Prof. Dr. Michael Stürner
Rn 7
§ 312b ist allein auf Verträge anzuwenden, bei denen sich der Verbraucher zur Zahlung eines Preises verpflichtet (s dazu § 312 Rn 5 ff). Dies entspricht der bisher nach § 312 I aF bestehenden Rechtslage. § 312b erfasst nur Verträge, an denen ein Unternehmer auf Seiten des Lieferers und ein Verbraucher auf Seiten des Abnehmers beteiligt ist (BGH NJW 15, 1009 [BGH 10.12.2014 - VIII ZR 90/14] zum Fernabsatzvertrag; aA für Außergeschäftsraumverträge Maume NJW 16, 1041). Hinsichtlich der Frage, auf welche Verträge die Vorschriften über außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge keine Anwendung finden, ist auf die allgemeine Regelung in § 312 II–VI zu verweisen. Zu einer möglichen Überschneidung des Anwendungsbereichs von § 312b I 1 Nr 3 und § 312c s § 312c Rn 6, Rn 12 sowie auch unten Rn 17).
Rn 8
Problematisch ist die Behandlung von Bürgschaftsverträgen. Nach der neuen Rspr des BGH sollen sie nicht als entgeltliches Rechtsgeschäft anzusehen sein, sodass sie den §§ 312 ff nicht unterfallen und sich das Problem des Widerrufs von vornherein nicht stellt (BGHZ 227, 72 Rz 26 ff). Das ist zumindest zweifelhaft (dazu § 312 Rn 7). Bejaht man die Anwendbarkeit der §§ 312 ff, so stellt sich die Frage, unter welchen Umständen ein Widerruf erfolgen kann. Nach EuGH 17.3.98, C-45/96 – Dietzinger, NJW 98, 1295 muss nicht nur der Bürge, sondern auch der Hauptschuldner Verbraucher sein und die Hauptschuld aus einer Haustürsituation stammen (ebenso in der Folge BGHZ 139, 21, 24 ff). Diese aus der Akzessorietät der Bürgschaft abgeleitete Lösung wurde mit Recht ganz überwiegend missbilligt: Der Schutz des überrumpelten Bürgen darf nicht von einer Überrumpelung des Hauptschuldners abhängen. Anders als der EuGH entscheidet für eine Verpfändung auch der XI. ZS (BGHZ 165, 363), was auch für die Bürgschaft und die Schuldmitübernahme gilt (XII. ZS: NJW 07, 2110, 2111). Entscheidend ist allein das Vorliegen einer Haustürsituation beim Bürgen. Europarechtlich war diese Abweichung von der Rspr des EuGH bislang unbedenklich, da es den Mitgliedstaaten nach Art 8 HausTWRL frei stand, für den Verbraucher günstigere Regelungen aufzustellen. Aus der nunmehr vollharmonisierenden VRRL (§ 312 Rn 2) könnte geschlossen werden, dass die Rspr des BGH nicht mehr haltbar ist, sofern die Dietzinger-Rspr auch unter Geltung der VRRL Gültigkeit haben sollte. Nachdem die VRRL jedoch nicht mehr auf Kauf- und Dienstverträge beschränkt ist, sondern nach Art 3 I VRRL ›jegliche Verträge‹ erfasst, ist davon auszugehen, dass die frühere BGH-Rspr richtlinienkonform ist (Nw 15. Aufl; näher Staud/Stürner 20, Vor § 765 Rz 81g ff). Dies gilt auch unter dem durch die ModernisierungsRL (Vor §§ 312 ff Rn 4a) geänderten Art 3 I VRRL, wonach der RL alle Verträge unterfallen, die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher geschlossen werden, bei denen der Verbraucher den Preis zahlt oder die Zahlung des Preises zusagt.