Rn 3
Erforderlich ist die Verwirklichung des Tatbestands von § 280 I. Der Schuldner muss dabei eine Pflicht iSv § 241 II verletzt haben. Die Abgrenzung solcher Schutzpflichten von Pflichten, welche den Kern des Schuldverhältnisses bilden, ist vielfach schwierig (s § 241 Rn 14, 15), kann aber für den Zivilprozess im Regelfalle offenbleiben (vgl Grüneberg/Grüneberg § 282 Rz 2). Bsp sind etwa der Versuch, Arbeitnehmer des anderen Teils zu illoyalem Verhalten zu bewegen (RGZ 149, 187, 189) oder die Beleidigung oder schwere Kränkung der anderen Partei (RGZ 140, 378, 385; BGH LM § 276 (Hd) Nr 1). Verstöße gegen Pflichten zur Leistungstreue fallen hingegen idR nicht unter § 282 (Jauernig/Stadler § 282 Rz 4; aA Lorenz/Riehm Rz 361 und offenbar BAG NZBau 07, 775, 778 ff [BAG 14.08.2007 - 9 AZR 167/07] Rz 43 ff), weil sie typischerweise keine sonstigen Rechtsgüter betreffen. Auch die Verletzung leistungsbezogener Nebenpflichten soll nicht in den Anwendungsbereich fallen (vgl BGH NJW 10, 2503 [BGH 10.03.2010 - VIII ZR 182/08] Rz 18 zu § 324).
Rn 4
Nach dem Wortlaut von § 282 ist der Anwendungsbereich auf Schutzpflichtverletzungen vor Erfüllung der sonstigen Pflichten aus dem Schuldverhältnis beschränkt (Jauernig/Stadler § 282 Rz 4). Seinem Zweck nach ist er freilich auch auf nachträgliche Pflichtverletzungen anzuwenden (iE ebenso Knocke/Höller ZGS 03, 26 ff [Analogie]). Allerdings steigen dann die Anforderungen an die Unzumutbarkeit, weil die mit dem Schadensersatz ggf verbundene Rückabwicklung ein gesteigertes Maß an Störung voraussetzt. Bei Dauerschuldverhältnissen führt § 282 in aller Regel nur zur Beendigung ex nunc iRd Schadensersatzes statt der ganzen Leistung und wirkt damit wie eine Kündigung zuzüglich Schadensersatz (s § 281 Rn 31).
Rn 5
Vorausgesetzt ist ferner die Unzumutbarkeit der weiteren Bindung für den Gläubiger. Das Merkmal hat die Doppelfunktion, sowohl den Übergang zum Schadensersatz als auch das Ausgreifen auf die nicht von der Pflichtverletzung betroffenen Teile des Schuldverhältnisses zu steuern. Sein Vorliegen ist dementspr gesondert festzustellen (Jauernig/Stadler § 282 Rz 5). Unzumutbarkeit ist nicht schon dadurch gegeben, dass eine Kaufsache im Zuge von Nacherfüllungsbemühungen beschädigt wird (Saarbr NJW 07, 3503, 3505 [OLG Saarbrücken 25.07.2007 - 1 U 467/06]). Grds ist wegen dieses Kriteriums eine Abmahnung nicht erforderlich. Bei Pflichtverletzungen von geringerem Gewicht kann sich deren Notwendigkeit freilich entspr § 281 III (ein Rückgriff auf eine Analogie zu § 314 II ist entbehrlich) ergeben (vgl BGH DB 68, 1575). Bei der Feststellung der Unzumutbarkeit bedarf es zudem einer Orientierung an den Kriterien von § 281 I 2 u 3, um den Schadensersatz statt der ganzen Leistung zu rechtfertigen (anders Jauernig/Stadler § 282 Rz 7, die freilich offenbar nicht davon ausgeht, dass es sich bei § 282 immer um einen Schadensersatz statt der ganzen Leistung handelt). Ist der Gläubiger wirksam vom Vertrag zurückgetreten oder hat er diesen wirksam außerordentlich gekündigt (§§ 314 II, 323, 324), kommt es auf die Unzumutbarkeit nicht an (s § 325; § 281 Rn 35).