Prof. Dr. Klaus Peter Berger
Rn 75
Entgegen seiner zu weiten Überschrift erfasst Nr 9 nicht alle Dauerschuldverhältnisse, sondern nur Kauf-, Werk- und Dienstverträge, die auf regelmäßige Erbringung von Leistungen durch den Verwender gerichtet sind (Stoffels Rz 719). Der Umfang der Leistung und ihr zeitlicher Abstand können variieren (BGH NJW 93, 1133 [BGH 10.02.1993 - XII ZR 74/91]; KG NJW-RR 94, 1267 [KG Berlin 11.01.1994 - 5 U 6697/92]). Die Leistung kann auch aus Einzelleistungen bestehen, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, sofern die Gesamtmenge nicht festgelegt ist (Sukzessivlieferungsvertrag, BGH NJW 81, 679 [BGH 05.11.1980 - VIII ZR 232/79]).
Rn 76
Nr 9 erfasst zunächst Verträge über die regelmäßige Lieferung von Waren, zB Kaufverträge über den regelmäßigen Bezug von Lebensmitteln (zB Bier Frankf NJW-RR 88, 177 [OLG Frankfurt am Main 01.10.1987 - 6 U 38/87], falls Kunde nicht Unternehmer, § 310 I), von Werbeaufklebern (BGH NJW 82, 2309 [BGH 17.05.1982 - VII ZR 316/81]), von Flüssiggas (U/B/H/Christensen § 309 Nr 9 Rz 10; Martinek BB 89, 1284), von Zeitungen, Zeitschriften und Büchern, auch wenn der Kunde dazu zunächst Mitglied in einem ›Club‹ werden muss (HP/Becker § 309 Nr 9 Rz 8). Auch Teillieferungsverträge sind erfasst (LG Saarbrücken NJW 88, 347 [LG Saarbrücken 25.09.1987 - 11 S 221/86]; offengelassen in BGH NJW 93, 2053 [BGH 10.03.1993 - VIII ZR 85/92]). Für Verträge der Elektrizitäts- und Gasversorgungsunternehmen gilt Nr 9 wegen § 310 II nicht (W/L/P/Dammann § 309 Nr 9 Rz 14).
Rn 77
Verträge über die regelmäßige Erbringung von Dienst- und Werkleistungen umfassen Unterrichtsverträge aller Art (Frankf NJW-RR 87, 438; LG Wuppertal NJW-RR 89, 1524 [LG Wuppertal 14.09.1989 - 9 S 20/89]), Partner- und Ehevermittlungsverträge (MüKo/Wurmnest § 309 Nr 9 Rz 9), Steuerberatungsverträge, Betreuungs- oder Pflegeverträge (BGH NJW 19, 1280 Rz 21; 13, 213 Rz 11), Wartungsverträge (BGH NJW-RR 97, 942 [BGH 08.04.1997 - X ZR 62/95]) und Verträge über Reinigungsleistungen (HP/Becker § 309 Nr 9 Rz 11), Verträge über das Aufstellen von Werbetafeln (LG Gießen NJW-RR 90, 566; LG Frankfurt/M NJW-RR 89, 177 [LG Frankfurt am Main 14.11.1988 - 2/24 S 40/88]) und Franchise-Verträge (MüKo/Wurmnest § 309 Nr 9 Rz 11; aA Grüneberg/Grüneberg § 309 Rz 86; Erdmann BB 92, 795).
Rn 78
Keine Anwendung findet Nr 9 auf Mietverträge, Pacht, Leasing oder sonstige Gebrauchsüberlassungsverträge oder gemischte Verträge, bei denen das mietvertragliche Element überwiegt (BGH NJW 93, 1133 [BGH 10.02.1993 - XII ZR 74/91]; NZM 22, 218 [BGH 11.11.2021 - V ZR 62/21] Rz 75). Bei Fitnessverträgen hängt die Anwendbarkeit der Nr 9 von der konkreten Ausgestaltung ab (BGH NJW 97, 739 [BGH 04.12.1996 - XII ZR 193/95]). Verwalterverträge fallen wegen § 26 I WEG (BGH NJW 02, 3240 [BGH 20.06.2002 - V ZB 39/01]; aA KG NJW-RR 91, 274 [KG Berlin 29.10.1990 - 24 W 6672/89]) und Fernunterrichtsverträge wegen des spezielleren § 5 I FernUSG nicht unter Nr 9 (HP/Becker § 309 Nr 9 Rz 9). Wegen § 310 IV 2 ist Nr 9 auch auf Arbeitsverträge nicht anwendbar (Stoffels Rz 724).
Rn 79
Ausdrücklich von Nr 9 ausgenommen sind Verträge über die Lieferung als zusammengehörig verkaufter Sachen (vgl § 510 I Nr 1; BGH NJW 93, 2052 [BGH 10.03.1993 - VIII ZR 85/92]) sowie Versicherungsverträge. Diese Vertragsarten werden an § 307 gemessen (BVerfG NJW 86, 243 [BVerfG 04.06.1985 - 1 BvL 12/84]), ggf unter Berücksichtigung der Wertungen in Nr 9 (LG Frankfurt/M NJW-RR 89, 176 [LG Frankfurt am Main 14.11.1988 - 2/24 S 40/88]; 89, 888 [LG Frankfurt am Main 03.04.1989 - 2/24 S 135/87]). Die früheren Ausnahmen für Verträge mit urheberrechtlichen Verwertungsgesellschaften sind zum 1.6.16 weggefallen.
I. Laufzeitklauseln (Nr 9a).
Rn 80
Klauseln, die die Erstlaufzeit auf mehr als 2 Jahre festlegen, verstoßen gegen Nr 9a. Die Frist beginnt mit Vertragsabschluss und nach Ablauf einer vereinbarten Probezeit (BGH NJW 93, 326 [BGH 04.11.1992 - VIII ZR 235/91]; 93, 1651 [BGH 17.03.1993 - VIII ZR 180/92]). Es genügt, dass der Anschein einer längeren Bindung als 2 Jahre hervorgerufen wird (Frankf NJW-RR 89, 958 [BGH 12.04.1989 - IVb ZB 23/89]). Bei Verträgen mit einer Laufzeit unter 2 Jahren kann die ordentliche Kündigung, nicht aber die Kündigung aus wichtigem Grund ausgeschlossen werden (BGH NJW-RR 90, 1075 [BGH 10.04.1990 - IX ZR 177/89]; NJW 86, 3134 [BGH 26.05.1986 - VIII ZR 218/85]). Der Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts bei einer Ausbildung, die mehr als 2 Jahre dauert, ist unwirksam (Frankf NJW-RR 87, 438). Bei Verträgen auf unbestimmte Zeit muss dem Kunden ein Kündigungsrecht zustehen, das ihn nicht länger als 2 Jahre an den Vertrag bindet (MüKo/Wurmnest § 309 Nr 9 Rz 16; aA Vertragsauflösung nach 2 Jahren ohne Zutun der Verwendergegenseite U/B/H/Christensen § 309 Nr 9 Rz 13).
Rn 81
Zweijährige oder kürzere Laufzeiten sind nicht generell zulässig, sondern der Inhaltskontrolle nach § 307 zu unterziehen (BGH NJW 93, 326 [BGH 04.11.1992 - VIII ZR 235/91]; 87, 2012). Solche Klauseln sind nur wirksam bei Vorliegen triftiger Gründe ...