Prof. Dr. Michael Stürner
I. Ausgangspunkt.
Rn 68
Das die Schutzpflicht (§ 241 II) begründende Schuldverhältnis besteht idR zwischen den Parteien des intendierten Vertrags (etwa BGHZ 159, 94, 102). Stellvertreter oder andere Verhandlungsgehilfen haften daher idR nicht aus cic, wohl aber uU aus Delikt (zB Beihilfe zum Betrug mit § 823 II). Doch soll nach BGHZ 114, 253, 272 ein Verhandlungsgehilfe durch persönliche Vertrauenswerbung mit besonderer Sachkunde (dort in Steuersachen) die Sorgfaltspflichten des Schuldners entsprechend verstärken können, so dass diesem ein Fehler des Gehilfen über § 278 zugerechnet wird. Denn die vom Verhandlungsgehilfen behauptete Sachkunde komme in ihrer werbenden Wirkung dem Schuldner selbst zugute. Weitergehend hat die Rspr aber schon seit langem (etwa RGZ 120, 249, 252 BGHZ 14, 313, 318) auch die persönliche Haftung eines Dritten angenommen, der zwar nicht selbst Vertragspartei werden sollte, aber auf die Vertragsverhandlungen maßgeblich Einfluss genommen hat. Als Grund für diese Haftung ist teils ein eigenes wirtschaftliches Interesse an dem Vertragsschluss genannt worden (etwa BGHZ 14, 313, 318), teils auch die Inanspruchnahme von Vertrauen für sich – den Dritten – selbst, wie es etwa der gesetzliche Vertreter (vgl Ballerstedt AcP 151, 501) oder eine besonders sachkundige Person tun kann (allg dazu Wendelstein JURA 18, 144; Temming/Weber JURA 19, 923 u 1039; zur Haftung des Sanierungsberaters Schmittmann ZInsO 11, 545; zur Haftung des Plattformbetreibers Hauck/Blaut NJW 18, 1425; zur Haftung von Influencern Benz/Kohler ZfPW 20, 490). Solche Dritten sind oft (wenig aussagekräftig) als ›Sachwalter‹ bezeichnet worden und ihre persönliche Verpflichtung als Sachwalterhaftung.
II. Haftungsvoraussetzungen.
1. Das Regelbeispiel.
Rn 69
Wann eine Haftung des Dritten entsteht, ist in III 2 nur durch ein Regel-Bsp angedeutet. Dieses folgt aus der Begründung der cic-Haftung aus enttäuschtem Vertrauen. Danach muss der Dritte Vertrauen für sich selbst (und nicht für die künftige Vertragspartei) in Anspruch genommen haben. Nach BGH NJW 04, 2523, 2525 [BGH 04.05.2004 - XI ZR 40/03] muss der Dritte dazu an den Vertragsverhandlungen selbst beteiligt oder in deren Rahmen mit einem Anspruch auf Vertrauen hervorgetreten sein. Dieses Vertrauen muss sich gerade auf die besondere Qualifikation des Dritten stützen (vgl u. Rn 70). In Bezug auf den sog ›VW-Dieselskandal‹ verneint die obergerichtliche Rspr daher bislang eine Sachwalterhaftung des Herstellers (Braunschw ZIP 19, 815 Rz 97 ff; München 4.12.19 – 3 U 2943/19, juris Rz 31; 5.2.20 – 3 U 6342/19, juris Rz 20; Stuttg AG 21, 119 Rz 53 ff; Stuttg AG 21, 119 Rz 53; Köln 30.6.21 – I-22 U 98/19 Rz 65).
Rn 70
In besonderem Maße muss dieses Vertrauen in Anspruch genommen worden sein; das ›normale Verhandlungsvertrauen‹ genügt nicht (BGHZ 126, 181; Kobl ZIP 03, 571, 573). Es muss also eine zusätzliche, von ihm persönlich ausgehende Gewähr für die Seriosität und Erfüllung des Geschäfts geboten worden sein (BGHZ 88, 67, 69; 126, 181, 189). Bloßes Überreden zum Abschluss eines Optionsgeschäfts unter Berufung auf die Erfahrung und das berufliche Wissen als ehemaliger Bankkaufmann und der Vergleich mit der Sicherheit einer ärztlichen Diagnose sollen nicht genügen. Gleichfalls nicht genügen soll das Auftreten als ausgewiesener Fachmann (BGH ZIP 93, 1785, 1787: ›ausgewiesener Werbefachmann mit guten kaufmännischen Erfahrungen‹). Die Erklärung des Dritten müsse sich geradezu ›im Vorfeld einer Garantie‹ bewegen (BGHZ 126, 181; Kobl ZIP 03, 571, 573, auch BGH ZIP 08, 1526 Rz 13 für organschaftliche Vertreter). Ausreichen lassen hat es BGHZ 87, 27, 31 dagegen, wenn ein Bruder des Kreditnehmers die Kreditwürdigkeit bestätigt (zweifelhaft). Eine Haftung kommt auch dann in Betracht, wenn sich ein früherer Spitzenpolitiker und ehemaliger Inhaber eines Lehrstuhls ua für Finanzrecht in einem Emissionsprospekt ohne hinreichende tatsächliche Grundlage positiv über die Eigenschaften der Finanzanlage äußert, BGHZ 191, 310 Rz 28 ff; dazu Klöhn WM 12, 97.
Rn 71
Diese Fallgruppe der cic umfasst also auch Fälle einer Expertenhaftung (hierzu Faust AcP 210, 555). Weitere solche Fälle finden sich traditionell beim Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte: Dort wird gefragt, welche Dritten sich noch im Schutzbereich des Vertrags mit dem Experten befinden. Der sachliche Unterschied besteht wohl darin, dass beim Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte der Dritte räumlich und oft auch zeitlich weit von den Vertragsverhandlungen entfernt ist. Der Gesetzgeber des SchRModG (BTDrs 14/6040, 163) hat erwogen, künftig könnten auch diese Fälle nach III behandelt werden. Doch ist dies auf Widerstand gestoßen (etwa Grüneberg/Grüneberg Rz 60). Zur Haftung von Ratingagenturen nach III Berger/Stemper WM 10, 2289; Grundmann/Renner JZ 13, 379; zur Haftung nach EU-Recht Wojcik NJW 13, 2385; zur Haftung eines Abschlussprüfers Fischer/Zastrow GWR 20 351.
Rn 72
Durch das Vertrauen müssen die Vertragsverhandlungen oder der Vertragsschluss erheblich beeinflusst worden sein. Das (›erheblich‹) geht über das allg...