Gesetzestext
1Der Schuldner hat während des Verzugs jede Fahrlässigkeit zu vertreten. 2Er haftet wegen der Leistung auch für Zufall, es sei denn, dass der Schaden auch bei rechtzeitiger Leistung eingetreten sein würde.
A. Allgemeines.
Rn 1
§ 287 ist keine eigenständige Anspruchsgrundlage, sondern legt lediglich bestimmte Standards für die Haftung des sich im Verzug befindenden Schuldners fest. Die Vorschrift trägt der Tatsache Rechnung, dass sich bei rechtzeitiger Leistung die in der Sphäre des (nunmehr säumigen) Schuldners bestehenden Gefahren nicht mehr auf die Leistung ausgewirkt hätten (s BTDrs 14/6040, 148) und verlagert aus diesem Grunde Risiken auf seine Seite. Der Regelungsgehalt der Vorschrift beinhaltet zum einen die Haftung des säumigen Schuldners für jede Fahrlässigkeit (1) und zum anderen für Zufall (2).
B. Erweiterte Verantwortlichkeit nach S 1.
Rn 2
Mit der in 1 der Vorschrift statuierten Haftungsverschärfung wird klargestellt, dass der säumige Schuldner trotz einer eigentlich einschlägigen Haftungserleichterung (etwa nach §§ 521, 690; zu weiteren Fällen s etwa § 277 Rn 1) für jede Fahrlässigkeit einzustehen hat. Hierdurch wird er – ebenso wie nach § 300 I ein sich im Verzug befindender Gläubiger – vom Gesetzgeber für seine Säumnis sanktioniert (s.o. Rn 1). Dies gilt grds auch, wenn eine nach AGB grds zulässige (vgl § 309 Nr 7b, Nr 8) vertragliche Beschränkung der Haftung auf grobe Fahrlässigkeit eingreifen würde; allerdings kann eine solche – § 287 ist dispositiv – dahingehend auszulegen sein, dass auch S 1 abbedungen sein soll (NK/Schulte-Nölke § 287 Rz 2). Mit Blick auf die in S 2 normierte verschuldensunabhängige Haftung des Schuldners ›wegen der Leistung‹, ist S 1 allerdings nur dann von praktischer Relevanz, wenn es um Pflichtverletzungen geht, die nicht selbst zum Untergang bzw zu einer Verschlechterung des Leistungsgegenstandes führen, dh im Falle der bloßen Verzögerung und im Falle sonstiger Pflichtverletzungen nach § 241 II (Jauernig/Stadler § 287 Rz 1). S 1 ist nicht auf die Fälle beschränkt, in denen der Schuldner etwas Bestimmtes herauszugeben hat, sondern gilt etwa auch für Dienstleistungspflichten (BTDrs 14/6040, 148) oder Unterhaltsansprüche (s Rn 3).
C. Haftung für Zufall nach S 2.
Rn 3
Ein Zufall iSv S 2 liegt vor, wenn das jeweilige Ereignis weder vom Schuldner noch vom Gläubiger zu vertreten ist (s § 276 Rn 38; Hirsch Jura 03, 42, 45); auch höhere Gewalt ist Zufall (Knütel NJW 93, 900; vgl § 276 Rn 35 f), soweit sie oder ihre Folgen für den Schuldner unvermeidbar sind. Die selbständige Bedeutung von S 2 ist indes beschränkt. Stellt sich nämlich die Verhinderung der Leistungserbringung als adäquate Folge der Pflichtverletzung dar, so haftet der Schuldner unmittelbar aus § 280, ohne dass es auf ein weiteres Vertretenmüssen ankäme: Der Eintritt des Leistungshindernisses wird dann zur haftungsausfüllenden Kausalität gezählt, für die ein Vertretenmüssen keine Rolle spielt (s Jauernig/Stadler § 287 Rz 2; jedoch geht es insoweit nach neuem Recht nicht [mehr] um einen Verzögerungsschaden, sondern um einen Schadensersatz statt der Leistung, s § 280 Rn 32). Damit kommt S 2 nur dann eigenständige Bedeutung zu, wenn kein adäquater Kausalzusammenhang zwischen Verzug und Leistungshindernis besteht (NK/Schulte-Nölke § 287 Rz 4), etwa wenn ein Arbeitgeber mit der Pflicht zur Gewährung von Urlaub und der ersatzweisen Abgeltung im Verzug ist und der Arbeitnehmer während des Verzugs stirbt (BAG AP Nr 57 zu § 7 BUrlG Abgeltung; BAG AP Nr 71 zu § 7 BUrlG Abgeltung; BAG NZA 06, 439, 441 Rz 36; krit: Hohmeister BB 97, 1901, 1902) oder insolvent wird (BAG NZA 07, 696, 698 [BAG 21.11.2006 - 9 AZR 97/06]).
Rn 4
In allen diesen Fällen begründet § 287 S 2 allerdings für alle Umstände, die eine Pflichtverletzung nach sich ziehen, ein von Fahrlässigkeit unabhängiges Vertretenmüssen, und zwar auch dann, wenn der Leistungsgegenstand beschädigt wurde (BTDrs 14/6040, 148) oder wenn das Leistungshindernis sich nur auf einen Leistungsteil bezieht (Grüneberg/Grüneberg § 287 Rz 3); vorübergehende Hindernisse sind ebenfalls umfasst (BGH LM § 286 Nr 3 [zeitweilig gesetzte Zahlungsverbote]). Auf Pflichten aus § 241 II findet S 2 zumeist keine Anwendung (BTDrs 14/6040, 148), hier verbleibt es vielmehr bei der verschuldensabhängigen Haftung des Schuldners (s.o. Rn 2); eine Anwendung kommt jedoch in Betracht, wo sich der Verzug auf die Pflicht nach § 241 II selbst bezieht.
Rn 5
Die Zufallshaftung des säumigen Schuldners wird nach S 2 Hs 2 ausgeschlossen, wenn der Schaden bei hypothetischer Betrachtung auch bei rechtzeitiger Leistung eingetreten wäre: Das zurückzugebende Kfz, mit dessen Rückgabe der Mieter in Verzug war, ist durch einen Hagelschlag schwer beschädigt worden; die gleiche Beschädigung wäre allerdings auch bei rechtzeitiger Rückgabe an den Vermieter geschehen, weil dort der Wagen ebenfalls unter freiem Himmel abgestellt worden wäre (Schlechtriem/Schmidt-Kessel Schuldrecht AT Rz 601). Es kommt nicht darauf an, ob dasselbe oder ein anderes Ereignis zum Schaden geführt hätte (Grüneberg/Grüneberg § 287 Rz 4). Das V...