Prof. Dr. Brigitta Zöchling-Jud
Gesetzestext
1Ist für die von dem Gläubiger vorzunehmende Handlung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt, so bedarf es des Angebots nur, wenn der Gläubiger die Handlung rechtzeitig vornimmt. 2Das Gleiche gilt, wenn der Handlung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Handlung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt.
Rn 1
Parallel zur Vorschrift des § 286 II gerät der Gläubiger dann ohne weiteres in Annahmeverzug, wenn seine erforderliche Mitwirkungshandlung nach dem Kalender bestimmt oder bestimmbar ist (HP/Lorenz § 296 Rz 1; Soergel/Schubel § 296 Rz 1 f; MüKoBGB/Ernst § 296 Rz 1). In diesen Fällen kann der Gläubiger auch ohne Anzeige erkennen, dass der Schuldner die Leistung nicht selbstständig erbringen kann (›Dies interpellat pro homine‹). Es bedarf also weder eines tatsächlichen noch eines wörtlichen Angebotes des Schuldners, § 296 ergänzt insofern § 295 S 1 Fall 2. Der Gläubiger kommt nach Ablauf des festgelegten Zeitpunktes ohne weiteres in Annahmeverzug (BGH WM 95, 439 [BGH 16.12.1994 - V ZR 114/93]), sofern die allg Voraussetzungen des Annahmeverzugs vorliegen (MüKoBGB/Ernst § 296 Rz 3). Nimmt der Gläubiger die erforderliche Mitwirkungshandlung nachträglich vor, so erlischt der Annahmeverzug mit Wirkung ex nunc, wenn die Leistung des Schuldners trotz der Säumnis noch möglich ist (Soergel/Schubel § 296 Rz 2; RGRK/Alff § 296 Rz 1; MüKoBGB/Ernst § 296 Rz 4).
Rn 2
Das Angebot des Schuldners ist va dann entbehrlich, wenn eine kalendermäßig fixierte Holschuld vereinbart wurde (BGH NJW-RR 91, 268 [OLG Frankfurt am Main 19.11.1990 - 20 REMiet 3/90]; BAG NZA 99, 925 [BAG 19.01.1999 - 9 AZR 679/97]). Auch wenn der Schuldner die Leistung nur innerhalb eines bestimmten Zeitraumes erbringen kann, dessen Ende aber eindeutig festgelegt ist, liegt eine kalendermäßige Bestimmung vor (BGH NJW 92, 1629 [BGH 19.11.1991 - X ZR 28/90]; WM 95, 440 f [BGH 16.12.1994 - V ZR 114/93]; MüKoBGB/Ernst § 296 Rz 2; Erman/Hager § 296 Rz 1). Die Berechnung der Frist erfolgt wie bei § 286 (HP/Lorenz § 296 Rz 2; Erman/Hager § 296 Rz 1; Grüneberg/Grüneberg § 296 Rz 1). § 296 findet aber zB auch dann Anwendung, wenn dem Schuldner der Verladeort beim fob-Kauf nicht termingerecht mitgeteilt wird (AnwK/Schmidt-Kessel § 296 Rz 19), wenn der Gläubiger einen Beurkundungstermin (BGHZ 116, 250), einen Arzt- oder Operationstermin (BGH MDR 22, 877; str, Nachweise bei Schinnenburg MDR 08, 838) versäumt oder wenn er nicht zu Beginn der Oper oder des Theaterstücks anwesend ist (Deckers JuS 99, 1160 [AG Aachen 24.04.1997 - 10 C 529/96]).
Rn 3
Die Rspr hält das Angebot des Schuldners auch dann für entbehrlich, wenn es nur ›leere Form‹ oder für den Schuldner ›unzumutbar‹ wäre (BGH NJW 01, 287 [BGH 09.10.2000 - II ZR 75/99]; so auch Grüneberg/Grüneberg § 295 Rz 4). Dies soll va in den Fällen einer unberechtigten Kündigung gelten. Der Arbeitgeber gerät demnach auch dann in Annahmeverzug, wenn der unwirksam gekündigte Arbeitnehmer seine Leistungsbereitschaft nicht erklärt. Dem ist nicht zu folgen, weil es zum einen der Wertung des § 295 widerspricht, der ja gerade für den Fall der unberechtigten Verweigerung der Annahme durch den Gläubiger das wörtliche Angebot verlangt, zum anderen aber auch der Notwendigkeit der Erhebung einer Kündigungsschutzklage nach § 7 KSchG (so zutr AnwK/Schmidt-Kessel § 296 Rz 23, 33). Die Rspr begründet die Entbehrlichkeit des Angebotes des Arbeitnehmers, trotz der unberechtigten Kündigung weiter leistungsbereit zu sein, aber auch direkt mit § 296 S 1 (BAG NZA 99, 925 [BAG 19.01.1999 - 9 AZR 679/97]; 01, 1020 [BAG 23.01.2001 - 9 AZR 287/99]; NJW 85, 935, 2662 [BAG 09.08.1984 - 2 AZR 374/83]). Die nach dem Kalender bestimmte Mitwirkungshandlung des Arbeitgebers liege darin, dass dem Arbeitnehmer für jeden Arbeitstag ein funktionsfähiger Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen und laufend Zuweisungen zu erteilen seien. Auch diese Begründung überzeugt letztlich nicht, weil die Zuweisung ja an Ort und Stelle erfolgen müsste, was voraussetzt, dass sich der Arbeitnehmer an der Arbeitsstelle einfindet. Daraus folgt, dass der zu Unrecht gekündigte Arbeitnehmer seine Leistung zumindest wörtlich anbieten muss, um den Arbeitgeber in Gläubigerverzug zu setzen (AnwK/Schmidt-Kessel § 296 Rz 33). Dies ist nach neuerer Rspr jedenfalls dann der Fall, wenn der Arbeitgeber von einem vermeintlichen Recht Gebrauch macht, die Arbeitszeitdauer flexibel zu gestalten (BAG NZA 07, 803).