Prof. Dr. Michael Stürner
I. Beschränkung auf Verträge.
Rn 3
Nach Stellung, Wortlaut und Sinn gilt § 313 nur für Verträge (die Bezeichnung als ›Geschäfts-‹grundlage ist insoweit ungenau). Doch muss es sich dabei nicht notwendig um Schuldverträge handeln. Für öffentlich-rechtliche Verträge gilt § 60 VwVfG. Unanwendbar ist § 313 dagegen auf einseitige Rechtsgeschäfte, etwa eine Anfechtung oder Kündigung, auch eine Verfügung von Todes wegen (BGHZ 37, 233, 241; NJW 93, 850). Hier hilft nur die ergänzende Auslegung (BGH aaO). Der Vertrag kann auch unentgeltlich sein (freilich passt dann die Fallgruppe der Äquivalenzstörung nicht, vgl u. Rn 30). Auch für nach dem Recht der DDR geschlossene Verträge passt § 313 (BGHZ 120, 10, 22; 128, 320, 321f).
II. Ausschluss durch Spezialvorschriften.
Rn 4
Etwa die §§ 321, 437, 519, 527 f, 530, 574c I, 593, 650, 775, 779, 1301, 2077, 2079 sowie die 36 UrhG; 29 UStG schließen § 313 aus. Diese Vorschriften enthalten eine ausdrückliche Risikoverteilung, die durch die Anwendung des § 313 nicht modifiziert werden darf (s für das Gewährleistungsrecht BGH NZM 08, 462; Kuhn AcP 221, 845; für das Mietrecht BGHZ 208, 18 Rz 24 zu § 558 III unter Aufgabe von NJW 07, 2626 Rz 19). Diese Grundsätze gelten auch für die COVID-19-Pandemie (zum Verhältnis zum Mietmangel Anzinger/Strahl ZIP 20, 1833; Kumkar/Voß ZIP 20, 893; zum Verhältnis zur Kündigung im Pauschalreiserecht Tonner MDR 20, 519, 521). Doch reicht dieser Ausschluss nur so weit wie die Spezialregelung selbst (etwa BGHZ 150, 102, 105 ff zu § 23 SchuldrAnpG betr ein Datschengrundstück; BGH NJW 00, 2497, 2498 zu § 779 und BGH VersR 12, 72 zu § 437). Zum Verhältnis zwischen § 313 und § 314 bei Dauerschuldverhältnissen vgl § 314 Rn 18, zum Verhältnis zu § 275 II u. Rn 6.
III. Ausschluss durch Vereinbarung.
Rn 5
§ 313 ist weithin nicht direkt abdingbar, weil der zugrunde liegende § 242 als zwingend angesehen wird (§ 242 Rn 12). Doch kann vertraglich geregelt werden, dass eine Partei das Risiko bestimmter Veränderungen tragen soll; das ergibt schon der Hinweis auf die vertragliche Risikoverteilung in I (dazu u. Rn 17). Auch können die Parteien iRv § 138 Zumutbarkeitsgrenzen bestimmen (zB die Unerheblichkeit von Kostensteigerungen bis zu einem gewissen Betrag).
IV. Verhältnis zu § 275 II.
Rn 6
Die Abgrenzung zu § 275 II wird vielfach als problematisch angesehen. Folgende Grundsätze lassen sich dafür aufstellen (näher Stürner JURA 10, 721): Ausgangspunkt ist die vertragliche Risikostruktur. Störungen, die dem Bereich der Geschäftsgrundlage zuzuordnen sind, werden ausschließlich von § 313 erfasst; dagegen unterfallen Leistungsstörungen, die dem vertraglichen Risikobereich zugehören, nur § 275 II und III (so im Grundsatz auch BGHZ 74, 370, 373; s.a. BGH WM 17, 1937 Rz 8). Tatbestandliche Überschneidungen beider Normen kommen daher bei sachgerechter Auslegung nicht vor. Eine Abgrenzung anhand der Rechtsfolgen beider Tatbestände muss ausscheiden (so aber etwa A. Schlüter ZGS 2003, 346, 350). Der gesetzlichen Systematik widerspricht es auch, dem Schuldner ein Wahlrecht zwischen beiden Normen zuzugestehen (dafür aber eine verbreitete Ansicht, s etwa Staud/Caspers 19, § 275 Rz 120 mN) oder iE § 313 den Vorrang einzuräumen, indem ein Vertragsanpassungsverlangen auch dann für möglich gehalten wird, wenn die Voraussetzungen des § 275 II vorliegen (dazu mN bei § 275 Rn 21).
V. Verhältnis zu § 812 I 2 Alt 2.
Rn 7
Der Nichteintritt eines nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckten Erfolgs soll nach der Rspr vorrangig von § 313 erfasst werden: Der Anpassungsanspruch nach § 313 bedeute einen Vertragsanspruch, der Bereicherungsansprüche ausschließe (BGHZ 84, 1, 10 f; 108, 147, 149). Doch werden sich die Anwendungsbereiche beider Vorschriften idR ohnehin gegenseitig ausschließen: Was nach § 812 I 2 Alt 2 Inhalt des Rechtsgeschäfts geworden ist, kann schwerlich bloß Geschäftsgrundlage iSv § 313 sein (HK-BGB/Fries/Schulze Rz 11 sowie u. Rn 9). Im Falle schwiegerelterlicher, um der Ehe des eigenen Kindes mit dem Beschenkten Willen erfolgter Schenkungen sollen nach Scheitern der Ehe nach der Rspr des BGH auch Ansprüche aus § 313 denkbar sein (s.u. Rn 34 ff). Bei gemeinschaftsbezogenen Zuwendungen in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, die von dem Zuwendenden in der Vorstellung getätigt werden, an dem erworbenen Gegenstand iRd nichtehelichen Lebensgemeinschaft langfristig partizipieren zu können, schließt der Tod des Zuwendenden eine Zweckverfehlung iSd § 812 I 2 Alt 2 regelmäßig aus (BGHZ 183, 242); iÜ kommt bei nichtehelicher Lebensgemeinschaft eine Rückabwicklung über § 313 in Betracht, wenn mangels Schaffung eines gemeinschaftlichen Vermögenswertes gesellschaftsrechtliche Ausgleichsansprüche ausscheiden oder eine Zweckabrede iSv § 812 I 2 Alt 2 nicht feststellbar ist, BGH NJW 08, 443 [BGH 31.10.2007 - XII ZR 261/04].