Prof. Dr. Klaus Peter Berger
Rn 32
Nr 6 erklärt Klauseln für unwirksam, durch die der Verwender dem Kunden eine (un-)selbstständige Vertragsstrafe iSd §§ 339 ff für den Fall der dort genannten Vertragsstörungen auferlegt. Klauseln, wonach allg bei ›Nichteinhaltung des Vertrages‹ eine Vertragsstrafe zu zahlen ist, sind unwirksam (Hambg NJW-RR 88, 651). Nr 6 erfasst auch Klauseln, die die Vertragsstrafe als Abstand, Reueprovision oÄ bezeichnen (BGH NJW 82, 872 [BGH 28.10.1981 - VIII ZR 302/80]; 79, 367 [BGH 08.11.1978 - IV ZR 179/77]). Nr 6 ist (entspr) anwendbar auf selbstständige Strafversprechen (W/L/P/Dammann § 309 Nr 6 Rz 15), Reugeld (W/L/P/Dammann § 309 Nr 6 Rz 20) und Verfallklauseln (BGH VuR 09, 74; NJW-RR 93, 464 [BGH 22.01.1993 - V ZR 164/90]). Vorfälligkeitsklauseln und Garantieerklärungen sind keine Vertragsstrafen und an § 307 zu messen (BGH NJW-RR 19, 1072 [BGH 18.04.2019 - III ZR 191/18] Rz 14; NJW 86, 46 [BGH 19.09.1985 - III ZR 213/83]). Das Klauselverbot ist unabhängig von Höhe und Angemessenheit der Vertragsstrafe anwendbar (MüKo/Wurmnest § 309 Nr 6 Rz 9). Zur Abgrenzung von der Schadenspauschalierung (Nr 5) s Vor §§ 249 bis 255 Rn 4. Zu Vertragsstrafen in Arbeitsverträgen s § 310 Rn 22.
I. Erfasste Vertragsstörungen.
1. Nichtabnahme; verspätete Abnahme.
Rn 33
Nimmt der Kunde die Leistung (gleich welcher Art) nicht oder verspätet ab, ist für Nr 6 unerheblich, ob die Abnahme der Leistung für den Kunden Haupt-, Nebenpflicht oder nur eine Obliegenheit darstellt (BGH NJW-RR 86, 212 [BGH 29.10.1985 - X ZR 12/85]). Die Nichtabnahme muss aber der eigentliche Strafgrund sein (W/L/P/Dammann § 309 Nr 6 Rz 31–35, 50). Die Gründe für die Nichtabnahme sind gleichgültig (Grüneberg/Grüneberg § 309 Rz 34).
2. Zahlungsverzug.
Rn 34
Nr 6 erfasst nur den Zahlungsverzug. Eine Vertragsstrafe ist in diesen Fällen auch dann unzulässig, wenn die Klausel nicht ausdrücklich, sondern nur indirekt darauf abhebt oder statt auf Verzug auf Nichtzahlung abstellt (BGH NJW 94, 1533; Hambg NJW-RR 88, 651). Unwirksam sind etwa Klauseln, wonach der Kunde eine Überziehungsprovision unabhängig von der Höhe und Dauer der Überziehung zu zahlen hat (BGH NJW 94, 1533).
3. Vertragslösung.
Rn 35
Eine Lösung vom Vertrag liegt vor, wenn der Kunde ausdrücklich (zB durch Rücktritt, Kündigung oder Widerruf) oder konkludent (gleich ob berechtigt oder nicht) erklärt, dass er den Vertrag nicht zu erfüllen gedenkt (MüKo/Wurmnest § 309 Nr 6 Rz 12). Nr 6 greift auch, wenn die Vertragsverletzung derart ist, dass eine weitere Fortsetzung des Vertrages nach Lage des Falles sinnlos wird (MüKo/Wurmnest § 309 Nr 6 Rz 12).
4. Verwender als Zahlungsschuldner.
Rn 36
Ist der Verwender Zahlungsschuldner und der Kunde Sachschuldner, verbietet Nr 6 Strafklauseln nur dann, wenn sie dem Kunden die Zahlung der Vertragsstrafe für den Fall der Lösung vom Vertrag oder der Nichtannahme des Entgelts androhen (Grüneberg/Grüneberg § 309 Rz 37).
II. Verträge zwischen Unternehmern.
Rn 37
Vertragsstrafeklauseln sind im b2b-Verkehr grds wirksam (hM; BGH NJW 76, 1887; MüKo/Wurmnest § 309 Nr 6 Rz 19; Berger ZIP 06, 2154), unterliegen aber der Inhaltskontrolle gem § 307. Das Verschuldenserfordernis kann nur bei Vorliegen besonders gewichtiger Gründe durch AGB abbedungen werden (BGH NJW 99, 2663 [BGH 26.05.1999 - VIII ZR 102/98]), sonst wie auch im b2c-Verkehr nur durch Individualvereinbarung (BGH NJW 98, 3488 [BGH 16.07.1998 - VII ZR 9/97]; 85, 57 [BGH 18.04.1984 - VIII ZR 50/83]). Die Rspr schränkt den Gestaltungsspielraum der Parteien stark ein (Derlin MDR 09, 597).
Rn 38
Einzelfälle (zulässig +; nicht –): Formularmäßige Minderung des Vorbehaltserfordernisses (§ 341 III) (+BGH NJW 79, 212 [BGH 12.10.1978 - VII ZR 139/75]); verschuldensunabhängige Vertragsstrafe entgegen § 339 (grds –BGH NJW 99, 2662 [BGH 26.05.1999 - VIII ZR 102/98]); Ausschluss der Anrechnung der Vertragsstrafe auf den Schadensersatz (§ 340) (–BGH NJW 85, 56 [BGH 11.07.1984 - VIII ZR 35/83]; 75, 163 [BGH 27.11.1974 - VIII ZR 9/73]); Vertragsstrafe für den Fall der einvernehmlichen Vertragsaufhebung (–BGH NJW 85, 57 [BGH 18.04.1984 - VIII ZR 50/83]); Vertragsstrafe für geringfügige Vertragsverletzungen (–BGH NJW-RR 90, 1076 [BGH 21.03.1990 - VIII ZR 196/89]); unbegrenzte Vertragsstrafenklausel in Handelsvertreterverträgen (–BGH NJW 97, 3234 [BGH 07.05.1997 - VIII ZR 349/96]); Vertragsstrafe in Vertragshändlerverträgen bei Veräußerung an nicht autorisierte Weiterveräußerer (+München BB 97, 2399); 3000 DM Strafe für Verletzung eines Automatenaufstellvertrages (–Celle NJW-RR 88, 946 [OLG Celle 25.09.1987 - 2 U 267/86]); Klauseln im Baugewerbe, wonach ein bestimmter Prozentsatz der Auftragssumme pro Kalender-/Arbeitstag der Terminüberschreitung ohne zeitliche Begrenzung zu zahlen ist (0,15 % +; 1,5 % – BGH NJW 83, 385; zur Höchstgrenze des Tagessatzes BGH BauR 02, 790; zur Obergrenze von 5 % BGHZ 153, 326); Strafgeldklauseln für die Beteiligung an Submissionskartellen (+BGH NJW 96, 1209); das 20 fache Entgelt für vertragswidriges Nutzen und Zurückhalten von Adressenmaterial (–BGH NJW 93, 1786 [BGH 28.01.1993 - I ZR 294/90]).