Gesetzestext
An Stelle des Schadensersatzes statt der Leistung kann der Gläubiger Ersatz der Aufwendungen verlangen, die er im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung gemacht hat und billigerweise machen durfte, es sei denn, deren Zweck wäre auch ohne die Pflichtverletzung des Schuldners nicht erreicht worden.
A. Allgemeines.
Rn 1
Mit § 284 versucht das Gesetz, das viel diskutierte Problem der frustrierten Aufwendungen zu lösen: Im Vertrauen auf den Erhalt einer Leistung, die der Schuldner unter Verletzung seiner Pflichten nicht – oder nicht rechtzeitig – erbringt, kann der Gläubiger Aufwendungen gemacht haben, die sich aufgrund der Pflichtverletzung als nutzlos erweisen. Zumeist handelt es sich um Aufwendungen in Hinblick auf vertraglich vereinbarte Leistungen, aber auch gesetzlich geschuldete Leistungen können Anlass für den Gläubiger sein, in Erwartung ihrer pflichtgemäßen Erbringung Aufwendungen zu machen. Das maßgebliche Instrument des alten Schuldrechts hierzu ist die sog Rentabilitätsvermutung (s § 251 Rn 19), die jedoch nur eingreift, wenn von einer möglichen Rentabilität überhaupt die Rede sein kann, der verfolgte Zweck also ein wirtschaftlicher ist; für immaterielle Zwecke ist die Rentabilitätsvermutung ungeeignet (s BGHZ 99, 182 [Bruch des Mietvertrags über eine Stadthalle mit einer rechtsextremistischen Partei durch die Gemeinde; keine Ersatzfähigkeit des Vorbereitungsaufwands für die abgesagte Veranstaltung]). Zu den erfassten Zwecken s Rn 8.
Rn 2
Nach § 284 können Aufwendungen unabhängig davon, dass sie nicht durch eine Pflichtverletzung des Schuldners verursacht worden sind – der Gläubiger hat sie freiwillig und oft schon vor der Pflichtverletzung unternommen – und ob sie einen nach der Differenzhypothese nachweisbaren Schaden darstellen, ersetzt verlangt werden. Bsp solcher Aufwendungen sind etwa Vertragskosten (s Dehner NJW 02, 3747 [Maklerkosten]) oder Kosten der Finanzierung der Gegenleistung (s BGHZ 114, 193, 197), Abschluss von Verträgen mit Vorlieferanten und Subunternehmern in Hinblick auf einen Werkvertrag, Anmietung von Lagerraum für bestellte Ware oder eines Liegeplatzes für ein gekauftes Schiff, die Kosten der Inempfangnahme der Leistung (LG Lüneburg NJW 02, 614 [LG Lüneburg 11.08.2000 - 8 S 41/00] [Reise- und Übernachtungskosten bei Konzertbesuch]; Hauck/Stephan JuS 12, 585, 586 [verschobenes Fußballspiel]), Herrichten vermieteter Räume oder eines verpachteten Geländes, Werbeausgaben für ein neues Produkt, das wegen Mängeln eines von einem Zulieferer bezogenen Grundstoffs vom Markt genommen werden muss. Zu den ersatzfähigen Aufwendungen zählt unter den Voraussetzungen der § 1877 III respektive § 354 HGB auch die eigene Arbeitskraft (Jauernig/Stadler § 284 Rz 4). Für diese Fälle begründet § 284 eine zusätzliche Möglichkeit des Geschädigten, seinen Schaden zu berechnen. § 284 ist dementspr keine Anspruchsgrundlage (aA BGH NJW 05, 2848, 2850 [BGH 20.07.2005 - VIII ZR 275/04]; Jauernig/Stadler § 284 Rz 1); auch deshalb unterfällt die Vorschrift auch § 476 III (§ 476 Rn 11; MüKo/Lorenz § 475 (aF) Rz 14). § 254 findet unmittelbare Anwendung (Grüneberg/Grüneberg § 284 Rz 6; aA Jauernig/Stadler § 284 Rz 8 [analoge Anwendung]). Das gilt auch für den Fall anderweitiger Nutzbarkeit der Aufwendungen (Fischinger/Wabnitz ZGS 07, 139, 140 [für Anwendung des Rechtsgedankens]). Bestehen die Aufwendungen in eingegangenen Verpflichtungen, dann kann der Gläubiger auch Freistellung von seinen Verbindlichkeiten verlangen, § 257 S 1. Als reine Schadensberechnungsregel richtet sich das Verhältnis zu anderen Rechtsbehelfen und insbes zum Rücktrittsrecht nach allgemeinen Regeln also va § 325 (s Fischinger/Wabnitz ZGS 07, 139, 140 sowie § 280 Rn 44); dementspr können Ansprüche aus § 284 und § 347 II einander überlappen (BGHZ 163, 381, 385; BGH NJW 07, 674, 677).
Rn 3
§ 284 ist in grds gleichem Maße dispositiv wie §§ 280–283. Auf den Ausschluss in AGB findet § 309 Nr 8b und 12 sowie richtigerweise auch § 309 Nr 7b Anwendung (wie hier Fischinger/Wabnitz ZGS 07, 139, 144; Staud/Otto § 284 Rz 14; gegen eine Anwendung von § 309 Nr 7b va aus rechtspolitischen Gründen MüKo/Ernst § 284 Rz 42).
B. Anwendungsbereich.
Rn 4
Die Vorschrift erfasst wie § 280 sämtliche bereits bestehenden Schuldverhältnisse; für das Deliktsrecht gilt sie nicht. Der Eingangshalbsatz verweist auf die Voraussetzungen des Schadensersatzes statt der Leistung. Die einzelnen Voraussetzungen des Schadensersatzes statt der Leistung, va Vertretenmüssen der Pflichtverletzung und regelmäßig Fristsetzung, müssen also vorliegen (zum Entfall des Fristsetzungserfordernisses bei Verbrauchsgüterkäufen gem 475d II sowie bei Verbraucherverträgen über die Bereitstellung digitaler Produkte gem § 327c II 2 und § 327m III 1, s § 281 Rn 2 und 5). Dh außerdem, dass die Schadensberechnungsmöglichkeit nach § 284 nur besteht, soweit der Gläubiger grds auch einen Erfüllungsanspruch hinsichtlich der verletzten Pflicht hat. Das bedeutet auch, dass ggf Schutzpflichtverletzungen die Möglichkeit des Ersatzes frustrierter Aufwendun...