Prof. Dr. Klaus Peter Berger
I. Vertragsbedingungen.
Rn 1
Vertragsbedingungen sind alle Regelungen, die nach ihrem objektiven Wortlaut bei den Empfängern den Eindruck hervorrufen, es werde damit der Inhalt eines vertraglichen Rechtsverhältnisses gestaltet (BGHZ 133, 187; WM 05, 875). Die Art und Rechtsnatur des Rechtsverhältnisses, etwa die Frage, ob es sich um ein vertragliches, vorvertragliches (BGH NJW 96, 2574) oder gesetzliches Schuldverhältnis, ein delikts- (BGHZ 100, 157; NJW 86, 2757), sachen-, börsen- (LG Frankfurt/M NJW-RR 02, 124) bzw wertpapierrechtliches (BGHZ 119, 312; Hamm GWR 10, 603 zu Genussscheinen; BGH ZIP 09, 1559; BGH WM 05, 1567; zu Anleihebedingungen BGH NJW 20, 986, s.a. Rn 17) Verhältnis oder eine sonstige Vereinbarung handelt, die ausschließlich Verfügungswirkung hat, wie zB eine Abtretung (§ 398) oder Schuldübernahme (§ 414), ist irrelevant (HP/Becker § 305 Rz 12). Erfasst werden auch prozess- und vollstreckungsrechtliche Verträge (BGHZ 101, 271; NJW 87, 904), Rechtsverhältnisse aus dem Bereich der Daseinsvorsorge (BGH NJW 87, 1828 zu Ergänzenden Bestimmungen zur AVBGasV; NJW-RR 05, 960 [BGH 06.04.2005 - VIII ZR 260/04] zur AVBWasserV; s.a. § 307 Rn 1, 2), Allgemeine Bestimmungen für die Ausschreibung von Sportveranstaltungen (BGH NJW 11, 139) sowie Anstellungsverträge mit Vorstandsmitgliedern (Frankf GWR 18, 273), nicht dagegen WEG-Teilungserklärungen (BGH NJW 02, 3240; 12, 677) oder die Gemeinschaftsordnung der Wohnungseigentümer (BGHZ 227, 289). Auf den Inhalt der jeweiligen Bestimmung (abgesehen von den Bereichsausnahmen des § 310 IV) kommt es nicht an (Stoffels Rz 109). Die weltweite Verwendung (Luftfracht) und behördliche Genehmigung schaden nicht (BGH NJW 07, 997 [BGH 05.12.2006 - X ZR 165/03]; s.a. § 307 Rn 1, 2); s.a. für einen preisregulierten Markt § 307 Rn 36. Erfasst werden auch Klauseln, die den Vertragsschluss (zB Zustandekommen durch Schweigen) regeln (BGHZ 104, 99; Ddorf NJW 05, 1515) sowie Klauseln, die nur ›im Zusammenhang mit einer vertraglichen Beziehung stehen‹ (BGH ZIP 09, 2447). Zur Abgrenzung von reinen Werbeaussagen BGH NJW 09, 1337.
Rn 2
Auch einseitige Rechtsgeschäfte des Kunden, die der Ausgestaltung des Vertragsinhalts dienen (Vollmachtserteilung, Ermächtigung, Empfangsbestätigung oder Einwilligung, etwa im Grundbuch- und Verfahrensrecht oder Einwilligung in Werbeanrufe/-E-Mails des Verwenders, BGH NJW 17, 2119 [BGH 14.03.2017 - VI ZR 721/15] Rz 21; NJW-RR 18, 486 [BGH 01.02.2018 - III ZR 196/17] Rz 10f), fallen in den sachlichen Anwendungsbereich der §§ 305 ff (BGH NJW 13, 2683; 00, 2677 [BGH 27.01.2000 - I ZR 241/97]; 87, 2011 [BGH 09.04.1987 - III ZR 84/86]). Die Erklärung des Kunden muss im Zusammenhang mit einer Vertragsbeziehung stehen, nicht aber notwendigerweise auch deren rechtlicher Bestandteil sein (BGH NJW 13, 2683; 99, 1864 [BGH 16.03.1999 - XI ZR 76/98]). Einseitige Rechtsgeschäfte des Verwenders werden dagegen nicht erfasst (KG NJW 81, 2822 [KG Berlin 16.09.1981 - 21 W 3129/81]).
Rn 3
Keine Vertragsbedingungen sind unverbindliche Hinweise, Bitten oder bloße Informationen ohne rechtlichen Regelungsgehalt. Eine Vertragsbedingung nach I 1 liegt nur dann vor, wenn ein allg Hinweis des Verwenders nach seinem objektiven Wortlaut (s Rn 1) bei einem durchschnittlichen, rechtlich nicht vorgebildeten Kunden (Empfängerhorizont) den Eindruck erweckt, es solle damit der Inhalt eines (vor-)vertraglichen Rechtsverhältnisses bestimmt werden (BGH NJW 16, 3105 [BGH 16.06.2016 - V ZR 292/14]; 14, 2269 [BGH 09.04.2014 - VIII ZR 404/12]; 09, 1337 [BGH 04.02.2009 - VIII ZR 32/08] zu ›Änderungen u Irrtümer vorbehalten‹; NJW 96, 2574 [BGH 03.07.1996 - VIII ZR 221/95]). Ob Widerrufsbelehrungen AGB sind, beurteilt der BGH unterschiedlich (dafür BGH NJW 12, 1066 Rz 22; dagegen BGHZ 229, 59 Rz 69 ff). Förderbedingungen der KfW sind keine bloßen Verwaltungsvorschriften, sondern AGB, wenn auf sie in den AGB hingewiesen wird (Frankf NJW-RR 22, 1060 [OLG Frankfurt am Main 02.02.2022 - 17 U 119/20]).
II. Vorformulierte Vertragsbedingungen.
Rn 4
Ausreichend ist, dass die Vertragsbedingungen zeitlich vor dem Vertragsschluss fertig formuliert vorliegen, um in künftige Verträge einbezogen zu werden (MüKo/Fornasier § 305 Rz 13). Das Gesetz verlangt keine Schriftform (BGH NJW 99, 2180). Auch die als Textbaustein im PC (BGH NJW 88, 410 [BGH 30.09.1987 - IVa ZR 6/86]) oder nur ›im Kopf des Verwenders‹ gespeicherte, immer wieder (handschriftlich) verwendete Vertragsbestimmung fällt unter I 1 (BGH NJW 99, 2180; 92, 2759 [BGH 25.06.1992 - VII ZR 128/91]; BAG NZA 22, 1271 [BAG 04.05.2022 - 5 AZR 474/21] Rz 16). Die Formulierung der Klausel muss nicht in jedem Verwendungsfall exakt übereinstimmen, solange nur das in der Klausel enthaltene materielle Regelungsmodell in jedem Verwendungsfall gleich bleibt (BGH NJW 00, 1110 [BGH 03.11.1999 - VIII ZR 269/98]). Erfasst werden diese Klauseln auch dann, wenn die Einfügung gelegentlich unterbleibt (BGH NJW 99, 2180 [BGH 10.03.1999 - VIII ZR 204/98]; Grüneberg/Grüneberg § 305 Rz 8). Keine ›AGB aus dem Kopf‹ sind interne Betriebsanweisu...