Prof. Dr. Michael Stürner
I. Regelungszweck.
Rn 9
Die in II genannten Verträge werden vom Anwendungsbereich der §§ 312a–h ausgenommen. Diesbezüglich hat der Unternehmer bei Telefonanrufen seine Identität und den geschäftlichen Zweck des Anrufs offenzulegen (§ 312a I) und die Bestimmungen zur Wirksamkeit eines Entgelts für die Nutzung von Zahlungsmitteln (§ 312a III) und zur Wirksamkeit einer entgeltlichen Nebenleistung (§ 312a IV) zu beachten. Weiter ist der Unternehmer auch bei diesen Verträgen an § 312a VI gebunden; § 312a V ist indessen unbeachtlich (krit Wendehorst NJW 14, 577, 580; s nun zum 28.5.22 für Personenbeförderungsverträge VIII). Im Interesse eines hohen Verbraucherschutzniveaus ist es geboten, diese grundlegenden Bestimmungen möglichst umfassend anzuwenden (BTDrs 17/12637, 46). Umgehungsgeschäfte sind nach § 312m I 2 (zum 1.7.22) unzulässig. Auch §§ 312i und 312j sind anwendbar. Im Einzelnen unterfallen der Bereichsausnahme des II die nachfolgenden Verträge.
II. Nr 1a).
Rn 10
Notariell beurkundete Verträge über Finanzdienstleistungen, die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen wurden. Der Gesetzgeber konnte frei entscheiden, ob er diese Verträge vom Anwendungsbereich der §§ 312 ff erfasst wissen will, da diese weder den Vorgaben der VRRL noch den Vorgaben der FernabsFinDienstlRL unterliegen, die beide eine so weitreichende Ausnahme nicht decken würden (BTDrs 17/13951, 97). Für Fernabsatzverträge über Finanzdienstleistungen ist § 312g II Nr 13 zu beachten, der für diese Verträge unter bestimmten Voraussetzungen ein Widerrufsrecht ausschließt (s dazu § 312g Rn 20).
III. Nr 1b).
Rn 11
Sonstige notariell beurkundete Verträge. Hiervon betroffen sind allein Verträge, für die sich eine entsprechende Verpflichtung aus dem Gesetz ergibt. Auf Verträge, die notariell beurkundet werden, obwohl eine Verpflichtung hierzu nicht besteht, trifft dies nur dann zu, wenn der Notar darüber belehrt, dass die Informationspflichten nach § 312d I und das Widerrufsrecht nach § 312g I entfallen sollen. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass der Verbraucher diese Rechtsfolgen einer freiwilligen notariellen Beurkundung des Vertrags erkennt (BTDrs 17/13951, 97; krit Wendehorst NJW 14, 577, 580f). Allerdings lässt § 312g II Nr 13 das Widerrufsrecht bei ›freiwillig‹ beurkundeten Verträgen ohnehin entfallen (dazu § 312g Rn 19).
IV. Nr 2.
Rn 12
Auch auf Verträge über die Begründung, den Erwerb oder die Übertragung von Eigentum oder anderen Rechten an Grundstücken sind die §§ 312 ff nicht anwendbar. Ob der Abschluss dieser Verträge notariell zu beurkunden ist, ist mit Blick auf II Nr 1 nicht maßgeblich. Bei Grundstücksverträgen, die eine Einheit mit einem Vertrag über eine Finanzdienstleistung bilden, bleiben die in § 312d II genannten Informationspflichten bestehen (BTDrs 17/12637, 46). Zum Ausschluss der §§ 312 ff auf Vereinbarungen zur Bewilligung einer Dienstbarkeit Dresd 24.11.20 – 9 U 1404/20.
V. Nr 3.
Rn 13
Die Ausnahme der Nr 3 bezog sich bislang auf Verträge über den Bau neuer Gebäude oder erhebliche Umbaumaßnahme an bestehenden Gebäuden; sie geht zurück auf Art 3 III lit f VRRL. Grund ist, dass die Bestimmungen der VRRL sich für diese Verträge nicht eignen (ErwGr 26 VRRL; näher Glöckner BauR 14, 411). Der Begriff der erheblichen Umbaumaßnahmen wird in BTDrs 17/12637, 46 konkretisiert: Erfasst sind nur solche Umbaumaßnahmen, die dem Bau eines neuen Gebäudes vergleichbar sind, zB Baumaßnahmen, bei denen nur die Fassade eines alten Gebäudes erhalten bleibt. Verträge über die Errichtung von Anbauten, zB einer Garage oder eines Wintergartens, sollen damit nicht erfasst sein. Nicht ausreichend soll auch sein, wenn allein das Dach eines Hauses gedeckt wird; die Herstellung eines einzelnen Gewerks genügt nicht (BGHZ 236, 347 Rz 21 ff). Ein zwischen einem Architekten und einem Verbraucher geschlossener Vertrag, nach dem Ersterer dem Letzteren nur die Planung eines neu zu errichtenden Einfamilienhauses und in diesem Zusammenhang die Herstellung von Plänen schuldet, fällt wiederum nicht unter die eng auszulegende Bereichsausnahme der Nr 3 (EuGH 14.5.20, C-208/19 – NK/MS, ECLI:EU:C:2020:382 Rz 39 ff). Ein Planervertrag eines Architekten stellt keinen Vertrag iSd Nr 3 aF dar (Stuttg NJW 18, 3394, Köln BauR 18, 142). Die Norm wurde neugefasst durch das Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts, zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung, zur Stärkung des zivilprozessualen Rechtsschutzes und zum maschinellen Siegel im Grundbuch- und Schiffsregisterverfahren vom 28.4.17 (BGBl I, 969), das am 1.1.18 in Kraft getreten ist. Nr 3 enthält nunmehr eine Bereichsausnahme für Verbraucherbauverträge iSd § 650i I. Eine inhaltliche Änderung wurde durch die Neufassung nicht beabsichtigt.
VI. Nr 4 aF.
Rn 14
Die Vorschrift wurde mWv 1.7.18 aufgehoben (Rn 1). Stattdessen wurde in VII nF eine Sonderregelung für Pauschalreiseverträge eingefügt (Rn 34 f).
VII. Nr 5 aF.
Rn 15
Die Vorschrift wurde mWv 28.5.22 aufgehoben (Rn 1). Stattdessen wurde – inhaltlich weitgehend unverändert – eine Sonderregelung für Personenbeförderungsverträge in VIII nF eingefügt (Rn 36...