Rn 57
Wegen der nach § 280 II, III zusätzlich erforderlichen Voraussetzungen, wird die richtige Qualifikation des Schadens zur zentralen systematischen Frage der §§ 280 ff. In einer Reihe von Fällen bestehen hier erhebliche Unsicherheiten, die freilich überwiegend von der unreflektierten Fortschreibung alter Texte herrühren.
I. Mangelfolge- oder Begleitschäden.
Rn 58
Aus dem alten Recht – ohne Not – übernommen ist der Begriff des Mangelfolgeschadens, auch Begleitschaden. Die Begrifflichkeit sollte unter dem neuen Recht nicht weiter verwandt werden (Jauernig/Stadler § 280 Rz 12; Grigoleit/Riehm AcP 203 [2003] 727, 732; Schubel JuS 02, 313, 319). Als Mangelfolgeschaden wird nach herkömmlicher Auffassung der vom Mangelschaden abzugrenzende Schaden an anderen Rechtsgütern des Gläubigers einer mangelhaften Leistung bezeichnet (Grüneberg/Grüneberg § 280 Rz 18). Bsp sind etwa ein durch einen Mangel der Elektroinstallationen eines Neubaus ausgelöster Brand oder eine Haftungsbelastung des Käufers einer mangelhaften Maschine zur Herstellung von Papiertüchern ggü seinen Kunden, die ihn wegen Rostflecken in den Papiertüchern, die durch den Mangel verursacht worden sind, in Anspruch genommen haben.
Rn 59
Schäden dieser Art werden nach verbreiteter Auffassung nicht von §§ 280 III, 281 ff erfasst, sondern nur auf der Basis von § 280 I abgerechnet (Jauernig/Stadler § 280 Rz 4; Grüneberg/Grüneberg § 280 Rz 18). Wird der Vertrag ohnehin insgesamt ›liquidiert‹, sei es, dass der Gläubiger vom Vertrag zurücktritt und Schadensersatz oder nach § 281 I Schadensersatz statt der Leistung verlangt, dann gehen die Mangelfolge- oder Begleitschäden wohl auch nach hA im Schadensersatzanspruch statt der Leistung auf (vgl Jauernig/Stadler § 280 Rz 12). An dieser Lösung ist zutr, dass insoweit eine Nachfristsetzung für die Ersatzfähigkeit des Schadens vielfach nicht erforderlich ist. Allerdings lässt sich dieses Ergebnis auch durch die Anwendung von § 283 S 1 erreichen, weil die Beseitigung des Schadens im Wege der (Nach-)Erfüllung nicht möglich ist. Auf die Frage der Qualifikation kommt es daher im Ergebnis regelmäßig überhaupt nicht an. Eine Ausnahme davon ist jedenfalls dort denkbar, wo es bei der erbrachten Leistung gerade um Eingriffe in weitere Rechtsgüter des Gläubigers geht: So stellt sich im Falle einer – auf einem Mangel des verwandten Mittels beruhenden – fehlerhaften Haarfärbung durch einen Friseur (§ 633 II Rn 13 ff) durchaus die Frage einer Nachbesserung, die dann nach den allgemeinen Regeln insbes zur Entbehrlichkeit der Fristsetzung zu beantworten ist. Das kann sogar für einen nach § 253 II ersatzfähigen, immateriellen Schaden gelten. Die Kategorie des Mangelfolgeschadens ist daher nicht mehr als ein starkes Indiz für die Entbehrlichkeit der Fristsetzung.
II. Schäden aus Schutzpflichtverletzungen?
Rn 60
Für die Verletzung von Schutzpflichten wird vielfach die Auffassung vertreten, auf diese seien §§ 281, 283 generell nicht anwendbar; es komme lediglich § 282 zur Anwendung (s Saarbr NJW 07, 3503, 3505 [OLG Saarbrücken 25.07.2007 - 1 U 467/06]; Jauernig/Stadler § 281 Rz 4). Das ist in dieser Allgemeinheit freilich unzutreffend. Zwar wird bei der Verletzung von Schutzpflichten häufig keine Setzung einer Nachfrist respective keine Abmahnung erforderlich sein, jedoch liegt dies nicht daran, dass insoweit keine Leistung und mithin auch kein Anspruch auf Erfüllung in Natur in Betracht käme (s § 241 Rn 24). § 618 ist auch hier ein treffendes Gegenbeispiel. Entbehrlich ist die Nachfristsetzung vielmehr regelmäßig deshalb, weil die Erfüllung der verletzten Schutzpflicht im Blick auf den bereits eingetretenen Schaden gar nicht mehr möglich ist, § 283 I. Somit ist auch bei den Schutzpflichtverletzungen die genaue Qualifikation des Schadens im Ergebnis häufig entbehrlich. Wie das Bsp von § 618 zeigt, ergibt sich daraus freilich keine generelle Unanwendbarkeit der §§ 281, 283 auf Schutzpflichtverletzungen, vielmehr taugt diese These nur als ›Daumenregel‹ für den Regelfall.
III. Fehlen von Sonderregeln zur Mangelhaftigkeit der Leistung.
Rn 61
§§ 280 III, 281–283 gelten auch für den Fall, dass eine Leistung unter einem Vertrag oder sonstigen Schuldverhältnis nicht wie geschuldet erbracht wird, für das es an einer besonderen gesetzlichen Regelung zur Schlechterfüllung fehlt (aA Grüneberg/Grüneberg § 280 Rz 16; Jauernig/Stadler § 280 Rz 11). Nicht Wortlaut, nicht Zweck, nicht Entstehungsgeschichte und nicht das System erfordern diese Beschränkung; vielmehr widerspricht die Gegenauffassung der §§ 280 ff zugrunde liegenden Idee einer von Vertrags- und Störungstyp unabhängigen allgemeinen Regel. Entscheidend ist allein die Qualifikation des Schadens und damit die Frage, ob ein Erfüllungsanspruch auf Beseitigung des Leistungsdefizits besteht.
Rn 62
In der Sache geht es va um die von den §§ 611 ff, 662 ff, 675, 677 ff, 688 ff, 705 ff geregelten Rechtsverhältnisse. Für bereits eingetretene Schäden aus ärztlichen Kunstfehlern oder Falschberatungen (s BGHZ 124, 128, 138) wird es für die Ersatzfähigkeit vielfach schon mangels Nachholbarkeit (s § 283 sowie § 281 Rn 15) keiner Fristsetzung mehr bedürfe...