auf Sachen (Münzen, Scheine) oder ein bestimmtes Bankguthaben gerichtete Herausgabeschuld (Lorenz/Riehm Rz 178) nach § 667 (BGHZ 143, 373, 378 [Anspruch des Fiskus nach Art 233 §§ 11 III, 12 EGBGB]; BGH NJW 03, 743, 744 f [Rückzahlung von Anzahlungen durch das Reisebüro als Verletzung des Agenturvertrags]). Bsp ist treuhänderisch zu verwahrendes Geld, welches vereinbarungsgemäß auf ein Treuhandkonto eingezahlt wird; im Falle der Insolvenz der Bank haftet der Treuhänder für den die Einlagensicherung übersteigenden Betrag nur bei Fahrlässigkeit (Schlechtriem/Schmidt-Kessel Schuldrecht AT Rz 595), die aber anzunehmen ist, wenn die Einlagensicherung auf den gesetzlichen Mindestumfang beschränkt ist (BGH NJW 06, 986 [BGH 21.12.2005 - III ZR 9/05]). Die Rspr hat den Geldschuldner außerdem in bestimmten, eng umgrenzten Ausnahmefällen für entlastet gehalten, wenn er – bei eigener Leistungsfähigkeit – Zahlungen aufgrund eines Rechtsirrtums nicht pünktlich erbracht hat (wN bei Staud/Löwisch/Caspers [2009] § 286 Rz 150–155, s Rn 11). Ebenfalls vorübergehend entlastend können fehlerhafte Rechnungen des Gläubigers wirken (BGH BB 06, 1819, 1820 Rz 11); das schließt eine Haftung für Fahrlässigkeit nicht aus (BGH BB 06, 1819, 1820 [BGH 12.07.2006 - X ZR 157/05] Rz 12 [fehlende Vergewisserung über den tatsächlichen Umfang der Schuld]). Zur Entlastung durch Gläubigerfehlverhalten generell Rn 26. S die weiteren Überlegungen bei Kähler AcP 206 [2006] 805, 828 ff.