Rn 12
Nach dem Wortlaut von § 278 S 1 ist Erfüllungsgehilfe derjenige, dessen sich der Schuldner ›zur Erfüllung seiner Verbindlichkeiten bedient‹. Die von der Rechtslehre entwickelte Definition des Erfüllungsgehilfen ist erheblich detaillierter: Erfüllungsgehilfe ist hiernach, wer mit Wissen und Wollen des Geschäftsherrn in dessen Pflichtenkreis tätig wird. Wo die Pflichten des Schuldners vor der Schadensverursachung enden – etwa mit der Vermittlung des späteren Schädigers (s.u. Rn 20) – oder erst danach einsetzen (s OLGR Stuttg 06, 233, 234 [Einsatz nur als Beteiligungs- und Abwicklungstreuhänderin schließt Zurechnung von Beratungsfehlern aus]), fehlt es an dieser Voraussetzung. So ist ein vom Anleger beauftragtes selbständiges Wertpapierdienstleistungsunternehmen nicht Erfüllungsgehilfe einer Direktbank, die ausdrücklich allein execution-only-Dienstleistungen als Discount-Brokerin anbietet (BGHZ 196, 370; BGH BKR 14, 203 Rz 15). Von dem Einsatz von Erfüllungsgehilfen ist die sog Substitution zu unterscheiden (vgl § 664 Rn 2 ff): Darf der Schuldner die Ausführung der Verpflichtung einem anderen übertragen, haftet er nur für die ordentliche Auswahl des Substituten, nicht aber für dessen Ausführung (§ 664 I 2, vgl BGH NJW 93, 1704 [BGH 17.12.1992 - III ZR 133/91]). So erfüllt ein Insolvenzverwalter seine Pflichten zur Forderungseinziehung trotz der Formulierung des § 5 InsVV (›übertragen‹) nicht schon durch Beauftragung eines Rechtsanwalts (BGH NJW-RR 16, 686 [BGH 03.03.2016 - IX ZR 119/15] Rz 17). Bei Organisationspflichten werden die organisierten Personen idR nicht zu deren Erfüllung tätig (BGH NJW 08, 145 [BGH 11.10.2007 - VII ZR 99/06] Rz 18).
Rn 13
Erforderlich ist zunächst, dass der Gehilfe zur Erfüllung einer Verbindlichkeit des Schuldners eingesetzt ist, also bereits ein Schuldverhältnis besteht, aus dem Verbindlichkeiten für den Schuldner erwachsen sind. Erforderlich ist also ein Schuldverhältnis iwS (s § 241 Rn 5) oder ein vergleichbares Rechtsverhältnis (s.o. Rn 2). Bei Krankenhausbehandlungen bereitet dies Schwierigkeiten (s.u. Rn 22). Der Schuldner muss sich des Erfüllungsgehilfen bedienen; § 278 erfasst also nur das Verhalten solcher Personen, welche bei der Erfüllung mit Willen des Schuldners mitwirken (BGHZ 13, 111; BGHZ 50, 32, 35; BGHZ 62, 119, 124; BGHZ 98, 330, 334; Huber Leistungsstörungen I 697). Ob die Hilfsperson Vertretungsmacht hat, ist unerheblich (BGH NJW-RR 13, 1255 [BGH 09.07.2013 - II ZR 9/12] Rz 37; aA Klingbeil ZfPW 20, 150 [170 f: Erfüllungsvertreter]).
Rn 14
Grds hat der Schuldner auch die Untätigkeit von Erfüllungsgehilfen nach § 278 zu vertreten: Der Schuldner setzt nämlich den Gehilfen zur Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten ein. Werden diese Pflichten nicht erfüllt, haftet der Schuldner, sofern dem kein Hindernis entgegensteht. § 278 macht gerade deutlich, dass allein die Notwendigkeit, sich eines Dritten zu bedienen, kein relevantes Hindernis ist. Die schlichte Untätigkeit des Erfüllungsgehilfen schließt daher die Haftung wegen der Verletzung derjenigen Pflichten nicht aus, für deren Erfüllung der Gehilfe vorgesehen war (BGHZ 23, 319, 323; BAG BeckRS 2015, 72639 Rz 46; Kaiser/Rieble NJW 90, 218 ff; Staud/Löwisch/Caspers [09] § 278 Rz 32; anders noch Löwisch AcP 174 [74] 202, 250–252).
Rn 15
Das BGB etabliert keine allgemeine Leutehaftung, also keine allgemeine Haftung für die Arbeitnehmer des Schuldners (Huber Leistungsstörungen I 679f). Gefordert ist vielmehr immer ein Bezug zu dessen vertraglichen Pflichten. Da § 278 keine allgemeine Leutehaftung begründet, kommt es für die von der Vorschrift erfassten Personen auch nicht darauf an, ob sie weisungsgebunden (BGH NJW 96, 451 [BGH 24.11.1995 - V ZR 40/94]) oder sonst der Kontrolle des Schuldners unterworfen (BGH NJW 93, 1704, 1705 [BGH 17.12.1992 - III ZR 133/91]) sind. Bei einem kombinierten Miet- und Dienstverschaffungsvertrag können im Blick auf § 254 II 2 sogar Arbeitnehmer des Schuldners als Erfüllungsgehilfen des Gläubigers eingeordnet werden (Frankf VersR 06, 83, 85 [Miete eines Krans + Überlassung des – in casu geeigneten – Bedienpersonals]). Für das Transport- und Speditionsgeschäft begründen die §§ 428 1, 462 1, 501 HGB hingegen ausnahmsweise eine Leutehaftung, welche jedoch kaum zu praktischen Unterschieden führt, soweit durch das Erfordernis des Handelns in Ausübung der Verrichtungen jedenfalls für §§ 428 1, 462 1 HGB sichergestellt ist, dass ein hinreichend enger Zusammenhang zu dem betroffenen Vertrag besteht (MüKo/Herber/Hamm § 428 Rz 6 sowie MüKo/Bydlinski § 461 Rz 3 stellen aber nur geringe Anforderungen an dieses Merkmal). § 501 HGB fordert hingegen tatbestandlich kein Handeln in Ausübung der Verrichtung (s Rn 19).
Rn 16
Ob der Gehilfe ein abhängiger Arbeitnehmer oder ein unabhängiger Dritter, zB ein Subunternehmer ist, spielt keine Rolle (BGH NJW 93, 1704, 1705; Frankf VersR 06, 83, 85). Der Bauunternehmer haftet für Mängel des Bauwerks unabhängig davon, ob sie seine Leute oder ein beigezogener Nachun...