Prof. Dr. Michael Stürner
1. Persönliches Handeln.
Rn 9
§ 312b behandelt den Abschluss von Verträgen, bei denen idR auf der Anbieterseite ein Unternehmer (§ 14) und auf der Abnehmerseite ein Verbraucher (§ 13) steht. Doch wird ausweislich des Wortlauts des § 312b I 1 auch die umgekehrte Konstellation erfasst (Rn 7). Unanwendbar ist § 312b dagegen bei Geschäften zwischen Verbrauchern oder zwischen Unternehmern. Hier kommt aber eine Haftung aus cic nach § 311 II in der Form der Belastung mit einem unerwünschten (aufgedrängten) Vertrag in Betracht (vgl § 311 Rn 56 ff).
2. Beteiligung Dritter, I 2.
a) Grundsätze der Zurechnung.
Rn 10
I 2 stellt dem Unternehmer solche Personen gleich, die in seinem Namen oder Auftrag handeln. Zurück geht dies auf Art 2 Nr 2 VRRL. Über I 2 ist gewahrt, dass von einer gleichzeitigen körperlichen Anwesenheit iSd I 1 auch ausgegangen werden kann, wenn etwa ein Stellvertreter oder Vermittler des Unternehmers unter den Voraussetzungen des I 1 Nr 1–4 einen Vertrag mit einem Verbraucher abschließt. Im Rahmen des § 312 I aF war streitig, unter welchen Voraussetzungen dem Unternehmer die von einer für ihn handelnden Person geschaffenen Haustürsituation zuzurechnen ist. Das ist für seine Vertreter oder Vermittler bejaht worden, auch für Sammelbesteller oder Partyverkäufer. Bei Dritten sollten die zu § 123 II entwickelten Regeln (§ 123 Rn 27 ff) entspr gelten (BGH NJW 03, 424, 425; ZIP 05, 67, 68 f, beide XI. ZS). BGHZ 159, 280, 285 (II. ZS) ließ es für fahrlässige Unkenntnis genügen, dass die Umstände den Unternehmer zu Erkundigungen über das Auftreten des Dritten veranlassen mussten, enger insoweit der XI. ZS. Nach BGH NJW 05, 2545 [BGH 30.05.2005 - II ZR 319/04] (II. ZS) sollte es unerheblich sein, ob der Unternehmer die Rechtserheblichkeit der Haustürsituation erkennen konnte. Dem hat aber der EuGH widersprochen (Urt v 25.10.05, C-229/04 – Crailsheimer Volksbank, NJW 05, 3555): Die HausTWRL erfordere nur das objektive Vorliegen einer Haustürsituation. Dieser Auslegung hat sich der BGH angeschlossen (II. ZS: NJW 06, 497 [BGH 12.12.2005 - II ZR 327/04]; XI. ZS: NJW 06, 1340 [BGH 14.02.2006 - XI ZR 255/04]), so dass die entspr Anwendung von § 123 II als überholt galt. Man wird für I 2 ebenfalls von einer objektiven Betrachtungsweise auszugehen haben. Einen anderen Schluss lassen Art 2 Nr 2 VRRL und jetzt auch I 2 kaum zu. Ob auch die Geschäftsräume einer Person zuzurechnen sind, die für den Unternehmer die Geschäfte mit dem Verbraucher lediglich anbahnt, ohne selbst vertretungsbefugt zu sein, ist bislang nicht entschieden (EuGH-Vorlagen LG Ravensburg 24.8.21, 2 O 238/20 Rz 57 sowie 28.9.21, 2 O 378/20, 2 O 390/20, VuR 22, 115).
b) Stellvertretung.
Rn 11
Die VRRL geht auf die Frage der Stellvertretung eines Verbrauchers nicht ein. Als zulässig und naheliegend erscheint es daher, bei der Vertretung des Verbrauchers auf die zu § 312 I aF entwickelten Grundsätze entsprechend zurückzugreifen. Bei einer Vertretung des Verbrauchers durch einen Verbraucher wurde danach zwischen der Vollmachtserteilung und dem vom Vertreter abgeschlossenen Geschäft getrennt. Für dieses Geschäft war allein entscheidend, ob der Vertreter sich in einer Haustürsituation befunden hat. Nur wenn dies bejaht wurde, konnte der Verbraucher das Geschäft widerrufen. Übertragen auf § 312b heißt das, dass der Vertreter sich bei Abschluss des Vertrags für den Verbraucher in einer Situation befunden haben muss, in der ihm ein reifliches Überlegen sowie ein Preisvergleich nicht möglich war. Andernfalls wird man, wie dies im Rahmen des § 312 I 1 aF von der Rspr angenommen wurde, nur an einen Widerruf der Vollmacht denken können, wenn diese einem Unternehmer in einer von I 1 Nr 1–4 erfassten Situation erteilt wurde (vgl zur stRspr zu § 312 I 1 aF etwa BGHZ 144, 223, 227; BGH ZIP 05, 69, 75, auch BVerfG NJW 04, 151, 152). Voraussetzung für ein solches Vorgehen ist jedoch, dass man die Vollmachtserteilung als Vertrag über eine entgeltliche Leistung iSv § 312 I nF ansieht. Selbst dann bleibt jedoch § 172 zu beachten: Eine schriftlich erteilte Vollmacht, die dem Geschäftspartner vorgelegen hat, gilt nach den §§ 171, 173 ggü einem Redlichen fort. BGHZ 144, 223, 230 hat zu § 312 I 1 aF entschieden, dass diese Redlichkeit zu vermuten ist.
Rn 12
In Fällen, in denen ein Verbraucher durch einen Unternehmer vertreten wurde, kommt nach hM § 312 nicht zur Anwendung (etwa Grüneberg/Grüneberg Rz 8). Es fehlte dann bei den Verhandlungen an dem situativen Ungleichgewicht zwischen Unternehmer und Verbraucher, da sich ein Unternehmer nicht so leicht überrumpeln lässt. Aufgrund des vergleichbaren Schutzzwecks des § 312b (dazu Rn 4) werden diese Grundsätze gleichermaßen Geltung beanspruchen können.
Rn 13
Nach dem Gesagten wird bei einem Vertragsschluss durch einen Ehegatten für den nach § 1357 Mitverpflichteten nur darauf abzustellen sein, ob sich der Abschließende in einer I 1 Nr 1–4 unterfallenden Situation befand.