Prof. Dr. Klaus Peter Berger
Rn 3
Nr 1 schützt die Verwendergegenseite vor unangemessen langen und unbestimmten Annahmefristen, durch die sie über das Zustandekommen des Vertrages im Unklaren gelassen wird (BTDrs 7/3919, 24; BGH NJW 16, 1324 [BGH 21.01.2016 - III ZR 159/15] Rz 26). Die Vorschrift setzt voraus, dass die Annahmefrist vom Verwender als Antragsempfänger, nicht aber als Antragendem (W/L/P/Dammann § 308 Nr 1 Rz 5), festgesetzt wird; sie ist auf die in Nr 1 geregelten Vertragsabschlussklauseln ohne weiteres und auf aufschiebende Bedingungen entspr anwendbar (Karlsr NJW-RR 95, 504 [OLG Hamm 10.01.1994 - 28 U 251/93] mwN; aA U/B/H/Schmidt § 308 Nr 1 Rz 10). Sie gilt daher auch für Optionsrechte des Verwenders (bspw Andienungsrecht des Leasinggebers) – und zwar unabhängig davon, ob diese sich konstruktiv als Vertragsannahme oder Bedingungseintritt darstellen (MüKo/Wurmnest § 308 Nr 1 Rz 4).
1. Unangemessene Länge.
Rn 4
Unangemessen lang ist eine Frist, die wesentlich über den Tatbestand des § 147 II (s § 148 Rn 16) einschl einer sachlich gebotenen Überlegungszeit hinausgeht (BGH NJW 01, 303). Ob dies der Fall ist, ist im Wege einer Interessenabwägung zu bestimmen, die sich grds an den für den Vertragsgegenstand typischen Umständen orientiert (BGH NJW 01, 303 [BGH 13.09.2000 - VIII ZR 34/00]; 86, 1808 [BGH 06.03.1986 - III ZR 234/84]) und im Ergebnis zu einer branchenspezifischen Konkretisierung führt (MüKo/Wurmnest § 308 Nr 1 Rz 7). Gegenstand der Kontrolle ist – unabhängig von etwaigen Festlegungen in der Klausel – der Zeitraum zwischen der Abgabe des Angebotes und dem Zugang der Annahmeerklärung (HP/Becker § 308 Nr 1 Rz 10).
Rn 5
Einzelfälle (unangemessen +, nicht –): höchstens 14 Tage bei Alltagsgeschäften (–Grüneberg/Grüneberg § 308 Rz 4); 4 Wochen/1 Monat beim Neuwagenverkauf (–BGH NJW 90, 1785 [BGH 28.03.1990 - VIII ZR 17/89]; s.a. Frankf NJW-RR 98, 567 [OLG Braunschweig 12.08.1997 - 4 U 13/97]), beim Kauf eines hochwertigen technischen Gerätes (–Ddorf NJW 05, 1515 [OLG Düsseldorf 28.12.2004 - 21 U 68/04]), im Möbelversand (–Celle
Bunte I § 10 Nr 1 Rz 4; 3 Wochen beim Kauf vorrätiger Möbel +BGH NJW 01, 303 [BGH 13.09.2000 - VIII ZR 34/00]), bei Darlehensverträgen mit Hypothekenbanken (–BGH NJW 88, 2107 [BGH 24.03.1988 - III ZR 21/87]), bei Verbraucherkreditverträgen (–BGH VuR 05, 155); 6 Wochen bei Darlehensverträgen (+BGH NJW 86, 1808 [BGH 06.03.1986 - III ZR 234/84]), beim Abschluss einer Lebensversicherung (–Hamm NJW-RR 86, 388 [OLG Hamm 12.07.1985 - 20 U 205/85]; aA Naumbg MDR 98, 855 [BGH 05.05.1998 - VI ZR 24/97]); 8 Wochen bei Bauverträgen (+Nürnbg Bunte I § 10 Nr 1 Rz 5); 2 Monate bei Leasingverträgen (+Hamm NJW-RR 86, 928 [OLG Hamm 14.03.1986 - 4 U 197/85]); Angebotsbindung in Bauträger-AGB länger als 3 Monate (+BGH NJW 14, 854 [BGH 27.09.2013 - V ZR 52/12]; 16, 2173 [BGH 26.02.2016 - V ZR 208/14]) oder länger als 6 Wochen ohne schutzwürdiges Interesse des Verwenders (+BGH NJW 14, 857 [BGH 17.01.2014 - V ZR 5/12]); unbefristetes Fortbestehen des Angebots auch bei Widerruflichkeit (+BGH NJW 19, 1748 Rz 12; 13, 3434 Rz 18; auch für bereits formnichtige AGB BGH ZIP 16, 2069); Wiedergabe von § 147 II (–BGHZ 194, 124).
2. Bestimmtheitsgebot.
Rn 6
Hinreichend bestimmt ist eine Frist, die für einen Durchschnittskunden nach Beginn, Dauer und Ende (einschl etwaiger Verlängerungstatbestände) berechenbar ist (MüKo/Wurmnest § 308 Nr 1 Rz 9; Grüneberg/Grüneberg § 308 Rz 5). Dies ist dann der Fall, wenn der Kunde ohne Schwierigkeiten und ohne rechtliche Beratung feststellen kann, wie lange er gebunden ist (vgl BGH NJW 85, 856; W/L/P/Dammann § 308 Nr 1 Rz 19). Beginn und Ende der Frist müssen nicht kalendermäßig bestimmt sein. Der Beginn einer Frist ist auch dann berechenbar, wenn er von einem Ereignis in der Sphäre des Kunden abhängt (BGH NJW 85, 856 [BGH 06.12.1984 - VII ZR 227/83]), nicht aber, wenn das Ereignis allein in der Einfluss- oder Kenntnissphäre des Verwenders liegt (BGH VuR 05, 156 [OLG München 23.12.2004 - 19 U 4162/04]; NJW 88, 2106 [BGH 24.03.1988 - III ZR 21/87]).
Rn 7
Einzelfälle (bestimmt +, nicht –): Fristbeginn mit Aufgabe der Annahmeerklärung zur Post (–BGH NJW 88, 2106 [BGH 24.03.1988 - III ZR 21/87]); Annahme innerhalb der ›gewerbeüblichen Fristen‹ (–Köln BB 82, 638); Annahmefrist wie in § 147 II (+BGH ZIP 12, 2064); Annahme 4 Wochen nach dem Besuch eines Technikers des Verwenders (–LG Dortmund MDR 81, 759f [LG Dortmund 19.03.1981 - 17 S 266/80]); Fristbeginn ›nach schriftlicher Bestätigung durch den Hersteller‹ (–vgl BGH NJW 85, 856 [BGH 06.12.1984 - VII ZR 227/83]); Fristbeginn mit Zugang bei der Bank; Zustandekommen des Vertrages mit Unterschrift der Bank (–BGH VuR 05, 156); ›Circa-Fristen‹ (+Grüneberg/Grüneberg § 308 Rz 8 aE).