Rn 17
Eine Mahnung ist unter den in Abs 2 genannten Voraussetzungen entbehrlich. Bei der verspäteten Bereitstellung digitaler Produkte ggü Verbrauchern ist eine Mahnung zudem in den § 327c III 1 genannten Fällen entbehrlich (§ 327c III 2). Nach § 286 II Nr 1 ist eine Mahnung entbehrlich, wenn für die Leistung ein kalendermäßig festgesetztes Datum bestimmt ist (›dies interpellat pro homine‹). Dazu muss ein Kalendertag wenigstens mittelbar bezeichnet sein (BGH NJW 92, 1628, 1629 [BGH 19.11.1991 - X ZR 28/90]). Beim Anspruch der anhängigen GmbH auf Verlustausgleich gegen die Obergesellschaft genügt dafür nicht schon die am Bilanzstichtag eintretende Fälligkeit (BGH NZG 15, 912 [BGH 16.06.2015 - II ZR 384/13] Rz 24). Die Bestimmung des Kalendertags kann auch nachträglich durch einvernehmliche Festlegung (BGHZ 149, 283, 288) oder durch Ausübung eines einseitigen Bestimmungsrechts (BGHZ 110, 74, 76) geschehen. Eine unbillige Bestimmung der Leistungszeit ist nach § 315 III 2 unwirksam und kann den Verzug daher nicht herbeiführen (BGH NJW 06, 3271), jedoch kann in der unbilligen Bestimmung eine wirksame Mahnung zu sehen sein (BGH NJW 06, 3271 Rz 10). Die einseitige Festlegung einer Leistungszeit durch den Gläubiger reicht, sofern dieser nicht nach § 315 zur Bestimmung der Leistung berechtigt ist, für § 286 II Nr 1 nicht aus (BGH NJW 06, 3271 [BGH 12.07.2006 - X ZR 157/05]; 08, 50 [BGH 25.10.2007 - III ZR 91/07]; BeckRS 16, 15085 [einseitiges Recht zur Bestimmung der Leistungszeit durch Grundversorger gem. § 17 Abs 1 S 1 StromGVV]). Einseitig zur Bestimmung des Leistungstermins ist der Gläubiger auch dann berechtigt, soweit diese im Rahmen von Fristverlängerungen aus Kulanz erfolgt (vgl BGH NJW-RR 12, 596 [BGH 08.03.2012 - VII ZR 118/10] Rz 16f). Auch § 7 IV BUrlG enthält keine hinreichende Bestimmung (BAG NJW 12, 3529 [BAG 07.08.2012 - 9 AZR 353/10] Rz 45; BAG AP TVöD § 26 Nr 5 Rz 16). Fordert der Gläubiger mehr als ihm zusteht, kann dies den Verzugseintritt infrage stellen; es gelangen dann die bei der Zuvielmahnung entwickelten Regeln (s Rn 14) zur Anwendung (BGH NJW 06, 3271 [BGH 12.07.2006 - X ZR 157/05]).
Rn 18
Entbehrlich ist die Mahnung ferner dann, wenn eine kalendermäßige Berechnung des Termins deshalb möglich ist, weil der Leistung ein Ereignis wie Kündigung, Leistungsabruf, Rechnung (BGH NJW 07, 1581, 1582), Beginn von Bauarbeiten, Aufhebung eines Vertrages, notarielle Beurkundung (vgl BGH LM § 284 Nr 46), notarielle Fälligkeitsmitteilung beim Grundstückskauf oder Kauf vom Bauträger (Saarbr OLGR Saarbrücken 06, 705; Bambring DNotZ 01, 590, 611; Hertel DNotZ 01, 910, 914) usw vorauszugehen hat und eine Frist ab diesem Ereignis zu laufen beginnt (§ 286 II Nr 2). Bsp sind ›20 Tage nach Lieferung‹ oder ›10 Tage ab Abnahme‹. Die vereinbarte Frist muss nach dem Wortlaut der Vorschrift freilich angemessen sein, sonst läuft eine angemessene Frist, was freilich eine sichere Bestimmung des Verzugseintritts nicht ermöglicht. Für den Lauf der Frist gelten §§ 186–193 (BGH NJW 07, 1581, 1582). Für Verbraucherverträge tritt § 286 II Nr 2 in ein Spannungsverhältnis zu § 309 Nr 4 (s § 309 Rn 23). Die Vereinbarung von Fristen, welche für ihren Beginn an ein aus dem Vertrag nicht ersichtlichen Verhältnis anknüpfen, stellt den Unternehmer nämlich von der Obliegenheit frei, den Verbraucher zu mahnen (U/B/H/Hensen § 309 Nr 4 Rz 5). Im Blick auf § 310 III verbleibt § 286 II Nr 2 bei Verbraucherverträgen damit praktisch kein Anwendungsbereich. Das ist richtlinienkonform. Ausgeschlossen ist damit auch der Verzugseintritt mit Ablauf einer angemessenen Frist nach notarieller Fälligkeitsvereinbarung beim Grundstückskauf oder Kauf vom Bauträger durch Verbraucher (Grziwotz DB 05, 2064, 2065f).
Rn 19
Ob auch eine sog Nullfrist (etwa ›Zahlung bei Lieferung‹) ausreicht, ist umstr. Jedenfalls im Anwendungsbereich der Zahlungsverzugsrichtlinie wird man nicht umhinkönnen, hier großzügig zu verfahren. Richtigerweise genügt nach dem Zweck von Art 3 III lit. a RL 2011/7/EU bereits die Bestimmbarkeit des Termins für den Verzugseintritt ohne Mahnung (Gebauer/Wiedmann/Schmidt-Kessel Verzug Rz 19; Jauernig/Stadler § 286 Rz 28; aA Staud/Löwisch/Feldmann [2009] § 286 Rz 82f), so dass entweder § 286 II Nr 2 richtlinienkonform ausgelegt werden muss oder eine Lösung über die Generalklausel des § 286 II Nr 4 (s Rn 23) anzustreben ist.
Rn 20
Als Mahnungssurrogat gilt auch der in § 286 II Nr 3 geregelte Fall einer ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung. Die Endgültigkeit muss sich nur auf eine hinreichende Sicherheit beziehen, dass der Schuldner nicht rechtzeitig leisten wird. Die Vorschrift ist damit weiter auszulegen als §§ 281 II Alt 1, 323 II Nr 1 (fehlerhaft daher BAG AP BUrlG § 7 Nr 57 Rz 44 [Übernahme von Wertungen zu § 323 II]) und erfasst auch den Fall der angekündigten Leistungsverspätung. So genügt etwa die grundlose Einstellung jeder Unterhaltsleistung (Schlesw FamRZ 85, 735). Auch eine Erfüllungsverweigerung vor Fälligkeit führt zur Ent...