Rn 3
Erforderlich ist zunächst ein Leistungshindernis nach § 275 (BGH BeckRS 11, 22879 Rz 20). Bei § 275 II oder III ist zusätzlich Voraussetzung, dass der Schuldner seine Einrede geltend macht. Zu §§ 439 IV, 635 III s Rn 2. Im Rahmen der Drittschadensliquidation begründet § 285 analog (außer im Anwendungsbereich von § 421 HGB [Versendungskauf]) oder doppelt analog (§ 644) den Anspruch auf Abtretung. Es kommt nicht darauf an, ob der Schuldner die Pflichtverletzung zu vertreten hat (arg § 285 II).
Rn 4
Der Schuldner muss außerdem ein stellvertretendes commodum, also einen Ersatz oder Ersatzanspruch, erwerben. Erfasst ist jeder Vermögensvorteil, der an die Stelle der nach § 275 nicht mehr in Natur durchsetzbaren Leistung tritt. Es genügt ein Surrogat im wirtschaftlichen Sinne. Ein stellvertretendes commodum iSv § 285 kann etwa eine Versicherungsleistung oder ein Anspruch gegen eine Versicherung sein (BGHZ 99, 385, 388 f; 114, 34 ff; 129, 103, 106), aber auch ein Schadensersatzanspruch gegen einen Dritten, der den Untergang des Leistungsgegenstandes verursacht hat. Weitere Fälle sind Entschädigungen wegen Enteignung oder nach dem VermG (BGH LM § 281 aF Nr 12) sowie der Versteigerungsübererlös in der Zwangsvollstreckung (BGH WM 87, 986, 988). Dem Schuldner zustehende Herausgabeansprüche sind hingegen idR kein commodum, weil sie bereits die Unmöglichkeit iSv § 275 I ausschließen (BGH BeckRS 11, 22879 Rz 20 ff; § 275 Rn 9, 13).
Rn 5
Str war bereits zu § 281 aF, ob auch ein Surrogat, das der Schuldner durch rechtsgeschäftliche Verfügung über den Leistungsgegenstand – den er deshalb nicht mehr leisten kann – erlangt hat, als stellvertretendes commodum herausgeben muss (insbes den vereinnahmten oder ausstehenden Kaufpreis). Die Verfasser des BGB haben aufgrund römischrechtlicher Vorbilder nur das sog commodum ex re, nicht auch das commodum ex negotiatione (das rechtsgeschäftlich erworbene Surrogat) gemeint; die Verfasser des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes haben diese Frage nicht geklärt, doch ist sie heute wohl anders zu entscheiden (Staud/Löwisch/Caspers § 285 Rz 37; s zu § 281 aF Köndgen RabelsZ 56 [1992] 696, 738 ff [zwischen schuldhafter und schuldloser Unmöglichkeit der Naturalerfüllung unterscheidend]). Neuerdings wird allerdings in der Literatur die Frage diskutiert, ob § 285 insbes in diesen Fällen auf den beim Gläubiger entstandenen Schaden zu begrenzen sei (dafür etwa Staud/Löwisch/Caspers § 285 Rz 41; Stoll FS Schlechtriem 677, 694f).
Rn 6
§ 285 erfasst auch Ersatzeinkünfte bei persönlicher Unzumutbarkeit der Leistungserbringung für den Schuldner, § 275 III (s Löwisch NJW 03, 2049–2053). Damit muss insbes der Arbeitnehmer, der seine Leistung nach § 275 III verweigern kann, einen parallel dazu anderweitig erzielten Verdienst an den Arbeitgeber abführen, wenn ihm diese Verdienstmöglichkeit respective die dazu erforderliche Kapazität erst durch die Unzumutbarkeit eröffnet worden ist (Schlechtriem/Schmidt-Kessel Schuldrecht AT Rz 492).
Rn 7
Der weiter erforderliche Kausalzusammenhang zwischen Leistungshindernis und Ersatzerlangung wird großzügig gehandhabt – wirtschaftlich zusammengehöriges gilt als Einheit (s BGH LM § 281 aF Nr 1); das gilt insbes für das commodum ex negotiatione (s Rn 5). Damit verwandt ist das Erfordernis der Qualifikation des Erlangten als Ersatz, das sog Identitätserfordernis. Daran fehlt es etwa, wenn die weitere Durchführung eines Miet- oder Pachtvertrags daran scheitert, dass die Miet- oder Pachtsache nicht mehr zur Verfügung steht, im Blick auf die vom Vermieter-/Verpächter dafür erlangte Enteignungsentschädigung (s BGHZ 25, 1, 10) und die bei Doppelvermietung aus dem zweiten Verhältnis erzielte Miete (BGH NJW 06, 2323; krit Wackerbarth ZGS 06, 369–371). Der unter Verstoß gegen ein Wettbewerbsverbot erzielte Vergütungsanspruch ist mangels Identität mit der Pflicht aus dem Wettbewerbsverbot kein commodum (BAG NZA 13, 207 [BAG 17.10.2012 - 10 AZR 809/11] Rz 30).