Prof. Dr. Michael Stürner
I. Funktion.
Rn 26
Bei der gewerblichen Vermietung von Wohnraum (Begriff § 549 Rn 2) sind neben den in §§ 535 ff enthaltenen Vorschriften die Informationspflichten des § 312a I, III, IV und VI zu beachten (zum Ganzen Gsell WuM 14, 375; speziell zum Widerrufsrecht Hau NZM 15, 435; Rolfs/Möller NJW 17, 3275; Fervers NZM 18, 640). Weiter steht dem Mieter gegen den gewerblichen Vermieter bei Mietverträgen, die im Fernabsatz oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen werden, ein Widerrufsrecht zu (näher Streyl NZM 15, 433); auch sind die für diese Verträge gesondert geltenden Informationspflichten zu beachten. Hierfür besteht ein sachliches Bedürfnis trotz der zahlreichen Vorschriften zugunsten des Mieters im sozialen Mietrecht, da insbesondere bei Änderungen des bereits geschlossenen Mietvertrags Gefahren durch Überrumpelung und psychischen Druck bestehen (BTDrs 17/12637, 48). Zur Widerruflichkeit der in einer Haustürsituation getroffenen Modernisierungsvereinbarung BGH NJW 17, 2823 [BGH 17.05.2017 - VIII ZR 29/16] (zum alten Recht). Kein Widerrufsrecht besteht allerdings hinsichtlich einer im Wege des Fernabsatzes geschlossenen Vereinbarung der Mietvertragsparteien über die Erhöhung der Wohnraummiete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete (§§ 558a I, 558b I); IV 1 ist insoweit teleologisch zu reduzieren, da keine Überrumpelungssituation vorliegt (BGH WM 18, 2334 Rz 39 ff).
II. Europarechtliche Vorgaben.
Rn 27
Die VRRL schreibt dem Gesetzgeber eine IV entsprechende Regelung nicht vor, schließlich nimmt sie in Art 3 III lit b VRRL Verträge über Wohnraummiete von ihrem Anwendungsbereich aus. Da die in §§ 312 ff enthaltenen Verbrauchervorschriften bereits bisher auf Wohnraummietverträge Anwendung fanden, dehnte der Gesetzgeber die Bestimmungen der VRRL teilweise auf Wohnraummietverträge auf, um Mieter nicht schlechter als nach bisherigem Recht zu stellen (vgl BTDrs 17/12637, 48). Aus ErwGr 13 VRRL ergibt sich, dass ein solches Vorgehen trotz Vollharmonisierung zulässig ist.
III. Rechtslage bei Besichtigung der Wohnung, IV 2.
Rn 28
Hat der Mieter die Wohnung vor Unterzeichnung des Mietvertrags besichtigt, bedarf der Mieter des Schutzes des IV 1 nicht (Beweislast für ordnungsgemäße Besichtigung trägt der Vermieter, vgl Hau NZM 15, 435, 439). Mit IV 2 reagiert der Gesetzgeber auf die Erkenntnis, dass Mietverträge häufig im unmittelbaren Anschluss an eine Besichtigung der zu vermietenden Wohnung oder aber an gleicher Stelle in einem zweiten Besichtigungstermin nach Klärung der letzten offenen Fragen abgeschlossen werden (BTDrs 17/12637, 48). Für Mietverträge, die im Fernabsatz geschlossen wurden, ergibt sich diese Rechtslage bereits daraus, dass diese Verträge ausschließlich durch Fernkommunikationsmittel geschlossen werden müssen (dazu § 312c Rn 9), so dass es für diese Verträge der Gegenausnahme in IV 2 nicht bedurft hätte. Zur Situation bei digitalen Wohnungsbesichtigungen infolge der Corona-Pandemie Göldner WuM 20, 529.
Rn 29
IV 2 gilt ausweislich des Wortlauts (›Begründung‹) nicht für Vertragsänderungen nach Abschluss des Mietvertrags, zB bei Abreden über Mieterhöhungen oder beim Abschluss von Aufhebungsverträgen (zu diesen Bsp BTDrs 17/12637, 48). Werden diese im Fernabsatz oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen, besteht damit ein Widerrufsrecht für den Mieter; der Vermieter hat dann die speziell für diese Verträge geltenden Informationspflichten zu beachten.