Prof. Dr. Klaus Peter Berger
Rn 21
Nr 3 will die Vertragsbindung des Verwenders sicherstellen und verhindern, dass dieser sich grundlos durch die Aufhebung seiner Leistungspflicht den Freizeichnungsverboten des § 309 Nr 7 und 8 entzieht (U/B/H/Schmidt § 308 Nr 3 Rz 1). Der Begriff ›Lösungsrecht‹ ist umfassend zu verstehen. Er umfasst alle Fälle, in denen die Ausübung des dem Verwender zustehenden Rechts – unabhängig von dessen Bezeichnung – zum Wegfall seiner vertraglichen Leistungspflicht führen soll, etwa Anfechtungs-, Widerrufs- oder Kündigungsrechte (vgl MüKo/Wurmnest § 308 Nr 3 Rz 5; Stoffels Rz 773). Darüber hinaus gilt Nr 3 für Klauseln, die eine teilweise Änderung des Leistungsumfangs ermöglichen (Erman/Roloff § 308 Rz 17), schuldrechtliche Ansprüche auf Vertragsaufhebung (HP/Becker § 308 Nr 3 Rz 3), auflösende Bedingungen (W/L/P/Dammann § 308 Nr 3 Rz 17; nicht dagegen aufschiebende Bedingungen BGH NJW 11, 1215 [BGH 08.12.2010 - VIII ZR 343/09]) und sonstige Konstruktionen, die zu einem ipso facto-Wegfall der Leistungspflicht des Verwenders führen. Nicht anwendbar ist Nr 3 dagegen auf eine Rückkaufvereinbarung, die einen gesonderten Vertrag mit neuen Leistungspflichten begründet (BGH NZG 05, 354 [OLG Düsseldorf 16.01.2004 - I-17 U 50/03]).
I. Bestimmtheitsgebot.
Rn 22
Die (vertraglichen oder gesetzlichen) Lösungsgründe sind in der Klausel so genau anzugeben, dass ein Durchschnittskunde ohne Schwierigkeiten feststellen kann, wann der Verwender vom Vertrag Abstand nehmen darf (BGH NJW 83, 1320 [BGH 26.01.1983 - VIII ZR 342/81]).
Rn 23
Einzelfälle (bestimmt +, nicht –): Beschränkung der Rücktrittsmöglichkeit auf ›höhere Gewalt, Streiks und Rohstoffmangel‹ (+Kobl NJW-RR 89, 1459 [OLG Koblenz 14.04.1989 - 2 U 1874/87]); Rechtsbegriffe wie ›Unmöglichkeit‹ (+Grüneberg/Grüneberg § 308 Rz 17); ›Betriebsstörungen jeder Art‹ (–Kobl WM 83, 1272); ›Erkrankungen‹ (–Hamm BB 83, 1305); ›zwingender Grund‹ (–Köln NJW-RR 98, 926 [OLG Köln 28.02.1997 - 19 U 194/95]); ›wenn es die Umstände erfordern‹ (–BGH NJW 83, 1322 [BGH 20.01.1983 - VII ZR 105/81]).
II. Sachlich gerechtfertigter Grund.
Rn 24
Ein Lösungsgrund ist sachlich gerechtfertigt, wenn eine Interessenabwägung ergibt, dass das Interesse des Verwenders an der Auflösung des Vertrages das Interesse des Vertragspartners am Fortbestand des Vertrages überwiegt (BGH NJW 87, 833 [BGH 10.12.1986 - VIII ZR 349/85]; vgl HP/Becker § 308 Nr 3 Rz 7). Eine sachliche Rechtfertigung kann sich insb aus Leistungshindernissen in der Sphäre des Verwenders, vertragswidrigem Verhalten oder Kreditunwürdigkeit der Verwendergegenseite ergeben. Keine sachliche Rechtfertigung ist dann gegeben, wenn sich der Rücktritt auf Gründe stützt, die der Verwender bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt schon vor Vertragsschluss hätte erkennen können (BGH NJW 87, 831; MüKo/Wurmnest § 308 Nr 3 Rz 11).
1. Leistungshindernisse im Bereich des Verwenders.
Rn 25
Einzelfälle (gerechtfertigt +, nicht –): Vorübergehende Leistungshindernisse (idR – BGH NJW 83, 1321; –Kobl NJW-RR 89, 1460 [OLG Koblenz 14.04.1989 - 2 U 1874/87]; +MüKo/Wurmnest § 308 Nr 3 Rz 12, wenn es sich um ein Fixgeschäft handelt); schuldhaft herbeigeführte Leistungshindernisse (–BGH NJW 83, 1321, muss in der Klausel klargestellt werden); ›erhebliche Verteuerung der Lieferung‹ (–BGH NJW 83, 1321); eingeschränkte Selbstbelieferungsvorbehalte des Verwenders (+BGHZ 92, 397; NJW 83, 1320; zu uneingeschränkten Selbstbelieferungsvorbehalten vgl BGH NJW 85, 857); ›Lieferungsmöglichkeit vorbehalten‹ (idR – Stuttg ZIP 81, 875); ›solange der Vorrat reicht‹ (–Grüneberg/Grüneberg § 308 Rz 20).
2. Vertragswidriges Verhalten des Kunden.
Rn 26
Einzelfälle (gerechtfertigt +, nicht –): Bestimmte Pflichtverletzungen (etwa Nichtwahrung des Vorbehaltseigentums) im Möbelhandel (+BGH NJW 85, 325); Verstoß des Käufers eines Neuwagens gegen ein Weiterveräußerungsverbot (+BGH NJW 82, 180 [BGH 07.10.1981 - VIII ZR 214/80]); Verletzung einer dem Kunden obliegenden Mitwirkungshandlung (+BGH NJW 92, 1629 f [BGH 19.11.1991 - X ZR 28/90] zum Schlüsseldienst); falsche Selbstauskunft in Bezug auf unerhebliche Tatsachen (+BGH NJW 85, 325 [BGH 31.10.1984 - VIII ZR 226/83]; 85, 2272 [BGH 03.06.1985 - VIII ZR 150/84]); Verdacht einer Pflichtverletzung (–Hamm BB 79, 1427).
3. Kreditunwürdigkeit.
Rn 27
Vermögensverschlechterungen oder -gefährdungen der Verwendergegenseite können einen Rücktritt rechtfertigen, wenn sie zugleich eine (ernsthafte) Gefährdung des Gegenleistungsanspruchs des Verwenders begründen (vgl BGH NJW 01, 298 [BGH 27.09.2000 - VIII ZR 155/99]).
Rn 28
Einzelfälle (gerechtfertigt +, nicht –): Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung (+BGH NJW 01, 298); ›erhebliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse‹ (–Ddorf ZIP 84, 719); falsche Angaben des Käufers über seine Vermögensverhältnisse (+BGH NJW 85, 325); ›ungünstige Kreditauskunft‹ (–Erman/Roloff § 308 Rz 21; Grüneberg/Grüneberg § 308 Rz 19).
III. Dauerschuldverhältnisse.
Rn 29
Nr 3 gilt nicht für Dauerschuldverhältnisse – zu denen auch Sukzessivlieferungs- (MüKo/Wurmnest § 308 Nr 3 Rz 7), nicht aber Ratenlieferungsverträge (U/B/H/Schmidt § 308 Nr 3 Rz 17) gehören –, es sei denn, dass mit dem vertraglichen Leistungsaustausch noch nicht begonnen wur...