Prof. Dr. Klaus Peter Berger
I. Grundsatz: Lückenfüllung durch gesetzliche Vorschriften (Abs 2).
Rn 13
Die nach I entstandene Lücke wird durch das dispositive Recht, einschl der von Rspr und Lehre entwickelten Rechtsgrundsätze geschlossen (BGHZ 124, 389; NJW 96, 2093). Fehlen entspr gesetzliche Regelungen (etwa im Fall eines gesetzlich nicht geregelten Vertragstyps), so kann die Klausel ersatzlos entfallen (BGH NJW-RR 96, 1009 [BGH 09.05.1996 - III ZR 209/95]; NJW 85, 852 [BGH 11.10.1984 - VII ZR 248/83]; 83, 159 [BGH 06.10.1982 - VIII ZR 201/81]). Dies gilt auch, wenn die in der Klausel enthaltene Regelung bei objektiver Betrachtung als vom Verwender bewusst abschließend gewählt anzusehen ist (BGH NJW 02, 3098 [BGH 04.07.2002 - VII ZR 502/99]; 85, 1835 [BGH 24.04.1985 - IVb ZR 17/84]). Eine Lückenschließung durch dispositives Gesetzesrecht kommt auch dann nicht in Betracht, wenn dieses dem Vertragswillen der Parteien widerspricht (BGH NJW 84, 1180 [BGH 01.02.1984 - VIII ZR 106/83]; Ddorf NJOZ 10, 420). Zur Vereinbarkeit mit der KlauselRL s BGHZ 209, 337 Rz 28; abl Graf v Westphalen BB 19, 67.
Rn 14
Stellt der ersatzlose Wegfall jedoch keine angemessene, den typischen Interessen der Parteien Rechnung tragende Lösung dar, insb weil die Lücke dem Vertragspartner des Verwenders einen Vorteil belässt, der das Vertragsgefüge einseitig zu seinen Gunsten verschiebt, ist die Lücke durch ergänzende Vertragsauslegung (§ 157) zu schließen (BGH NJW 02, 3098 [BGH 04.07.2002 - VII ZR 502/99]; 00, 1114 [BGH 16.12.1999 - VII ZR 392/96]); s § 305c Rn 20.
Rn 15
II gilt nur für den Individualprozess, nicht für Verbandsklagen nach §§ 1, 3 UKlaG (vgl Vor § 305 Rn 2). Die Parteien können vereinbaren, AGB, an deren Wirksamkeit Zweifel angemeldet wurden, nachträglich anzuerkennen oder auf die Geltendmachung ihrer Unwirksamkeit zu verzichten (BGH NJW 14, 2269 [BGH 09.04.2014 - VIII ZR 404/12]).
II. Ausn: Unwirksamkeit des Vertrages (Abs 3).
Rn 16
III hat ggü der in I enthaltenen Grundregel (s Rn 1) Ausnahmecharakter und daher nur einen engen Anwendungsbereich (W/L/P/Lindacher/Hau § 306 Rz 60). Es müssen besondere Gründe (›unzumutbare Härte‹) vorliegen, damit die Vorschrift eingreift.
Rn 17
Aus der Sicht des Verwenders genügt dafür nicht die Unwirksamkeit einzelner Klauseln nach §§ 307 ff. Unzumutbar kann das Festhalten am Vertrag für den Verwender jedoch dann sein, wenn infolge der Unwirksamkeit einer AGB-Klausel das Vertragsgleichgewicht grundl gestört ist. Allerdings reicht dafür nicht schon jeder wirtschaftliche Nachteil des Verwenders. Es ist eine einschneidende Störung des Äquivalenzverhältnisses erforderlich, die das Festhalten am Vertrag für ihn unzumutbar macht (BGH NJW-RR 02, 1136 [BGH 22.02.2002 - V ZR 26/01]; München NJW 04, 2532 [OLG München 26.02.2004 - U (K) 5664/03]). Unterhalb dieser Schwelle kommt die Schließung der entstandenen Lücke durch ergänzende Vertragsauslegung in Betracht (BGH WM 05, 744 für unwirksame Verwertungsregel bei Lohn- bzw Gehaltsabtretung; NJW 19, 2602 Rz 18; BAG NJW 17, 1628 [BAG 21.02.2017 - 3 AZR 297/15] Rz 44; s.a. § 305c Rn 20).
Rn 18
Aus der Sicht des Kunden kann die Gesamtunwirksamkeit ganz ausnahmsweise dann in Betracht kommen, wenn bei einem gesetzlich nicht geregelten Vertragstyp die Mehrzahl der AGB unwirksam sind (s § 305c Rn 21) und daher völlige Unklarheit über die beiderseitigen Rechte und Pflichten droht (BGH NJW-RR 03, 1060).
Rn 19
Die Rechtsfolge des III ist nicht durch AGB, wohl aber individualvertraglich abdingbar (HP/H. Schmidt § 306 Rz 37).
III. Weitere Rechtsfolgen.
Rn 20
Im Falle eines Verstoßes gegen die §§ 307 ff kann von der gem § 3 UKlaG zuständigen anspruchsberechtigten Stelle ein Unterlassungs- und ggf Widerrufsanspruch nach § 1 UKlaG vor dem nach § 6 UKlaG zuständigen LG geltend gemacht werden. Parallel kann der Verbraucherzentrale als qualifizierter Einrichtung iSv § 8 III Nr 3 UWG ein Beseitigungsanspruch aus §§ 3a, 8 I 1 UWG zustehen (BGH ZIP 18, 376). Str ist, ob dieser auch auf Rückzahlung unzulässiger Entgelte an betroffene Verbraucher gerichtet sein kann (so Dresd ZIP 18, 1919; abl Baldus/Siedler BKR 18, 412; Schultheiß WM 19, 9, 12). Die Verwendung unwirksamer Klauseln kann zudem einen Anspruch des Kunden auf Schadensersatz nach §§ 280, 311 II begründen (BGH NJW 94, 2754 [BGH 14.06.1994 - XI ZR 210/93]).