Prof. Dr. Michael Stürner
I. Beteiligte.
Rn 7
Es müssen sich wie bei § 312b (vgl § 312b Rn 9) ein Unternehmer und ein Verbraucher gegenüberstehen. Für die Stellvertretung gilt hier ebenso wie bei § 312b, dass die situativen Erfordernisse bei dem handelnden Vertreter vorliegen müssen. Dies bestimmt I für den Unternehmer (›oder eine in seinem Namen oder Auftrag handelnde Person‹) nun ausdrücklich (s dazu bereits Rn 4). Eine Wissenszurechnung analog § 166 I kommt in Betracht, wenn ein Dritter mit der Erledigung bestimmter Angelegenheiten in eigener Verantwortung betraut wurde, ohne dass hiermit eine Vertretungsmacht verbunden sein müsste (Köln WM 19, 825 Rz 5). Ein persönlicher Kontakt des vertretenen Verbrauchers mit dem Unternehmer schließt analog § 166 II eine Anwendung des § 312c aus, wenn der Vertreter nach bestimmten Weisungen handelt (BeckOK/Martens Rz 29): Es soll verhindert werden, dass etwa der Verbraucher die Ware im Laden untersucht und dann den Vertreter zu einer telefonischen Bestellung veranlasst und sich so ein Widerrufsrecht verschafft. Mit den Bestimmungen der VRRL steht dies in Einklang, was sich aus ErwGr 14 VRRL ergibt, wonach die VRRL innerstaatliches Vertragsrecht unberührt lässt, sowie mittelbar aus ErwGr 20 VRRL (dazu auch Rn 11).
II. Eigenart des Vertragsschlusses.
Rn 8
Charakteristisch für den Fernabsatzvertrag ist nicht sein Gegenstand, sondern die Art seines Abschlusses: Nach I ist nötig, dass der Unternehmer und der Verbraucher ›für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwenden, es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt‹. Daraus ergeben sich drei Tatbestandsmerkmale:
1. Fernkommunikationsmittel.
Rn 9
Diese werden in II definiert. Es handelt sich danach nicht bloß um neuartige elektronische Mittel, sondern auch um Briefe, Kataloge (Versandhandel!), Werbeprospekte mit Bestellpostkarte (BGH GRUR 19, 961; WM 17, 1474 sowie EuGH 23.1.19, C-430/17 – Walbusch, ECLI:EU:C:2019:47 Rz 30 ff) und Telefonanrufe. Ihnen gemeinsam ist, dass sie eingesetzt werden können, ›ohne dass die Vertragsparteien gleichzeitig körperlich anwesend sind‹. Unterschiede bestehen wohl bei der Einordnung eines Boten je nachdem, ob dieser über die Vertragsleistung des Unternehmers Bescheid weiß, vgl BGHZ 160, 393 und MüKo/Wendehorst Rz 14 mit dem zutreffenden Hinweis, dass vielfach ohnehin § 312b eingreifen wird. Im Rahmen der Umsetzung der VRRL (dazu Vor §§ 312 ff Rn 4) wurden SMS als Fernkommunikationsmittel in I aufgenommen (dazu bereits Rn 2).
2. Ausschließliche Verwendung von Fernkommunikationsmitteln.
Rn 10
Ausschließlich muss die Verwendung von Fernkommunikationsmitteln bei den Vertragsverhandlungen sowie beim Vertragsschluss sein, I. Damit ist der Anwendungsbereich des § 312c nicht auf Antrag und Annahme beschränkt, vielmehr spielen auch persönliche Kontakte der Parteien bei der bloßen Anbahnung des Vertrags eine Rolle. Aus ErwGr 20 VRRL, der für die Auslegung des § 312c maßgeblich ist, ergibt sich folgende Differenzierung: Sucht der Verbraucher die Geschäftsräume lediglich zum Zwecke der Information auf, um anschließend den Vertrag aus der Ferne zu verhandeln und abzuschließen, findet § 312c Anwendung. Wird der Vertrag im Gegensatz dazu bereits in den Geschäftsräumen ausgehandelt und letztlich mittels eines Fernkommunikationsmittels nur abgeschlossen, liegt ein Fernabsatzvertrag nicht vor. Das Schutzbedürfnis des Verbrauchers ist in diesem Fall gering, weil er noch Zeit zur Überlegung hatte. Ihn gerade dann durch § 312c zu schützen, wäre sinnlos. Gleiches gilt, wenn der Verbraucher während der Vertragsanbahnung persönlichen Kontakt zu einem Mitarbeiter des Unternehmers oder einem vom Unternehmer bevollmächtigten Vertreter hatte (BGH NJW 18, 1387 [BGH 27.02.2018 - XI ZR 160/17] Rz 20). Ob dies auch gilt, wenn nur Kontakt mit einem Kreditvermittler bestand, ist ungeklärt (EuGH-Vorlage München 21.6.22, 32 U 557/22; anh EuGH Rs C-463/22). Anders mag es allenfalls dann sein, wenn eine zeitlich relevante Zäsur zwischen persönlichem Kontakt und Vertragsschluss über Fernkommunikationsmittel liegt (s etwa AG Frankfurt/M MMR 11, 804 zu § 312b aF: mehr als eineinhalb Monate).
Rn 11
Eine entsprechende Frage entsteht bei persönlichen Kontakten der Parteien nach dem vorläufigen Vertragsschluss. Als Bsp sei der Fall genannt, dass ein Reparaturvertrag telefonisch geschlossen wird und dann erst im persönlichen Kontakt geklärt werden soll, ob, wie und zu welchem Preis repariert werden kann. In solchen Fällen einer sukzessiven Konkretisierung des Vertrages wird man die Anwendbarkeit von § 312c gleichfalls zu verneinen haben, wenn vor der endgültigen Festlegung ein persönlicher Kontakt stattgefunden hat. Dies entspricht ErwGr 20 VRRL. Weiterhin hat dies etwa auch Bedeutung für Verträge mit einem Arzt oder Anwalt, bei denen regelmäßig die zu erbringende Leistung gleichfalls erst nach einem persönlichen Kontakt konkretisiert werden kann (verneinend bei Anwaltsverträgen, wenn die persönliche Dienstleistung im Vordergrund steht, AG Charlottenburg NJW...