Prof. Dr. Klaus Peter Berger
1. Erb- und Familienrecht.
Rn 14
Die Freistellung erb- und familienrechtlicher Verträge von der Geltung des 2. Abschn beruht auf dem durch eine Vielzahl zwingender Vorschriften gewährleisteten gesetzlichen Schutz der Parteien sowie darauf, dass die auf den einfachen Austauschvertrag abzielenden AGB-Vorschriften für derartige Verträge nicht passen (BTDrs 7/3919, 41).
Rn 15
Hieraus folgt zugleich die Grenze der Bereichsausnahme. Sie gilt nicht, wenn der schuldrechtliche Charakter des Vertrages das familien- bzw erbrechtliche Element überwiegt. Die Bereichsausnahme gilt daher nicht für Schenkungsverträge auf den Todesfall, wenn diese sich als Rechtsgeschäfte unter Lebenden darstellen (MüKo/Fornasier § 310 Rz 119), und für Erbschaftskaufverträge nach § 2371 (W/L/P/Schmidt § 310 IV Rz 6; U/B/H/Ulmer/Schäfer § 310 Rz 113; aA HP/Becker § 310 Rz 27). Allein die Tatsache, dass Darlehens-, Schenkungs-, Dienst- oder Mietverträge zwischen Familienangehörigen abgeschlossen werden, lässt diese nicht unter die Bereichsausnahme fallen, es sei denn, sie regeln genuin erb- oder familienrechtliche Rechtspflichten (HP/Becker § 310 Rz 26). Auf AGB für Lebenspartnerschaftsverträge (§ 1 LPartG) ist IV analog anzuwenden (Grüneberg/Grüneberg § 310 Rz 48).
2. Gesellschaftsrecht.
Rn 16
Die Bereichsausnahme beruht auf der Erwägung, dass Verträge auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts nicht auf dem Austausch von Leistungen, sondern auf die Begründung von mitgliedschaftsrechtlichen und/oder organisationsrechtlichen Strukturen zielen, für deren Kontrolle die §§ 305 ff nicht passen (BGH NJW 95, 192). Deshalb gilt die Bereichsausnahme für alle Gesellschaftsformen, also GbR (U/B/H/Ulmer/Schäfer § 310 Rz 121), stille Gesellschaft (BGH NJW 95, 192), OHG, KG, GmbH, AG, KGaA, Genossenschaft (BGH NJW 88, 1729 [BGH 08.02.1988 - II ZR 228/87]), Verein (BGH NJW 98, 454 [BGH 08.10.1997 - IV ZR 220/96]), Partnerschaftsgesellschaft und EWIV (MüKo/Fornasier § 310 Rz 121), nicht dagegen für die Bruchteilsgemeinschaft (W/L/P/Schmidt § 310 IV Rz 11 aE) und partiarische Rechtsverhältnisse (BGH NJW 95, 192 [BGH 10.10.1994 - II ZR 32/94]), für Anleihebedingungen (BGH NJW 20, 986 [BGH 16.01.2020 - IX ZR 351/18] Rz 23), auch nicht für Berechtigungsverträge mit der GEMA (BGH NJW 09, 778 [BGH 18.12.2008 - I ZR 23/06]).
Rn 17
Die Bereichsausnahme gilt nicht für Verträge, die zwar im Zusammenhang mit einem gesellschaftsrechtlichen Rechtsverhältnis stehen, aber nicht die gemeinsame Zweckförderung, sondern die Regelung einer vertraglichen Austauschbeziehung zum Gegenstand haben (BGH NJW 93, 57). Dies gilt etwa für Depotstimmrechtsverträge (BTDrs 7/3919, 41), Genussrechtsbedingungen (BGHZ 119, 312; München WM 16, 645, 646), Anstellungsverträge mit einem Gesellschafter-Geschäftsführer (HP/Becker § 310 Rz 32) und sonstige Austauschverträge zwischen Gesellschaft und Gesellschafter (BGH NJW-RR 92, 379 [BGH 11.11.1991 - II ZR 44/91]), auf das Versicherungsverhältnis bezogene Regelungen in AVB eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit (BGH NJW 98, 454 [BGH 08.10.1997 - IV ZR 220/96]), vertragliche Vereinbarungen zwischen einem Verein und ihm nicht angehörigen Dritten (BGH BB 72, 1073) sowie sonstige Klauseln in Satzungen oder Gesellschaftsverträgen, soweit sie im Kern nicht mitgliedschafts-, sondern vertragsrechtlicher Natur sind (HP/Becker § 310 Rz 32). S zum Erwerb einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung zum Zweck der privaten Vermögensanlage Rn 7; zur Inhaltskontrolle von Vereinssatzungen und Gesellschaftsverträgen von Publikums-KGen Vor § 305 ff Rn 11.