Prof. Dr. Klaus Peter Berger
Rn 20
Die Prüfung hat in drei Schritten zu erfolgen. Zunächst ist das durch wesentliche Grundgedanken der gesetzlichen Regelung bestimmte gesetzliche Leitbild zu ermitteln (vgl zum Leitbild des Kaufvertrages BGH NJW 81, 117; des Internet-System-Vertrages BGH NJW 10, 1449; des Kfz-Versicherungsvertrages BGH ZIP 2011, 2261; des Maklervertrages BGH WM 70, 392; des Mietvertrages Hamm NJW 81, 1049; der Rücktrittsfolgen beim Mietvertrag BGH NJW 09, 577 [BGH 29.10.2008 - VIII ZR 258/07]; des Automatenaufstellvertrages BGH MDR 21, 92 [BGH 07.10.2020 - XII ZR 145/19]; des Partnerschaftsvermittlungsvertrages BGH NJW 89, 1479 [BGH 01.02.1989 - IVa ZR 354/87]; Niebling MDR 15, 6; des Tankstellenverwaltervertrages BGH NJW 10, 1275 [BGH 14.10.2009 - VIII ZR 96/07]; des Telefonbuch-Werbevertrages BGH NJW-RR 03, 836 [BGH 24.09.2002 - KZR 38/99]; des Veranstaltungsvertrages über die Bereitstellung von Ferienunterkünften BGH NJW 92, 3160; des Mobilfunkvertrages BGH WM 11, 1678; NJW 02, 2386; des Vergleichs BAG NZA 17, 1058 Rz 74). Es wird bestimmt durch dispositive gesetzliche Bestimmungen, soweit diese nicht nur auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruhen, sondern dem Gerechtigkeitsgebot als dem Bedürfnis nach angemessenem Schutz des Vertragspartners Ausdruck verleihen (BGHZ 89, 210; NJW 99, 635). Dispositive Regelungen idS sind nicht nur Gesetze im formellen und materiellen Sinn sowie das Gewohnheitsrecht und die durch Analogie und Rechtsfortbildung entwickelten Rechtssätze (va bei Verträgen ohne gesetzliches Leitbild, BGH NJW 84, 1186 [BGH 16.01.1984 - II ZR 114/83]), sondern auch das Richterrecht und die dem Gerechtigkeitsgebot entspr allg anerkannten Rechtsgrundsätze (BGHZ 93, 362 f; NJW 23, 1356 Rz 27). Ein solcher Grundsatz ist etwa das Prinzip, dass eine Verpflichtung zum Schadensersatz regelmäßig nur bei schuldhaftem Verhalten besteht (BGHZ 115, 42; NJW 92, 3161), das in §§ 320 ff manifestierte Prinzip der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung (BGHZ 96, 109; NJW 01, 2637) und das Gegenseitigkeitsverhältnis von Leistung u Gegenleistung (BGH VuR 09, 72) sowie die Pflicht, eigene gesetzliche Verpflichtungen zu erfüllen und Tätigkeiten im ausschl eigenen Interesse durchzuführen, ohne hierfür ein spezielles Entgelt verlangen zu können (BGH ZIP 17, 2343 Rz 28; NJW 01, 1419; s Rn 10). Die auf der zweiten Stufe vorzunehmende Prüfung der ›Abweichung‹ erfolgt wie die iRv I vorzunehmende Prüfung der Benachteiligung (Staud/Wendland § 307 Rz 243), s Rn 8. Die abschließende Prüfung der Unvereinbarkeit mit dem gesetzlichen Leitbild ist durch die Abweichung vom gesetzlichen Gerechtigkeitsmodell ›vorbelastet‹ (Stoffels Rz 518). Je nach Gerechtigkeitsgehalt der betr Normen bedarf es eines mehr oder weniger starken Interesses des Verwenders, um die Klausel dennoch als wirksam anzusehen (BGH NJW 90, 2065 [BGH 17.01.1990 - VIII ZR 292/88]). Klauseln, die gegen zwingendes Recht verstoßen, benachteiligen den Kunden stets zugleich unangemessen nach § 307 I, II Nr 1 (BGH NJW 23, 2338 [BGH 04.05.2023 - III ZR 88/22] Rz 13).