Prof. Dr. Michael Stürner
I. Anwendungsbereich, I.
1. Vertragsgegenstand.
Rn 1
Der Vertrag muss eine Verpflichtung zur Änderung des Eigentums (auch von Miteigentumsanteilen) an einem Grundstück enthalten, also zur Übertragung oder zum Erwerb von Eigentum an einem Grundstück verpflichten. Einem Grundstück stehen gleich das Wohnungseigentum (§ 4 III WEG) und das Erbbaurecht (§ 11 ErbbauRG dazu Nürnbg MittBayNot 21, 234), auch das Sondereigentum an Gebäuden nach dem ZGB der DDR (Art 231 § 5 EGBGB).
Rn 2
Nicht anwendbar ist I auf Verpflichtungen zur Belastung des Eigentums. Eine Ausnahme bildet hier das Vorkaufsrecht (BGH DNotZ 03, 426 [BGH 09.01.2003 - IX ZR 422/99]), weil dieses eine Verpflichtung zur Übereignung herbeiführen kann. Die zur Bestellung eines dinglichen Vorkaufsrechts gemäß § 873 erforderliche Einigung hingegen muss, anders als das Verpflichtungsgeschäft, nicht notariell beurkundet werden (BGH NJW 16, 2035 Rz 13 ff). Die Verpflichtung zur Übertragung eines Gesellschaftsanteils fällt idR nicht unter I, selbst wenn das Gesellschaftsvermögen im Wesentlichen aus Grundstücken besteht (BGHZ 86, 367). Dagegen passt I für einen Gesellschaftsvertrag, der zur Einbringung eines Grundstücks verpflichtet (BFHE 279, 450 Rz 41; dazu am Bsp der GbR Berninger DStR 10, 874). Ebenso fällt unter I die Verpflichtung zu einer Änderung der Eigentumsform, etwa zur Umwandlung von Gesamthandseigentum in Miteigentum nach Bruchteilen oder Alleineigentum (etwa bei einer Erbauseinandersetzung, RGZ 129, 122, 123). Eine Schiedsklausel in einem Vertrag über den Verkauf und die Übertragung von Grundstücken ist nicht deshalb nach I iVm § 125 S 1 nichtig, weil sie auf eine Schiedsgerichtsordnung Bezug nimmt, die nicht mit beurkundet worden ist (BGH WM 14, 2136).
Rn 3
Die bloße Verpflichtung zur Abtretung eines Anspruchs auf Grundstücksübertragung ist formfrei, weil sie nur die Person des Erwerbers ändert (BGHZ 57, 394, 397). Dagegen soll nach BGHZ 49, 197, 202 (obiter) für die Übertragung des Anwartschaftsrechts eines Auflassungsempfängers § 925 gelten; dann dürfte auf die entspr Verpflichtung auch § 311b anzuwenden sein (vgl aber u. Rn 12).
Rn 4
Eine Bedingung ändert an der Formbedürftigkeit nichts (BGHZ 57, 394, 397). Vorverträge sind formbedürftig, wenn sie schon eine Partei (womöglich bedingt) verpflichten und nicht bloß Absichten erklären (BGHZ 82, 398, 403; 97, 147, 153). Formbedürftig ist auch die Einräumung einer Option auf den Erwerb von Grundstückseigentum, regelmäßig auch die Erklärung der Ausübung dieses Rechts (sie verpflichtet ja ebenso zum Erwerb wie die Annahme eines Verkaufsantrags). Doch kann die Auslegung des Vertrags über die Option ergeben, dass diese schon einen aufschiebend bedingten Kaufvertrag darstellt: Dann ist die den Bedingungseintritt bewirkende Ausübungserklärung formfrei (vgl BGH DNotZ 63, 230, 232 [BGH 20.06.1962 - V ZR 219/60]).
2. Mittelbarer Zwang.
Rn 5
Nach einer verbreiteten Rspr soll schon ein bloß mittelbarer Zwang zu Veräußerung oder Erwerb von Grundstückeigentum für die Formbedürftigkeit genügen (BGH NJW 90, 391 [BGH 19.09.1989 - XI ZR 10/89]; NJW-RR 08, 824 [BGH 25.01.2008 - V ZR 118/07]; Karlsr MDR 17, 638 [OLG Dresden 01.12.2016 - 4 U 752/16]). Hierfür soll es nämlich ausreichen, dass für das Unterlassen von Veräußerung oder Erwerb wesentliche wirtschaftliche Nachteile vereinbart werden. Das gilt etwa für das Versprechen einer Vertragsstrafe (BGH NJW 70, 1915, 1916 [BGH 01.07.1970 - IV ZR 1178/68]), ebenso für erhebliche Vergütungen, die einem Makler für den Fall versprochen werden, dass der Auftraggeber einen Abschluss verweigert. Hierzu gibt es eine umfangreiche Rspr. Danach soll I anwendbar sein, wenn die Zahlungspflicht ›einen unangemessenen Druck in Richtung auf die Grundstücksveräußerung (oder den Erwerb) bedeutet‹; dabei sei die Bezeichnung der geschuldeten Leistung bedeutungslos (BGH NJW 80, 1622, 1623 [BGH 06.02.1980 - IV ZR 141/78]). Schon ein Betrag, der 10–15 % der vereinbarten Provision übersteigt, soll zur Formbedürftigkeit führen (BGH aaO). Formbedürftig ist endlich die Vereinbarung einer Verfallklausel (BGH NJW 79, 307 [BGH 03.11.1978 - V ZR 30/77]).
Rn 6
Doch soll ein Vertrag über den Kauf eines Fertighauses nicht schon deshalb der Form bedürfen, weil der Käufer für die Aufstellung irgendein Grundstück erwerben muss (BGHZ 76, 43). Andererseits soll der Vertrag über den Bau einer Doppelhaushälfte der Form bedürfen, wenn sich der Unternehmer zur Beschaffung des für den Bau benötigten Grundstücks verpflichtet (BGHZ 78, 346; Kobl NJW-RR 14, 982 Rz 24 mwN).
3. Umfang des Formerfordernisses.
Rn 7
Der Beurkundung bedarf der Vertrag, also Antrag und Annahme. Dabei beschränkt sich das Formerfordernis nicht auf die das Grundstück betreffenden Abreden. Formbedürftig sind vielmehr alle Vereinbarungen, die nach dem erkennbaren und von der Gegenpartei hingenommenen Willen auch nur einer Partei zusammen mit der Grundstücksübertragung gelten sollen (BGHZ 74, 340, 348). Anders gesagt sind formbedürftig alle Vertragsteile, die miteinander stehen und fallen sollen (BGHZ 101, 393, 396; BGH NJW-RR 09, 953, 954 mwN; BGHZ 207...