Prof. Dr. Klaus Peter Berger
Rn 6
Im Verbot der unangemessenen Benachteiligung manifestiert sich der Schutzzweck des AGB-Rechts (s Vor § 305 Rn 1). I schützt den Kunden davor, dass der Verwender missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein die Interessen seines Vertragspartners hinreichend zu berücksichtigen und ohne ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (BGHZ 147, 282; NJW 23, 3023 Rz 20). Die Benachteiligung muss daher, unmittelbar oder mittelbar, den Vertragspartner treffen, nicht einen Dritten oder die Allgemeinheit (Grüneberg/Grüneberg § 307 Rz 11). Eine Inhaltskontrolle zugunsten des Verwenders kommt ebenfalls nicht in Betracht (BGH NJW 98, 2280 [BGH 02.04.1998 - IX ZR 79/97]).
I. Unangemessene Benachteiligung (S 1).
Rn 7
1 verlangt eine zweistufige Prüfung. Im ersten Schritt (Rn 8) ist der Maßstab für die Angemessenheitsprüfung zu ermitteln. Im zweiten Schritt (Rn 9 f) ist die Frage der unangemessenen Benachteiligung zu prüfen (Stoffels Rz 466; Fastrich 280f). Zum Zusammenhang von 1 und § 134s Vor § 305 Rn 9. Die Unangemessenheit wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die betr Klausel weithin üblich ist (BGHZ 114, 15; 106, 267).
1. Benachteiligung.
Rn 8
Die Benachteiligung des Vertragspartners ist durch Vergleich des Regelungsgehalts der Klausel mit der ohne die Klausel geltenden Rechtslage als gesetzlichem Leitbild der Inhaltskontrolle zu ermitteln (BGH NJW 94, 1070 [BGH 26.01.1994 - VIII ZR 39/93]). Der so ermittelte Grad der Benachteiligung kann für die nachfolgende Interessenabwägung bedeutsam sein (s Rn 9). Eine nur geringfügige Benachteiligung wird von 1 nicht erfasst (W/L/P/Pfeiffer § 307 Rz 177; Grüneberg/Grüneberg § 307 Rz 12; str).
2. Unangemessenheit.
a) Interessenabwägung.
Rn 9
Ob die so ermittelte Benachteiligung des Vertragspartners unangemessen ist, muss iRe umfassenden Abwägung der Interessen des Verwenders (an der Aufrechterhaltung der Klausel) und des Vertragspartners (am Wegfall der Klausel) ermittelt werden (BGHZ 153, 154; 120, 118; BAG NJW 23, 2899 Rz 19). Bei dieser Abwägung sind nicht nur die auf Seiten des Verwenders getätigten Investitionen, sondern der gesamte Vertragsinhalt zu berücksichtigen; notwendig ist eine Gegenüberstellung der insgesamt begründeten gegenseitigen Rechte und Pflichten (BGHZ 143, 114; NJW 03, 886). Grundrechtspositionen der Parteien sind zu berücksichtigen (Dresd NJW 18, 3111 Rz 18; vgl BAG NJW 23, 2899 [BAG 25.04.2023 - 9 AZR 187/22] Rz 21). Ähnl wie für die Auslegung (s § 305c Rn 11 ff) gilt ein überindividuell-generalisierender und typisierender, von den konkreten Umständen des Einzelfalls losgelöster Maßstab (BGH NJW 02, 1715 [BGH 13.12.2001 - I ZR 41/99]; 00, 2106 [BGH 20.01.2000 - VII ZR 46/98]; BAG NJW 23, 2899 [BAG 25.04.2023 - 9 AZR 187/22] Rz 19). Maßgeblich sind also die, uU in Berufs- oder Standesrichtlinien oder sonstigen Verhaltensregeln zum Ausdruck kommenden, Anschauungen der beteiligten Verkehrskreise (BGH NJW 90, 1601 [BGH 09.02.1990 - V ZR 200/88]; 87, 487 [BGH 08.10.1986 - VIII ZR 342/85]). Die Abwägung kann daher für unterschiedliche Verkehrs- oder Berufskreise (zB b2c und b2b) unterschiedlich ausfallen (BGH NJW 00, 660 [BGH 28.10.1999 - IX ZR 364/97]). S aber für Verbraucherverträge § 310 III Nr 3, dazu § 310 Rn 12. Die jeweilige Klausel ist dabei im Kontext des Gesamtvertrages zu bewerten, wobei stets auch Gegenstand, Zweck und Charakter des Vertrages sowie individuelle Absprachen der Parteien zu berücksichtigen sind (BGHZ 82, 240; BAG NJW 23, 2899 Rz 19).
b) Abwägungsregeln.
Rn 10
Auf der Grundlage des unter a) Gesagten haben sich folgende (s Stoffels Rz 484 ff) Abwägungsregeln herausgebildet (unangemessen +, nicht –): Summierungseffekt/›Klauselinfektion‹ von nachteiligen Klauseln iVm benachteiligender Wirkung einer noch hinnehmbaren Klausel (+BGH NJW 07, 997 [BGH 05.12.2006 - X ZR 165/03]; 03, 2234 [BGH 14.05.2003 - VIII ZR 308/02]) oder Individualvereinbarung (BGH NJW 06, 2116); Kompensationswirkung anderer, mit der beanstandeten Klausel im sachlichen Zusammenhang iSe Wechselbeziehung stehender, unbedenklicher Klauseln (–BGH NJW 03, 891 [BGH 29.11.2002 - V ZR 105/02]; 02, 894 [BGH 22.11.2001 - VII ZR 208/00]; 97, 2598); Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip (+BGH NJW 09, 578; NJW-RR 04, 273; NJW 01, 2635; Hamm WM 07, 2012); hohes Interesse des Verwenders an Rationalisierung (–BGH NJW 96, 988); bessere und kostengünstigere Kontrollierbarkeit eines Risikos durch Verwender (+BGH NJW 05, 424 [BGH 30.11.2004 - X ZR 133/03] für Haftungsausschluss bei Autowaschstraße; NJW 84, 2460 [BGH 17.05.1984 - II ZR 280/83]; 71, 1036 [BGH 24.02.1971 - VIII ZR 22/70]); Risiko wird typischerweise durch Verwender kostengünstig versichert (–BGH NJW 02, 675); geringerer Preis bei Aufrechterhaltung der benachteiligenden Klausel (+BGHZ 120, 226; 77, 131; Ausnahme: offene Tarifwahl, BGHZ 77, 134; Grüneberg/Grüneberg § 307 Rz 18); Erbringung eigener gesetzlicher Verpflichtungen, für die das Gesetz kein Entgelt vorsieht (+BGHZ 141, 383; WM 07, 1893; 05, 276).
c) Beweislast.
Rn 11
Der Vertragspartner des Verwenders trägt die Darlegungs- und Beweislast daf...