Prof. Dr. Klaus Peter Berger
Rn 38
Nr 5 will die Verwendergegenseite vor Abweichungen von dem Grundsatz schützen, dass ihr Schweigen idR keine Willenserklärung darstellt (s § 148 Rn 3 f). Sie regelt insoweit allein die Mindestvoraussetzungen; weitere Schranken können sich aus § 307 ergeben (BGH NJW 21, 2273; 10, 864 [BGH 11.11.2009 - VIII ZR 12/08]; 90, 763f [BGH 09.11.1989 - IX ZR 269/87]), so ist eine Zustimmungsfiktion für weitreichende, die Grundlagen der Rechtsbeziehungen der Parteien betreffende Änderungen in AGB unzulässig (BGH NJW 21, 2273 betr Nr 1 [2] AGB-Banken; dazu Berger/Nettekoven EWiR 21, 483; s § 305 Rn 28). Nr 5 gilt allein iRd Vertragsdurchführung (vgl BGH NJW 21, 3179 [BGH 29.07.2021 - III ZR 179/20] Rz 42; W/L/P/Dammann § 308 Nr 5 Rz 15) und für Erklärungen von materiell-rechtlicher Bedeutung (Grüneberg/Grüneberg § 308 Rz 28). Die Vorschrift ist auch dann anwendbar, wenn das Ergebnis eines bestimmten rechtsgeschäftlichen Handelns unwiderleglich vermutet wird (HP/Becker § 308 Nr 5 Rz 7). Sie gilt auch für sog Umdeutungsklauseln (vgl BGH NJW 92, 3161 [BGH 09.07.1992 - VII ZR 7/92]), nicht aber für ausdrückliche Willenserklärungen des Kunden (BGH NJW 01, 1243) und Tatsachenfiktionen (Stoffels Rz 648; hier gilt § 309 Nr 12b).
Rn 39
Einzelfälle (Erklärungsfiktion +, nein –): Schweigen der Verwendergegenseite führt zur Vertragsverlängerung (+BGH NJW 85, 617 [BGH 04.10.1984 - III ZR 119/83]); Abnahme mit Ingebrauchnahme des Werkes (+BGH NJW 84, 726 [BGH 10.11.1983 - VII ZR 373/82]); Sammelaktivität führt zur Anerkennung der Bedingungen des Happy-Digits-Kundenbindungssystems (+BGH NJW 10, 864 [BGH 11.11.2009 - VIII ZR 12/08]); Umbuchungswunsch führt zu Reiserücktritt und Neuanmeldung (+BGH NJW 92, 3161 [BGH 09.07.1992 - VII ZR 7/92]); Zustimmungs-Schaltfläche im Internet (–BGH NJW 21, 3179 [BGH 29.07.2021 - III ZR 179/20] Rz 42).
I. Angemessene Erklärungsfrist (Nr 5a).
Rn 40
Die Fristlänge muss in der Klausel konkret bezeichnet werden. Angemessen ist eine Erklärungsfrist nur dann, wenn die Verwendergegenseite für ihre Entscheidungsfindung nach den Umständen des Einzelfalls ausreichend Zeit hat, das Für und Wider abzuwägen (HP/Becker § 308 Nr 5 Rz 15). Je nach Bedeutung der Erklärung kann eine Mindestfrist von 5 bis 6 Wochen angemessen sein (BGH NJW 99, 1865 [BGH 17.03.1999 - IV ZR 218/97]).
Rn 41
Einzelfälle (angemessen +, nicht –): 1 Monat für Einwendungen gegen Kontoabschlussrechnungen (+Frankf WM 81, 912f); 6 Wochen für die Geltendmachung von Einwänden gegen die Rechnung eines Mobilfunkanbieters (+Köln VersR 97, 1110); 12 Wochen in einem Krankenhausaufnahmevertrag für das Abholen vergessener Sachen (+BGH NJW 90, 761 [BGH 09.11.1989 - IX ZR 269/87]); 2 Wochen für die Umschuldung größerer Darlehen (–LG Dortmund NJW-RR 86, 1171 [LG Dortmund 24.04.1986 - 2 O 398/85]).
II. Hinweispflicht (Nr 5b).
Rn 42
Die Klausel muss klarstellen, dass die Erklärungsfiktion nur dann eintritt, wenn der Verwender den erforderlichen Hinweis tatsächlich erteilt hat (HP/Becker § 308 Nr 5 Rz 18). Fehlt eine solche Klarstellung, ist die Klausel unwirksam. Aus den für das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion maßgeblichen Überlegungen (s § 306 Rn 4) folgt, dass ein dennoch erteilter Hinweis weder zur Heilung der Klausel noch dazu führt, dass sich der Kunde nicht auf ihre Unwirksamkeit berufen kann (HP/Becker § 308 Nr 5 Rz 19; letzteres offengelassen von BGH NJW 85, 618 [BGH 04.10.1984 - III ZR 119/83]).
Rn 43
Die Privilegierung der VOB/B ist durch das ForderungssicherungsG v 23.10.08 (BGBl I, 2022) entfallen. S zur Inhaltskontrolle der VOB/B § 307 Rn 4 u Vor §§ 631 ff Rn 28; s aber bei Verwendung ggü Unternehmern § 310 I 3.
III. Verträge zwischen Unternehmern.
Rn 44
Nr 5 hat über § 307 Indizfunktion für die Inhaltskontrolle im unternehmerischen Geschäftsverkehr (BGHZ 101, 365; NJW 14, 3722 Rz 32 zur Einwendungsfristklausel in Gewerbemietvertrag); doch kann im b2b-Bereich die Hinweispflicht (Nr 5b) entfallen (vgl Stoffels Rz 658). Unberührt bleiben die Grundsätze über das Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben.